Von „Paradigmenwechsel“ bis in Teilen „bedauerlich“
Abschlussbericht der Fokusgruppe zur Reform der privaten Altersvorsorge sorgt für Freude und Enttäuschung bei Branchenverbänden. Absage an Staatsfondsidee einheitlich begrüßt.
Die Diskussionen um die Zukunft der Altersvorsorge in Deutschland haben neuen Schub erhalten. So hat die sogenannte Fokusgruppe zur Reform der privaten Altersvorsorge am Dienstag ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Kommission sollte die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Prüfaufträge zur Reform der privaten Altersvorsorge durchzuführen, zum einen sollte sie die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds prüfen, der Altersvorsorgesparern ein kostengünstiges und effektives Angebot mit Abwahlmöglichkeit unterbreitet (Prüfauftrag 1), und zum anderen die gesetzliche Anerkennung privater Produkte, die eine höhere Rendite als Riesterverträge ermöglichen (Prüfauftrag 2). Die Fokusgruppe setzt sich zusammen aus Vertretern verschiedener Ministerien, der Branchenverbände (darunter BVI, GDV und Aba), Vertretern der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen sowie Vertretern der Wissenschaft.
Grundlegende Reform, aber ohne Staatsfonds
Nach den Worten von Finanzstaatsekretär Florian Toncar (FDP), der die Fokusgruppe leitet, solle die private Altersvorsorge „grundlegend“ reformiert werden. So soll der rund 130 Seiten starke Abschlussbericht Basis für eine geplante Reform durch die Ampelkoalition werden. Angesichts der Absage der Fokusgruppe an die Idee der Errichtung eines Staatsfonds zeigten sich beteiligte Branchenverbände erfreut und erleichtert.
Besonders erfreut zeigte sich der Fondsverband BVI über den Bericht und bezeichnete die Vorschläge als „Paradigmenwechsel für die private Altersvorsorge“, so BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. Dem Abschlussbericht zufolge sollen Anbieter auf Garantien und Verrentung verzichten können. Altersvorsorge über Aktienfondssparpläne und ETFs soll demnach womöglich gefördert werden können. Der BVI unterstützt überdies die Empfehlung der Fokusgruppe, den Verzicht auf die Beitragsgarantie auch auf den Bestand der Riesterverträge anzuwenden.
GDV: Garantieniveau von 80 Prozent reicht aus
Verhaltene Kritik an dem Bericht übte demgegenüber der GDV. Aus Sicht der Versicherer sollten Kapitalgarantien nicht ganz aufgegeben werden. „Die Fokusgruppe hat sich mehrheitlich für einen völligen Garantieverzicht ausgesprochen“, heißt es in einer Mitteilung des GDV. Der Verband habe sich dieser Empfehlung nicht angeschlossen: „Die Menschen erwarten bei der geförderten Altersvorsorge Verlässlichkeit. Die gäbe es bei einem kompletten Garantieverzicht nicht“, sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das von den Versicherern vorgeschlagene einheitliche Garantieniveau von 80 Prozent sei ein guter Kompromiss zwischen Sicherheit und Rendite. „Es verhindert, dass Anbieter zu hohe Risiken eingehen – zu Lasten der Kundinnen und Kunden.”
Einig zeigten sich BVI, GDV und die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (Aba) in ihrer Zustimmung für die erteilte Absage an einen Staatsfonds. „Die Fokusgruppe hat sich klar gegen einen Staatsfonds ausgesprochen. Das ist ein erfreuliches Votum für Vielfalt und Wettbewerb zum Vorteil der Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagte Jörg Asmussen vom GDV. Der Bericht verkenne jedoch, dass Alterssicherung viel mehr sei als nur Vermögensaufbau. „Die Bedeutung lebenslanger Renten und Mindestgarantien für die Menschen wird leider unterschätzt.“
Plädoyer für lebenslange Rente
Die Aba begrüßte sehr, dass sich eine deutliche Mehrheit der Fokusgruppe private Altersvorsorge gegen einen öffentlich verantworteten Altersvorsorgefonds entschieden habe, erklärte Dr. Georg Thurnes, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V., Aba, in Berlin. „Eine solide gesetzliche Rente, eine entsprechend unseren Vorschlägen gestärkte betriebliche Altersversorgung und die vorgeschlagene Weiterentwicklung der privaten Vorsorge reichen aus, um die Altersversorgung in Deutschland zukunftsfest zu machen“, unterstrich Thurnes. Daneben bestünde kein Bedarf für einen öffentlich verantworteten Altersvorsorgefonds.
Nachbesserungsbedarf sieht zum Beispiel der GDV bei der Ausgestaltung der Auszahlungsphase: „Es ist gut, wenn die Sparer freier über ihr Vermögen verfügen können. Es wäre aber bei einem Altersvorsorgeprodukt kontraproduktiv, die lebenslange Rente aufzugeben“, sagte Asmussen vom GDV. Nur so sei sichergestellt, dass die Ersparnisse nicht vor dem Lebensende aufgebraucht sind. „Verlässlichkeit in Form planbarer Erträge und lebenslanger Renten ist ein Kernelement der geförderten privaten Altersvorsorge“, sagte Asmussen. Der GDV werde sich im weiteren politischen Verfahren dafür einsetzen, dass diese Elemente gestärkt werden.
Die Aba zeigte sich von dem Abschlussbericht in diesem Punkt betont enttäuscht. „Bedauerlich ist aber, dass sich die Fokusgruppe nicht deutlicher für eine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos durch Altersvorsorgeprodukte ausgesprochen hat. Menschen leben durchschnittlich deutlich länger als sie vermuten und sie verfügen über zu wenig Finanzwissen, um angesammeltes Kapital in eine lebenslange Leistung umzuwandeln. Deshalb brauchen wir nicht mehr Vermögensbildung, sondern mehr lebenslange Leistungen“, forderte Dr. Georg Thurnes. „Das gilt im Übrigen auch für den derzeit geplanten Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Versorgungstechnisch ist das keine gute Idee, denn dies führt zu einer Risikokonzentration von Arbeitsplatz- und Altersvorsorgerisiko“, erläuterte Thurnes.
Aba: Entgeltpunkte-Erwerb bedenklich
Und als sogar „äußerst bedenklich“ klassifiziert die Aba die im Abschlussbericht diskutierte Verwendung eines Altersvorsorgevermögens zum Erwerb von Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung. „Potenziell würde damit eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft resultieren. Hier sollte nochmals kritisch geprüft werden“, forderte Thurnes.
Zufriedenheit äußerte die Aba jedoch hinsichtlich der Gesamtausrichtung des Berichts: „Es ist gut, dass der Bericht sich nicht allein auf die private Vorsorge konzentriert. Die Empfehlung, die Geringverdienerförderung in der betrieblichen Altersversorgung auszubauen, deckt sich mit Ergebnissen des Fachdialogs zur Stärkung der Betriebsrenten, den das BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) gemeinsam mit dem BMF (Bundesfinanzministerium) durchgeführt hat. Damit kann die betriebliche Altersversorgung gerade bei den Niedrigverdienern einen weiteren großen Schub erhalten“, betonte Thurnes.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Betriebliche Altersversorgung (bAV) | Investmentfonds | Pensionseinrichtungen | Pensionskassen | Staatsfonds | Versicherer
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