Zinsanstieg haucht Lebensversicherungen neues Leben ein
Laufende Verzinsung 2023 steigt um sieben Basispunkte. Neue Klassik rentiert kaum höher als Klassik.
Der Zinsanstieg im vergangenen Jahr bedeutet auch für die Überschussbeteiligungen und Garantien der deutschen Lebensversicherer eine Zeitenwende. Wie eine Studie der Assekurata unter 43 Unternehmen ergab, deren Marktanteil sich bei den Prämieneinnahmen auf 70 Prozent beläuft, hat niemand eine Absenkung vorgenommen. 13 Studienteilnehmer haben die laufende Verzinsung in der privaten Rentenversicherung gegenüber 2022 angehoben.
Im Durchschnitt beträgt sie für einen Referenztarif mit Garantiezins 1,25 Prozent nunmehr 2,14 Prozent, nach 2,01 Prozent im Vorjahr. Die 13 Anbieter, die auch im Neugeschäft weiterhin klassische Rentenversicherungen anbieten, gewähren eine etwas höhere laufende Verzinsung von durchschnittlich 2,26 Prozent. Bezieht man alle klassischen Produktarten und Tarifgenerationen aus der Studie mit ein, so ist die laufende Verzinsung 2023 auf 2,62 Prozent gestiegen. Im Vorjahr waren es noch 2,55 Prozent. „Marktweit steigt damit die Überschussbeteiligung gegenüber dem Vorjahr an. Dies hat historischen Charakter, erfolgte dies doch letztmals vor 15 Jahren“, erläuterte Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. Dabei weisen größere Unternehmen tendenziell ein etwas höheres Deklarationsniveau auf, was sich im gewichteten Durchschnitt von 2,76 nach 2,69 Prozent ausdrückt.
„Dass sich der abrupte Zinsanstieg am Kapitalmarkt nicht eins zu eins bei den Überschussbeteiligungen niederschlägt, ist den Eigenschaften des Geschäftsmodells geschuldet“, erläuterte Dr. Reiner Will. „Einerseits dauert es viele Jahre, bis der höhere Marktzins in der Kapitalanlage von Lebensversicherern ankommt, andererseits sind durch die Zinswende stille Lasten in den Bilanzen entstanden.“ Aus Sicht des Assekurata-Geschäftsführers sei es daher nicht verwunderlich, dass viele Lebensversicherer in ihrer Überschusspolitik noch zurückhaltend sind, wenngleich sich die langfristige Ertragsperspektive mit dem Zinsaufschwung verbessert habe.
Die deklarierte Gesamtverzinsung, die neben den laufenden Überschüssen auch Schlussüberschusskomponenten berücksichtigt, korrespondiert mit der Entwicklung bei der laufenden Verzinsung. Für den Mustervertrag einer privaten Rentenversicherung ist sie im Branchenschnitt um elf Basispunkte auf 2,81 Prozent angestiegen. „Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren kommt bei den meisten Anbietern zum Vertragsende allerdings keine weitere Beteiligung an den Bewertungsreserven mehr hinzu“, ergänzte Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. „Hier wirken sich die stillen Lasten der Zinsanlagen in den Büchern der Lebensversicherer unmittelbar aus, wodurch häufig keine zu verteilenden Bewertungsreserven mehr vorhanden sind.“
Neue Klassik mit laufender Verzinsung von 2,19 Prozent
Darüber hinaus hat die Kölner Rating-Agentur wieder das Segment der sogenannten Neuen Klassik untersucht. Diese Tarife bieten eine reduzierte Bruttobeitragsgarantie von zumeist um die 90 Prozent. Aktuell liegt die laufende Verzinsung der betrachteten Neugeschäftstarife bei durchschnittlich 2,19 Prozent nach 2,05 Prozent im Vorjahr und somit nur leicht oberhalb der Klassik. Im unternehmensindividuellen Vergleich zwischen den Anbietern, die Deklarationssätze für beide Produktsegmente angaben, ist der Überschussvorteil der Neuen Klassik mit 2,31 Prozent gegenüber 2,21 Prozent in der Klassik etwas größer. Auch bei der illustrierten Beitragsrendite ist die Neue Klassik im Vorteil, wobei die Tarife hinsichtlich der Überschussverwendung nicht einheitlich konzipiert und daher nicht vollständig vergleichbar sind. „Auch bei neuen klassischen Rentenversicherungen können die Überschüsse nicht so schnell wie der Marktzins steigen, da die Sparprozesse hier ebenfalls langfristig ausgerichtet sind“, resümierte Lars Heermann.
Zinswettbewerb: Versicherer versus Banken
Deutlich unmittelbarer reagieren die Lebensversicherer hingegen im kürzer laufenden Einmalbeitragsgeschäft. Hier hat Assekurata im Rahmen der Untersuchung festgestellt, dass die Überschussbeteiligungen insbesondere in den ersten Vertragsjahren gegenüber dem Vorjahr spürbar angezogen haben. „Der Zinsanstieg wirkt sich bei Einmalbeitragspolicen somit stärker aus als bei Versicherungen gegen laufenden Beitrag“, stellte Heermann fest. „Offenbar verfolgen die Lebensversicherer das Ziel, im Zinswettbewerb gegenüber Banken weiterhin bestehen zu können.“ Außerdem passt dieses Vorgehen zur derzeit inversen Zinsstrukturkurve am Kapitalmarkt, bei der Anleihen mit kurzen Laufzeiten bisweilen höher rentieren als Langfristanlagen.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Fixed Income | Garantie
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