Umfrage: KI wird den Kapitalmarkt signifikant verändern
Spezifische KI-Systeme für Kapitalmarktteilnehmer entwickeln sich rasch. Was Finanzprofis sich davon versprechen, zeigt eine Umfrage der DVFA unter ihren Mitgliedern.
Deutsche Investment Professionals haben große Erwartungen an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Finanzsektor. Das zeigt eine Umfrage der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) unter ihren Mitgliedern. Die Mehrheit (61 Prozent) erwartet signifikante Veränderungen durch KI am Kapitalmarkt in drei bis fünf Jahren. Immerhin jeder Vierte (26 Prozent) ist optimistischer und sieht signifikante Veränderungen bereits in den nächsten ein bis zwei Jahren.
Wie auch in anderen Branchen sind die Erwartungen an KI groß. Es gehe um treffsicherere Prognosen, optimiertere Prozesse, fundiertere Entscheidungen, so die DVFA. Doch die Entwicklung spezifischer KI-Systeme für Kapitalmarktteilnehmer ist laut einer Mitteilung des Verbands mit Sitz in Frankfurt am Main noch in vollem Gang.
Auch der regulatorische Rahmen zeichne sich noch nicht genau ab, und es bleibe fraglich, ob KI mehr werden könne als ein weiteres, wenn auch leistungsstarkes Hilfsmittel. „Die Mehrheit unserer Mitglieder sieht noch erhebliche Hindernisse für einen echten ‚Siegeszug‘ der KI“, sagt Christoph Schlienkamp, stellvertretender Vorsitzender der DVFA und Portfoliomanager bei der GS&P Kapitalanlagegesellschaft. „Es mangelt derzeit noch an Erfahrungen, belastbaren Ergebnissen, auch an Vertrauen in die neue Technik. Vor allem aber brauchen wir dazu bessere, strukturierte und konsistente Daten in großer, langfristig verfügbarer Menge.“
KI hilft, Markttrends früher zu erkennen
Nach Angaben der DVFA soll Künstliche Intelligenz im Finanzsektor helfen, Markttrends früher zu erkennen. Das geschieht durch die Auswertung großer Datenmengen und dem Einsatz von Verfahren für die Mustererkennung. Allerdings, so räumt die DVFA ein, bleibe es weit einfacher, Trends zu sehen, als Wendepunkte rechtzeitig vorherzusagen. Gerade hierbei hänge die Genauigkeit der Vorhersagen entscheidend von der Qualität der Daten ab.
Über die Hälfte der Befragten (52 Prozent) schätzt daher das Prognosepotenzial für Markttrends derzeit als moderat ein. Mehr als jeder Dritte (38 Prozent) ist hierfür allerdings weit optimistischer und stuft die Vorhersagekraft von KI als sehr hoch ein. Nur zehn Prozent sehen lediglich geringes oder gar kein Prognosepotenzial.
KI-Algorithmen durchsuchen den Angaben zufolge riesige Datenvolumina und identifizieren idealerweise auch eher versteckte Zusammenhänge, Trends und Anomalien. In welchem Anwendungsbereich der KI der größte Nutzen am Kapitalmarkt gesehen wird, war für die Befragten jedoch nicht einfach zu entscheiden, heißt es seitens des Investmentverbands. Daher lagen Risikomanagement und Marktanalyse mit jeweils 30 Prozent gleichauf, gefolgt von Handelsalgorithmen mit 22 Prozent. Das Schlusslicht bildete mit 18 Prozent die Kundenberatung.
Die Rolle der KI am Arbeitsmarkt
Werden die Aufgaben von Analysten, Beratern, Asset Managern und Tradern bald nahezu vollständig von Künstlicher Intelligenz übernommen? Hier gehen die Auffassungen oft auseinander, was laut DVFA angesichts der zurzeit noch unklaren weiteren Entwicklung und Robustheit der KI-Modelle wenig verwundert. Jeder Zweite der DVFA Investment Professionals erwartet, dass KI bestehende Arbeitsplätze im Finanzsektor ersetzen wird. Doch könnte es sich dabei ja auch vorwiegend um unterstützende DV- und Routinearbeiten handeln, so der Verband.
Genauigkeit und Umfang der Analyse bleiben auch mit KI die Basis jeder guten Prognose. Das gilt schon bisher für die traditionelle Finanzanalyse auf Basis von Unternehmens- und Marktdaten einschließlich sogenannter „weicher Faktoren“ wie ESG-Berichten und Behavioral Finance. Trotz – oder gerade wegen – dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit hält mehr als jeder Dritte (35 Prozent) es für unmöglich, die Genauigkeit von KI-basierten Finanzprognosen und traditionellen Methoden zu vergleichen. Dagegen trauen 29 Prozent den KI-Methoden eine größere und 26 Prozent eine gleichgroße Genauigkeit zu. Und zehn Prozent der Befragten halten KI sogar für weniger genau.
Hindernisse bei der KI-Durchdringung: noch etliche Hürden zu nehmen
In ihrer Mitteilung thematisiert die DVFA auch die sogenannte generative KI. So werden laut dem Softwareanbieter SAP Modelle der künstlichen Intelligenz bezeichnet, die darauf ausgelegt sind, neue Inhalte in Form von geschriebenem Text, Audio, Bildern oder Videos zu erzeugen. Die generative KI entwickelt sich nach DVFA-Angaben rasant. Zahlreiche Branchen arbeiteten am Einsatz spezifischer KI für ihre jeweiligen Verwendungen. Derweil wetteiferten weltweit große Konzerne um Marktbeherrschung, weil auch bei KI Skaleneffekte und Monopolstrategien Kostenvorteile verspreche. Das mache die Zukunft der KI ebenso spannend wie ungewiss.
Folgerichtig halten 58 Prozent der befragten Investment Professionals den Mangel an Verständnis oder Vertrauen derzeit noch für das größte Hindernis, das einer Integration von KI am Kapitalmarkt entgegensteht. Nicht einmal halb so viele Antworten (24 Prozent) entfielen auf regulatorische Beschränkungen, gefolgt von den mit KI verbundenen technologischen Herausforderungen (17 Prozent). Kosten scheinen derzeit dagegen kein Problem zu sein (ein Prozent).
KI versus menschliche Erfahrung, Intuition und Kreativität
Christoph Schlienkamp fasst die Umfrageergebnisse zusammen. Der stellvertretende Vorsitzende der DVFA sagt, entscheidend für den „Durchbruch der KI als Hilfsinstrument in unserer Branche wird die Verfügbarkeit belastbarer, strukturierter Daten sein“. Es werde darauf ankommen, wie die Modelle trainiert werden, aus welchen Daten sie lernen, und ob diese Prozesse noch gesteuert, nachvollzogen und kontrolliert werden können. „Denn am Ende sollte immer der Mensch entscheiden, wie weit er der KI und deren Ergebnissen vertraut“, so Schlienkamp. Er macht deutlich, dass es von zentraler Bedeutung sein werde, „dass nicht ‚KI nur mit KI-Ergebnissen gefüttert‘ wird – das würde zu Zirkelschlüssen und schließlich zu völliger Konformität führen, einem ‚globalen maschinellen Consensus‘. Es wäre das Ende der Kapitalmärkte und ihrer unverzichtbaren gesamtwirtschaftlichen Allokationsfunktion.“
Schlienkamp hofft daher sehr, „dass KI die menschliche Erfahrung, Intuition und Kreativität niemals ersetzen wird. Sie darf kein ‚Autopilot‘ werden. Denn nur dann kann der einzelne Investor, Analyst und Berater einen Vorsprung im Wettbewerb erzielen, der schließlich den Unterschied macht im Markt.“
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Künstliche Intelligenz
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