Zeitenwende für Spezialfonds
Der Zinsanstieg belastet Administratoren von Spezialfonds. Kommalpha-Analyse ergibt großen Volumenschwund in 2022.
Bundeskanzler Olaf Scholz prägte dieses Jahr in Reden im Deutschen Bundestag und vor den Vereinten Nationen in New York angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine den Begriff „Zeitenwende“. Diese droht nun auch, ausgelöst durch die gestiegenen Zinsen, der Asset Management Branche. Wie nämlich dem Spezialfondsmarkt Quarterly aus dem Hause Kommalpha zu entnehmen ist, ist das Volumen dieser Vehikel seit Jahresanfang kontinuierlich gesunken.
239 Milliarden Euro verschwunden
Waren im Januar noch 2,1 Billionen Euro in den Spezialfonds, sind es Ende September nur noch 1,9 Billionen Euro – und dies, obwohl die Zuflüsse über den Abflüssen lagen. Zwar war das Nettomittelaufkommen der Spezialfonds im dritten Quartal das schwächste Vierteljahr seit dem Start der Kommalpha-Publikation im Jahr 2020, betrug aber immer noch knapp 14 Milliarden Euro. „Trotz positiver und nicht unerheblicher Nettomittelaufkommen hat der Zinsanstieg seit Ende Januar das Spezialfondsvolumen um unfassbare 239 Milliarden Euro geschrumpft“, kommentiert Clemens Schuerhoff, Vorstand des Consultingunternehmen.
Nicht zuletzt hat sich der Zinsanstieg in Portfolios ausgewirkt, die besonders hohe Bondquoten fahren. Leidtragende sind nicht nur die Asset Owner. „Betroffen davon sind alle Parteien, die ihre Gebühren auf Basis zugrunde liegender Volumina berechnen, primär also Asset Manager, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen“, erklärt Schuerhoff. „Diese marktbedingte Vernichtung der Ertragsgrundlage wird bei so manchem Marktteilnehmer für hängende Mundwinkel sorgen.“
Eine Indikation, wie stark dieser Effekt auf die GuVs ausfällt, gibt Schuerhoff auch: „Ein Basispunkt von 239 Milliarden Euro entspricht knapp 24 Millionen Euro und somit kann man nach individueller Margeneinschätzung den Ertragsverlust für die deutsche Asset-Management-Branche errechnen. Das muss erst mal durch andere Asset-Klassen oder Provisionen aufgefangen werden.“
Gemischte Wertpapierspezialfonds größte Looser
Wenig überraschend ist das Spezialfondsvolumen von Versicherungen in den betrachteten neun Monaten mit 117 Milliarden Euro am stärksten geschrumpft. Dies lag nicht nur an den Anleihevolumina, sondern auch an den langen Durationen. Diese sorgten in der langen Zinsrückgangsphase für stille Reserven, mutierten aber in nur neun Monaten meist in stille Lasten – wie gewonnen, so zerronnen. Mit Blick auf die Fondskategorien ließ der Zinsanstieg interessanterweise nicht Rentenfonds am stärksten zur Ader: „Der Effekt dieser massiven zinsbedingten Bewertungsabschläge findet sich am deutlichsten bei gemischten Wertpapierspezialfonds wieder. Ihr Volumen reduzierte sich von Ende Januar bis Ende September um 128 Milliarden Euro – ein Indiz für eine klare Bondslastigkeit von gemischten (Master)-Spezialfondsmandaten. Das Volumen von Rentenspezialfonds reduzierte sich im gleichen Zeitraum um 89 Milliarden Euro“, so Schuerhoff.
Trübe Aussichten für 2023
Verschärfend kommt hinzu, dass sich diese Entwicklung auch im kommenden Jahr fortsetzen könnte. Dafür spricht, dass die Zentralbanken ihren Zinserhöhungszyklus noch nicht abgeschlossen haben. Dafür spricht aber auch, dass trotz attraktiverer Wiederanlagerenditen die Anleger nicht im Powershopping-Modus auf dem Anleihemarkt aktiv werden. Ein Grund ist, dass für die Investoren nach wie vor alternative Anlagen attraktiv sind. Daniel Brückner, Head of Business Development and Client Management bei HSBC Deutschland, verweist auf die Risikodiversifikation sowie die in den vergangenen Monaten nachgewiesene Resilienz von Alternatives und sagt: „Wir erwarten, dass sich die Bedeutung alternativer und illiquider Investments tendenziell eher noch verstärken, mindestens aber verfestigen wird, insbesondere im Bereich Infrastructure Debt, wo sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Energiewende noch erheblicher Kapitalbedarf auftun wird.“
Dagegen sagt Alexander Lehn, Senior Sales Manager bei BNP Paribas Securities Services: „Der Zinsanstieg erhöht die Attraktivität von Bonds-Investments und bremst die Dynamik neuer Kapitalzusagen in Alternatives und zum Beispiel Immobilien.“ Liquidität und Denominationseffekt sind für Lehn weitere Argumente pro Anleihe. Auch Stefan Adam, Senior Experte Vertrieb Verwahrstelle, sieht Anleihen im Fokus der Investoren: „Es gibt wieder einen attraktiven Zins auf Bondsinvestments bei gleichzeitiger signifikanter Steigerung der Refinanzierungskosten auf den Fremdkapitaleinsatz bei Sachinvestments. Deshalb werden künftig sicherlich wieder Neuanlagen beziehungsweise Ersatzanlagen in erhöhtem Maße in Rentenpapiere fließen, alleine schon unter den Gesichtspunkten der Risikostreuung, Risikotragfähigkeit und Liquidität der Asset-Klasse.“
Alternatives bleiben auf Einkaufsliste
Trotzdem sehen aber weder Lehn noch Adam Alternatives im Abseits. „Langfristig bleiben Alternatives aus Diversifikationsgründen dennoch ein unerlässlicher Bestandteil in der strategischen Asset-Allokation“, fügt Lehn seinem Statement hinzu. Adam ergänzt, dass man ein abruptes Ende auf der Alternatives- und Immobilienseite jedoch nicht sehe. „Bedingt durch die Nachlaufeffekt der getätigten Mittelzusagen, weiterhin interessanten Opportunitäten und die Langfristigkeit bei Sachwerte-Anlagen wird es eine sanfte Landung geben.“ Die drei Administrationsdienstleister sind Unterstützer des Quarterly.
„Landen“ wird ein Teil der Commitments auch in deutschen Spezialfonds und kommt somit auch dem deutschen Finanzmarkt zugute. „Nicht alles geht nach Luxemburg“, bestätigt Clemens Schuerhoff. „Von Dotierungen in Alternatives profitieren auch der deutsche Spezialfonds und deren Administratoren.“ Fraglich jedoch, in welchem Maße dies geschieht. Eine regionale Durchschau erlauben die Daten der Bundesbank, auf denen die Quarterly-Statistiken basieren, nicht.
Dienstleister vor Durststrecke
Dienstleister stehen somit vor einer Durststrecke. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sich die Volumina der Spezialfonds in 2023 zumindest nicht im gleichen Tempo weiter leeren. „Einen vergleichbaren Einbruch wie in den ersten neun Monaten in 2022 kann ich mir nicht vorstellen. Die EZB wird weiter, aber moderater die Zinsschraube nach oben drehen, so dass sich Bewertungseffekte der Bonds in den Spezialfonds und weiterhin positives Nettomittelaufkommen mehr kompensieren und unter dem Strich das Spezialfonds-Volumen in 2023 nur leicht abnehmen wird“, prognostiziert Clemens Schuerhoff.
Ein kleiner Trost mag die Prosa von Assekurata sein: „Beim Thema Zinsaufschwung in der Lebensversicherung liegt das Gute eben nicht ganz nah, sondern man muss eher in die Ferne schweifen.“ Dann wenden sich auch die Zeiten wieder.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Administration | Fixed Income
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