Südwind-Studie entwirft „Soziale Taxonomie“
Definition von Sektoren mit hohem sozialen Nutzen und Risikobranchen. Existenzsichernde Löhne oft nicht gewährleistet.
Pünktlich zur finalen Abstimmung über die Taxonomieverordnung zu „Sustainable Investments“ im EU-Parlament am heutigen Donnerstag hat die Nichtregierungsorganisation Südwind eine Studie vorgelegt, die sich mit einer Erweiterung der Taxonomie um soziale Nachhaltigkeit beschäftigt. „Während sich der Entwurf der Taxonomieverordnung ausführlich mit ökologischer Nachhaltigkeit befasst, wurden soziale Themen nur unzureichend berücksichtigt“, kritisiert Südwind. Daher stellt das Institut eine „Soziale Taxonomie“ für nachhaltige Investitionen vor. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie werde erneut deutlich, dass Kapital dort investiert werden müsse, wo es nicht nur ökologisch, sondern auch sozial sinnvoll ist. Soziale Nachhaltigkeit finde sich in der „grünen“ Taxonomie der EU bisher nur in sogenannten „Mindeststandards“, deren Anwendung unklar bleibe, kritisiert Südwind.
Unklare Mindeststandards in der EU-Verordnung
In der Studie „Menschenrechte sind Investorenpflichten – Vorschlag für eine soziale Taxonomie des nachhaltigen Investierens“ wird ein Rahmen für eine „Soziale Taxonomie“ entworfen. Ausgehend von den Nachhaltigen Entwicklungszielen der UN (SDGs) und den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entwickelt die Autorin, Antje Schneeweiß, die zugleich Mitglied im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung ist, Kriterien für definierte Risikobranchen: Landwirtschaft, Textilproduktion, Bergbau und Infrastruktur. Gerade im Bergbau und der Textilindustrie fehle es häufig an existenzsichernden Löhnen oder Einkommen, auch in Bezug auf die Lieferketten, an Beschwerdemechanismen sowie dem anspruchsvolleren Ziel der Gewerkschaftsfreiheit.
Zugänglichkeit verbessern und erhalten
Gleichzeitig werden Sektoren mit hohem sozialen Nutzen benannt, wie die soziale Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie die zivile Konfliktbearbeitung. Doch nicht jedes Investment in diesem Bereich kann als sozial nachhaltig gelten. Nur, wenn die Produkte und Dienstleistungen für alle Bevölkerungsteile zugänglich sind, können Investitionen nachhaltig genannt werden. Diese Zugänglichkeit müsse verbessert und, insbesondere im Falle der Industrieländer, erhalten werden. Auch Lieferketten einzubinden sei unentbehrlich. „Nur, wenn menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auf wirtschaftliche Einheiten und auch in der Lieferkette berücksichtigt werden, entfalten sie die notwendige Wirkung. Welche konkreten Risiken für die Sektoren der grünen Taxonomie bestehen, wird detailliert aufgeführt“, sagt Antje Schneeweiß. Im Fokus der Südwind-Studie als auch der EU-Taxonomieverordnung stünden zudem die Produktionsseite und Lieferketten der Portfoliounternehmen. Was mit den hergestellten Produkten nach der Produktion passiert, würde nicht erfasst. „Die Nutzungsphase wird im Moment noch ausgeklammert, sagte Schneeweiß bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Auch das Tierwohl finde derzeit keine Berücksichtigung weder in der EU-Taxonomieverordnung noch in der Südwind-Studie.
Schneeweiß rechnet kurz- bis mittelfristig mit der Implementierung einer Taxonomie auch für soziale Nachhaltigkeit, die von der EU bereits angedacht ist. „Die soziale Taxonomie wird kommen. Ich rechne damit, dass wir eine vorläufige Fassung bereits in zwei Jahren haben.“ Spätestens in fünf Jahren werde diese implementiert sein. Die Studie von Südwind wurde mit den Kooperationspartnern Misereor und Brot für die Welt veröffentlicht. Eine englische Fassung wird von der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren
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