Versorgungswerke geben Impact Investments Impulse
Viele kluge Köpfe prophezeiten es: Mangels Zinsen steht die Big Rotation von Anleihen in Aktien vor der Tür und die Dividende ist der neue Zins. Die Experten hatten aber nur zur Hälfte Recht. Deutsche Kapitalsammelstellen drängen zwar vehement in Real Assets, allerdings nicht in die liquiden, sondern in die Private Assets – und die sollten idealerweise noch nachhaltig sein. Einblicke in ihre Umbaumaßnahmen gaben Martina Nitschke von der VGV auf der 34. Feri-Tagung (online) und Bernd Franken von der NAEV auf dem Apo-Institutionell-Symposium (in echt).
Wenn konsequent, dann konsequent konsequent – an diesem Zitat von Fußballtrainer Thomas Tuchel scheint sich die VGV Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke mbH für den Umbau ihrer strategischen Asset-Allokation orientiert zu haben. Vielleicht war es aber auch andersherum: Denn bereits 2012 investierte die Berliner Ärzteversorgung – ein Versorgungswerk aus dem Verwaltungsverbund VGV von acht berufsständischen Versorgungswerken – in einen Private-Equity-Dachfonds. In den Folgejahren kamen Private Debt, Infrastruktur und Timber hinzu sowie im laufenden Jahr die Beimischung eines Hedgefonds-Portfolios. Die alternativen Quoten von fünf Versorgungswerken, deren Kapitalanlage die VGV betreut, belaufen sich nun auf circa 30 bis 35 Prozent bei einem Gesamtvermögen von insgesamt circa 15 Milliarden Euro. Damit ist der Umbau der Kapitalanlage jedoch noch lange nicht abgeschlossen. Die Zielquote für Alternatives liegt risikoadjustiert bei bis zu 40 Prozent bei sich wahrscheinlich in der nächsten Dekade verdoppelndem Kapitalanlagevolumen. Die Conditio sine qua non: Die Assets müssen auch nachhaltigen Anforderungen genügen. „Unser Appetit auf Alternatives mit einer Extraportion Nachhaltigkeit ist ungebrochen“, so Martina Nitschke, Prokuristin & Abteilungsleiterin Kapitalanlagen. Nicht in alternativen Quoten enthalten sind klassische Immobilien. Diese kommen im Schnitt auf etwa 30 Prozent. Bei einer Quote von null Prozent liegt dagegen schon seit längerem die Quote für den klassischen Direktbestand. Dieser wurde bereits vor Jahren in die Masterfonds eingebracht. Für diese Quoten werden die Grenzen der Anlageverordnung unter Inanspruchnahme aller möglichen Erweiterungen, wie beispielsweise die erweiterten Öffnungsklauseln, ausgenutzt.
Auch bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung erfolgt zinsbedingt ein „massiver Umbau in Real Assets“, so Bernd Franken, der die „strukturell dramatischen Änderungen für Kapitalanleger“ erläuterte. Die Suche nach einem Bond-Ersatz beziehungsweise anderen stabilen Erträgen führte die Ärzte zu Immobilien, Private Debt und – längerfristig betrachtet – Infrastruktur Equity. „Illiquiditätsprämien sind für Versorgungswerke ideal“, so der NAEV-Geschäftsführer, deren Gesamtvermögen sich nun auf 17 Milliarden Euro beläuft. Allokiert ist dieses zu etwa 16 Prozent in Private Equity, Infrastruktur und Private Debt, sowie zu 20 Prozent in Immobilien. Die Aktienquote steht bei zwölf Prozent. Die aus Hypotheken, Anleihen und Rentenfonds bestehende Fixed-Income-Quote schmolz in den letzten zehn Jahren von 80 auf 40 Prozent.
Die Alternative zu Alternatives wären Aktien, und vor einigen Jahren – als Investoren noch oft auf Liquiditätserfordernisse verwiesen – hätte man noch erwartet, dass institutionelle Anleger ihre Quoten an Dividendentiteln erhöhen. Diese können zwar mit ihrer (langfristigen) Rendite punkten. Gegen Aktien spricht allerdings die Volatilität und auch, dass die Diversifikation zwischen Aktien und Renten heutzutage weniger gut funktioniert. „Relativ sind Private Debt, Private Equity und Infrastruktur am attraktivsten“, sagte Bernd Franken mit Blick auf Aktienschwankungen. Bei Private Equity hat diese Attraktivität aber ein wenig gelitten. Franken berichtet über „zunehmende Vergleichsbewertungen mit liquiden Märkten“. Dies sei zwar ökonomisch vernünftig, tatsächlich ist diese Volatilität in den Beteiligungsfonds jedoch nicht gegeben. Franken: „Die Ansteckung mit Aktienvolatilität könnte der Todesstoß für Private Equity sein.“ Überzeugend ist aber nicht nur die Höhe dieses Renditebeitrags. „Das volatile Jahr 2020 konnten wir durch unsere hohen Alternatives-Quoten gut aushalten.“ Trotz der Vorbehalte gegen Aktien haben aber die Quoten mit zwölf Prozent bei der NAEV und mit vergleichbarem strategischem Ziel bei den Anlegern unter dem Dach der VGV durchaus relevante Größen.
Für den erfolgreichen Aufbau und die erforderliche Pflege von alternativen Portfolios ist an verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Allein mit der Vorhaltung von Risikobudgets und mehr Platz für die Ablage der Verträge (O-Ton Franken) ist es nicht getan. Aspekte sind beispielsweise ein effizientes FX-Management oder die Entscheidungsgeschwindigkeit. Herausfordernd ist insbesondere das Delta zwischen Ist- und Zielallokation, welches Overcommitments sinnvoll macht. Erschwert wird das Erreichen der Zielquoten durch die laufenden, gewünschten Rückzahlungen und das Wachstum der Versorgungswerke.
Relativ neu bei Alternatives ist die Berücksichtigung von ESG-Kriterien. Die aus der liquiden Welt bekannten und bewährten Varianten „Ausschlüsse“ und „Best-in-Class“ passen nicht zu den alternativen Universen. Die Berliner Ärzte mandatierten bereits 2008 die damalige F&C mit ihrem Engagement-Overlay-Mandat Reo. Ab 2015 kamen die erste Nachhaltigkeitsrichtlinie, vom Gesamtumsatz eines Unternehmens abhängige Ausschlüsse für Kohle, Öl und Gas sowie Proxy Votings hinzu. Die ab 2018 ergriffenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen passen aber auch für Alternatives: die Einbindung von ESG-Kriterien bei der Asset-Manager-Selektion, die Erstellung des CO₂-Fußabdrucks des Portfolios und der PRI-Beitritt. In diesem Jahr kamen noch eine vertiefte ESG-Due-Diligence und die Entwicklung eines internen Scoring-Modells hinzu sowie ein Rahmenwerk für Impact Investments. „Zeitnah gibt es Bestrebungen einen Impact-Investing-Fonds nach Artikel 9 aufzulegen“, kündigt Nitschke an. Die Schwierigkeit bei der Übertragung der eigenen ESG-Vorstellungen in die alternative Welt ist die Angebots-Nachfrage-Situation. So ist die NAEV zwar kein kleiner Anleger. „Trotzdem haben wir, außer vielleicht bei Co-Investments, keinen Einfluss auf den GP“, so Franken. Dies bedeutet aber nicht, dass es Private Equity an Nachhaltigkeit mangelt. „Die Fonds sind kaum in die klassische Industrie, also in ressourcenintensive Sektoren, investiert. Zudem bekommen die GPs ihre Commitments vor allem von großen US-Endowments und den großen Pensionsfonds aus Skandinavien und den Niederlanden – und die drängen sehr stark auf ESG-konforme Investments.“ Die weitere Schwierigkeit liegt in der Langfristigkeit der Alternatives einerseits und der Flatterhaftigkeit von ESG-Definitionen andererseits. Franken verweist auf Immobilien, bei denen nicht geklärt ist, ob Neubau oder Bestandssanierung nachhaltiger ist oder welches Zertifikat in ein paar Jahren beim Verkauf benötigt wird. Bei Infrastruktur darf man gespannt sein, wie man in ein paar Jahren die Nachhaltigkeit von Flughäfen oder von Straßen sieht. Häfen könnten kritischer gesehen werden, wenn man mit diesen künftig eventuell vor allem die Verladung von Kohle und Öl verbindet. „Die Wahrnehmung von Nachhaltigkeit kann sich über die Jahre verändern“, fasst Franken die Problematik zusammen. Aktuelles Anlagethema – und bezüglich Nachhaltigkeit unbedenklich – sind für die NAEV Onshore-Windanlagen in Skandinavien.
Impact Investing mit alternativen Assets
Alternatives machen aber nicht nur Schwierigkeiten bezüglich Nachhaltigkeit. Beide Investoren verbinden die Private Assets sehr stark mit Impact Investing. „Impacts sehen wir als Mittelpunkt unserer Nachhaltigkeitsstrategie“, sagt Martina Nitschke und erwähnt neben dem geplanten Artikel-9-Fonds Wohnprojekte, bei denen die Versorgungswerke einen Beitrag als verantwortungsvolle Investoren leisten möchten. Wichtig ist für die Berliner bei Impacts, dass diese nicht nur einen positiven Beitrag auf Umwelt- und soziale Themen haben, sondern auch eine positive Rendite erzielen, und dass man Ersteres auch für die Gremien und Mitglieder messbar machen kann. In Düsseldorf sieht man bezüglich Impacts Private Equity als „prädestiniert“ und Private Debt in den Emerging Markets als „spannend“. Letzteres begründet Franken damit, dass die Bankinstitute vor Ort für großvolumigere internationale Projekte eventuell zu klein sind und man sich an diesen als Geldgeber mit Begleitschutz von deutschen Förderinstituten wie KFW oder DEG beteiligen könne. Nicht geklärt ist für Franken bei Impacts aber die Messbarkeit, insbesondere wenn es sich um soziale Themen handelt. „Noch sind wir dabei, Erfahrungen zu Impacts zu sammeln.“ Immer mehr Erfahrungen zu Impacts und auch zu Nachhaltigkeit allgemein – zumindest was deren Vermittlung betrifft – sammelt das Versorgungswerk über die mittlerweile wöchentlichen Anfragen seitens der etwa 59.000 Mitglieder. Diesen Austausch pflegt auch die VGV. Martina Nitschke: „Gerade für die Jüngeren ist Nachhaltigkeit ein ernstes Thema.“ Von der Bedeutung der Anlegerseite für Nachhaltigkeit ist die Kapitalanlegerin überzeugt: „Investoren sind die Treiber der Transformation.“
Interessant an beiden Vorträgen und den anschließenden Diskussionen ist, dass weder Feri noch Apo-Bank ihren Referenten ein genaues Thema vorgegeben haben dürften, sich beide Anleger jedoch auf Alternatives und Nachhaltigkeit fokussierten und dabei die beiden Felder und vor allem deren Kombination sehr ähnlich einschätzen – zumindest fast: Hedgefonds haben für die NAEV keine große Bedeutung mehr. Dagegen will man in Berlin aus Gründen der Diversifikation Hedgefonds weiter beimischen.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Alternative Anlagen | Impact Investing | Private Debt | Private Equity | Versorgungswerke
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