Alternative Anlagen
12. Oktober 2023

Warm-up für grüne Rechenzentren

Über ESG-Regulierungen kann man streiten, über die Relevanz von Nachhaltigkeit nicht mehr. Diese nahm wie das Datenvolumen zu und wird dies auch in Zukunft tun. Beide Entwicklungen ­betreffen Rechenzentren. Darum braucht es Data-Center-Ansätze, die aus den Energiefressern und Wärmeschleudern ökologische Vorzeigeprojekte machen.

Mit „Habecks Heiz-Hammer“ führte die Berliner Koalition ein ­echtes Kabinettstückchen auf. Gefühlt hätte dieses in der Regierung eigentlich genug Reibungskräfte erzeugen müssen, um damit Tausende Haushalte mit Wärme zu versorgen. Offenbar tat sich die Politik mit dem in diesem Monat beschlossenen Gebäudeenergie-Gesetz (GEG) in etwa so schwer wie damit, mit Altersvorsorge­geldern die deutsche Infrastruktur zu finanzieren. Diese zeigt nicht nur Mängel bei Brücken und Straßen, sondern auch im Ausbau der digitalen Infrastruktur. Als Lösungsansatz für all diese Probleme kommen PPPs in Frage – vor allem, wenn man dabei nicht an ­Private Public, sondern auch an Private Private Partnerships denkt. Zum Beispiel bei Rechenzentren.

Allokiert in Data Center ist die Universa. „Wir sind seit etwa zehn Jahren in Infrastruktur investiert“, erklärt Vorstand Frank Sievert. Seit einem Jahr hat die in Nürnberg ansässige Versicherung zudem Gelder in klassische Rechenzentren angelegt. „Dabei handelt es sich um einen europäischen Fonds, der bestehende Data Center in den sogenannten Knotenpunkten wie beispielweise Amsterdam, London oder Frankfurt erwirbt. Diese Assets sehen wir als eine Art Spezial-Logistikimmobilie, in denen statt Waren Daten gelagert sind“, so Sievert, der hinzufügt, dass Rechenzentren natürlich ­Spezifika wie Kühlung, Sicherheit oder Netzanschluss aufweisen. Seit kurzem investiert die Universa noch mit Palladio Partners in ­weitere Rechenzentren – allerdings mit einem anderen Ansatz. „Diese Strategie hat einen etwas stärkeren Infrastrukturcharakter, erwirbt die Assets schon in der Entwicklungsphase und hat eine sehr ausgeprägte Ausrichtung auf Nachhaltigkeit“, sagt Sievert.

Edge Data Center: am Rande des Netzwerks

Das Investment von Palladio Partners in Rechenzentren erfolgt über ein Joint Venture mit Hochtief PPP Solutions, an dem der ­Alternatives-Spezialist 75 und der Infrastrukturentwickler 25 Prozent halten. Geplant ist zunächst, fünf Data Center in Deutschland zu erstellen, wobei das erste Projekt bereits in Heiligenhaus in Nordrhein-Westfalen entsteht und innerhalb eines Jahres nach Baubeginn in Betrieb gehen soll. Heiligenhaus? „Wir wollen im Rahmen des Joint Ventures Edge Data Center entwickeln und ­betreiben“, erklärt Bernd Holtwick, CFO und COO von Hochtief PPP Solutions. Dr. Bernd Kreuter, Mitgründer und Managing ­Partner von Palladio, nennt neben der Edge-Ausrichtung den energetischen Nachhaltigkeitsfokus als zweite innovative Besonderheit des Konzepts. „Da es Edge Data Center mit einer betont nach­haltigen Ausrichtung noch nicht gibt, haben wir uns entschieden, schon in einer frühen Phase als Investor einzusteigen“, so Kreuter.

Bernd Holtwick will Edge Data Center entwickeln.
Bernd Holtwick, CFO und COO von Hochtief PPP Solutions, will Edge Data Center entwickeln.

Unterscheiden lassen sich Rechenzentren anhand des Nutzerbedarfs. Wie das Portal Datacenter Insider beschreibt, setzen Big Tech Companies wie Amazon, Google, IBM oder Microsoft auf Hyper­scale-Umgebungen, die vor allem für Datenspeicherung oder ­Abrechnungsprozesse von Warenbestellungen in Frage kommen. Bei Edge Computing oder Mikro-Rechenzentren werden dagegen Anwendungen, Daten und Dienste vom zentralen Rechenzentrum an die äußeren Ränder (Edge) des Netzwerks verlagert. „Diese ­lokale Anwendung passt ebenfalls zu uns“, sagt Kreuter, der dabei an die Glasfaser-Ausbauprojekte von Palladio zum Beispiel in Münster denkt. Dank dem näher gelegenen „Rand“-Standort lassen sich Inhalte schneller verarbeiten und Anbieter können eine geringstmögliche Latenz erreichen. Dies ist beispielsweise für auto­nomes Fahren, das Internet of Things (IoT) oder High Frequency Trader relevant. Für Edge-Rechenzentren erwarten Experten auch ein größeres Wachstum als für Hyperscaler. So prognostizierte das Analyseunternehmen Research and Markets im vergangenen Jahr bis 2026 einen Verdoppler beim weltweiten Marktvolumen für Edge-Rechenzentren auf 18 Milliarden Dollar. Dies entspräche ­einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 17 Prozent. Die Marktforscher von Imarc erwarten für Edge-Rechenzentren ­sogar ein Wachstum von 47 Prozent bis 2025. Als ­Wachstumstreiber sehen Experten vor allem 5G, IoT und Videostreaming. „Der Bedarf an Echtzeitanwendungen und damit auch nach Kapazitäten steigt und steigt und entsprechende Prognosen werden von der Realität fast immer übertroffen“, kommentiert Kreuter.

Ob sich diese Prognosen realisieren lassen oder sogar übertroffen werden, hängt nicht zuletzt vom verfügbaren Einkommen der Endkunden ab. Und ob sich die Renditeprognosen für die Palladio-Kunden realisieren werden, hängt wiederum nicht zuletzt vom ­Betreiberrisiko ab. Bei Rechenzentren im ländlichen Raum könnte man vermuten, dass die Zahl der potenziellen Mieter überschaubar ist und ein Ausfall eventuell nicht kompensiert werden kann. Frank Sievert macht sich bei diesem Investment wegen der „Edge“-Standorte jedoch keine großen Sorgen: „Das Thema Daten wird auch in Zukunft immens wichtig und der Bedarf an Rechenzentren entsprechend groß sein. Das wissen wir als Versicherung schon aus unserem eigenen operativen Betrieb.“ Grundsätzlich liegt bei Fondsinvestments das Betreiber- oder auch Managerrisiko für ­Sievert eher woanders, nämlich bezüglich der Mieter. „Wenn schlussendlich ein Mieter aus wenig nachhaltigen Sektoren einzieht, haben wir im Zweifel schnell eine Taxonomie-Diskussion.“ Bernd Holtwick von Betreiber Hochtief PPP Solutions erläutert die Überlegungen mit Blick auf Standorte: „Wir gehen überall ­dorthin, wo es Abnehmer für Edge- und Cloud-Lösungen gibt. Wie ländlich ein Standort ist, spielt keine Rolle, wenn der Bedarf hoch ist. Aktuell sehen wir in den Ballungsräumen von NRW Potenzial. Hier ist die Netzanbindung nicht so gut wie in Frankfurt oder Amsterdam; dabei zählt die Bevölkerungsdichte zu den höchsten in Europa.“

Renewables nutzen – und auch die Abwärme

Heiligenhaus ist übrigens nur knapp 20 Kilometer von Düsseldorf, Essen und Wuppertal entfernt und hat als Rand-Ballungsgebiet-Standort für die Edge-Rechenzentren-Projekte offenbar die richtige Mischung aus Erneuerbare-Energien-Nutzungsmöglichkeiten, Netzanschluss und ausreichend großen Nutzerkreis für Daten – und auch für die Rechenzentren typischerweise gegebene große Abwärme. Gerade deren Nutzung bringt Rechenzentren auf eine ökologisch höhere Stufe und hat zudem großen sozialen Nutzen. „Kommunen beschäftigen sich sehr intensiv mit Wärmeplanungen“, sagt Bernd Kreuter. „Ein signifikanter Teil kann aus der ­Abwärme von Rechenzentren gewonnen werden.“ Bernd Holtwick verweist – quasi als integriertes Konzept – auf mögliche Einspeisungen in Fernwärmenetze oder in (nun häufiger geplante) Nahwärmenetze, Schwimmbäder sowie darauf, dass die Abwärmenutzung eine attraktive Möglichkeit ist, Kosten zu sparen.

Dr. Bernd Kreuter, Mitgründer und Managing Partner von Palladio, will Rechenzentren nachhaltiger machen.
Dr. Bernd Kreuter, Mitgründer und Managing Partner von Palladio, will Rechenzentren nachhaltiger ausrichten.

Ein Beispiel für eine lokale Abwärmenutzung ist ein großes ­Wohnungsprojekt im Frankfurter Gallusviertel, das Instone für die Bayerische Versorgungskammer entwickelt. Beheizt werden sollen die Wohnungen zu einem großen Teil mit der Abwärme eines ­angrenzenden Rechenzentrums. Stockholm wird ebenfalls oft als Beispiel für eine Stadt genannt, in der die Abwärme von Rechenzentren im Wohnungssektor genutzt wird. Tomatenzüchter – Stichwort Vertical Farming – oder Fischzüchter können auch Abwärme-Interessenten sein. Ein solches Beispiel findet sich mit dem in ­Norwegen gelegenen Lefdal Mine Data Center, das sich selbst(bewusst) als grünste Rechenzentrum-Lösung sieht und ­einem Infrastrukturfonds von Columbia Threadneedle und dem deutschen Industriellen Friedhelm Loh gehört. „Der Strom stammt aus Wasserkraft, gekühlt wird mit Fjordwasser und in der Zukunft soll eine benachbarte Jungfischzucht das erwärmte Wasser nutzen“, sagte Fondsmanager Heiko Schupp bereits vor einem halben Jahr portfolio institutionell. Zum Vergleich: Die Norweger geben ihre IT-Kapazität mit über 200 Megawatt an, die von Palladio und Hochtief geplanten hochverdichteten Edge Data Center zielen auf zwei bis vier Megawatt ab. Kunde des Data Centers in Lefdal ist ­übrigens Mercedes. Der Fahrzeugbauer will seine Hochleistungsrechner nach Norwegen verlegen, um seinen CO₂-Fußabdruck zu verbessern. Die Latenzzeit von 19 Millisekunden von Lefdal bis Frankfurt ist für Mercedes offenbar kein Problem. Wegen des ­Energieangebots, der Rechtssicherheit und der Temperaturen ist Skandinavien ein geschätzter Standort für Rechenzentren.

Waste Heat zu nutzen und nicht einfach in die Atmosphäre zu ­blasen, erscheint mehr als sinnvoll, kann jedoch Haken haben. Der Immobiliendienstleister Drees & Sommer verweist in einer Publikation zum einen auf planerische und infrastrukturelle Gründe, nämlich, dass ein Rechenzentrum über das gesamte Jahr hinweg Abwärme abgibt. Ideal seien daher benachbarte Abnehmer, die die Wärmeenergie permanent und nicht nur im Winter benötigen. Dies gelte etwa für Schwimmbäder, Wäschereien oder auch landwirtschaftliche Vorhaben. Zweitens erreiche laut Drees & Sommer die Abwärme konventioneller Rechenzentren nur 30 Grad Celsius, was für direkte Heizzwecke nicht ausreicht, sondern entweder über sogenannte Niedertemperaturheizungen in angrenzenden Wohn- und Bürogebäuden genutzt oder mittels Wärmepumpen erhöht werden müsse. Das steigere aber die ohnehin schon erheblichen Herstellungs- und Betriebskosten und setze daher bestimmte ­finanzielle Anreize voraus, damit es sich für die Betreiber rechnet. Anzumerken ist hier zum einen, dass die Publikation aus dem Jahr 2021 stammt und die Kosten-Nutzen-Schätzung von Nachhaltigkeit bestimmt nicht mehr die gleiche ist. Zum anderen bezog sich die Berechnung auf konventionelle luftgekühlte Rechenzentren und nicht auf die neue Form der Wasserkühlung, die höhere ­Temperaturen ermöglicht. Die Abwärme von innovativen, hoch­verdichteten Rechenzentren kann laut Holtwick und Kreuter bei über 50 Grad liegen.

Ökonomische und ökologische Optimierung

Von Lefdal damit zurück nach Heiligenhaus: Im Kreis Mettmann ist für das Rechenzentrum zur Kühlung ein solches geschlossenes Wasserssystem geplant. Das erreicht einen deutlich höheren ­Wirkungsgrad in Bezug auf die Wärmenutzung, als es bei den in der genannten Studie untersuchten luftgekühlten Rechenzentren der Fall ist. Hier kann Warmwasser mit einer Temperatur von mehr als 50 Grad Celsius generiert werden. Wenig überraschend soll ­zudem eine PV-Anlage Strom für den Eigenverbrauch erzeugen. Wesentlich für das geplante Nachhaltigkeitskonzept ist aber neben vorgefertigten Modulen für den effizienten Serienbau ein Lebenszykluskonzept. „Klassischerweise gibt ein Bauherr dem Entwickler seine Anforderungen vor. Wir sind aber ein Infrastrukturunter­nehmen und nicht nur auf das Bauen spezialisiert. Wir machen ­Lebenszyklusprojekte und bieten dem Kunden immer eine ­Optimierung aus Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb und Instandhaltung. Im Englischen gibt es dafür das Kürzel DBFOM, das für Design-Build-Finance-Operate-Maintain steht“, erklärt Bernd Holtwick. „Und eine solche ökonomische Optimierung führt dann auch zu einer ökologischen Optimierung.“ Holtwick ergänzt, dass in der Rechenzentren-Branche auch aufgrund der guten Auftragslage dieser ökologische Fokus bislang nicht unbedingt gegeben war, nun aber auch entsprechender regulatorischer Druck besteht. „Der Gesetzgeber hat beispielsweise die Idee ins Spiel gebracht, dass mindestens ein Drittel der Abwärme abgenommen werden muss“, so Holtwick. Teil dieses Lebenszyklus sei, dass die Rechenzentren so gebaut werden, dass Refurbishments möglich sind und man auch kommenden Technologiezyklen gerecht werden kann. Gerade als Investor kann man – unabhängig davon, ob ein Asset im Bestand bleiben oder verkauft werden soll – einem Lebenszykluskonzept und dem damit verbundenen Werterhalt viel abgewinnen. Bernd Kreuter: „Unsere Investoren stammen größtenteils aus der deutschen Altersvorsorge. Wir rechnen über Jahrzehnte, und über diesen Zyklus muss sich ein Investment eben auch lohnen.“

Sowohl ökonomisch als auch ökologisch wird wegen Inflation und CO₂-Sensibilität derzeit jedoch generell jeder Neubau kritisch gesehen. Bezüglich der gestiegenen Baukosten verweist Holtwick auf die Möglichkeit, diese – der Charme von Infrastruktur – an den Endkunden weitergeben zu können, und zudem auf den auf ­Effizienz ausgelegten Development-Prozess, der zudem von Skalierungsmöglichkeiten und einer steigenden Lernkurve profitiert. „Wir bauen hier keine Unikate, sondern haben ein Produkt für ­Wiederholungen entwickelt“, so Holtwick. Frank Sievert sagt: „Grundsätzlich ist jeder Bau und jede Instandhaltungsmaßnahme massiv teurer geworden. Es mag auch sein, dass bei der einen oder anderen Immobilie Investitionen nicht rentierlich erscheinen. ­Solche Probleme kann ich aber bei Edge Data Center nicht erkennen.“ Zur ökologischen Sicht beim Bau zählt für Hochtief auch, dass man die Materialien optimiert – und somit soll auch möglichst viel mit Holz gebaut werden. Sind all diese ökologischen Maßnahmen sehr aufwendig? Holtwick und Kreuter sehen darin eher einen Anlass zur beharrlichen Selbstverpflichtung zu innovativen Lösungen. Einen größeren Aufwand stelle gefühlt die Dokumentation dieser Maßnahmen und das entsprechende Datenmanagement für den Fonds dar, auch um denselben als Artikel-9-Fonds nach EU-­Offenlegungsverordnung (SDFR) klassifizieren zu können. Helfen können sollten beim Datenmanagement Rechenzentren – und ­deren Nachhaltigkeit bezüglich der Offenlegungsverordnung.

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