So werden Immobilien zukunftssicher
Immobilien sind für Anleger Aushängeschilder und Einnahmequellen zugleich. Weil „Betongold“ das Klima massiv belastet, sind neue Bauformen gefragt, um die Gebäude zukunftssicher zu machen.
Deutsche Versicherungsunternehmen halten Kapitalanlagen im Wert von 1.761,6 Milliarden Euro (Stand: 31. Dezember 2020). Hinzu kommen die Kapitalstöcke von Versorgungswerken und anderen Großanlegern. Und Immobilien sind bei diesen Großanlegern sehr beliebt.
Mehr und mehr Versorgungswerke haben ihre Immobilienquote inzwischen bis an die in der Anlageverordnung eingezogene Obergrenze von 25 Prozent des Sicherungsvermögens ausgereizt. Warum ist das so? Mit „Betongold“ lassen sich auch in der Post-Zins-Ära noch auskömmliche Renditen einfahren, die für das Fortkommen der Kassen so wichtig sind.
Nachhaltigkeit in Anlageentscheidungen einbinden
Jan Schlüter, Leiter der Abteilung Immobilien und Infrastruktur bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung (NÄV), betrachtet seinen Immobilienbestand auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und damit auch unter dem Teilaspekt Klimaschutz. „Das Thema gewinnt an Dynamik. Für uns ist es aber nicht neu. Wir erstellen schon seit Jahren einen Nachhaltigkeitsbericht“, sagt Schlüter. „Im Moment merken wir aber auch im indirekten Bereich, wie alle Manager auf dieses Thema springen. Ich gehe fest davon aus, dass die Immobilienbranche dabei ist, diesen Aspekt fest in die Investitionsentscheidung zu integrieren.“
Der Immobiliensektor ist für Großanleger aber nicht nur Renditegarant, er ist auch einer der ganz großen Klimakiller. Nach Angaben der Rating-Agentur Moody’s Investor Service sind Gebäude verantwortlich für rund 35 Prozent der globalen CO₂-Emissionen. Grund ist der Energieverbrauch, der beim Bau der Immobilien und ihrer Nutzung entsteht. Problematisch sind hier vor allem Zement und sein wässriger Bruder Beton. Bis heute werden die Fundamente der modernen Welt ebenso wie Aufzugsschächte und manche Dachkonstruktion aus Beton gegossen.
Klimakiller Zement
Studien zufolge verursacht die Zementindustrie sieben bis acht Prozent aller Treibhausgase. Einsparungen haben also großen Nutzen für das Klima. Laut „FAZ“ stößt der Baustoffhersteller Heidelberg Cement so viel Treibhausgas aus wie ganz Österreich. Doch weglassen geht nicht. Ohne ein stahlbewährtes Fundament würden Windkraftanlagen nicht Megawatts an Leistung produzieren, sondern in der Horizontalen liegen.
Knackpunkt: Zement kann man nicht produzieren, ohne Kohlendioxid freizusetzen. Bedingt nachhaltig ist aber nicht nur der Baustoff Beton, sondern der Großteil des Immobilienbestands. Hierzulande wurden zwei Drittel aller Wohngebäude vor 1979 erbaut – und damit noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung. Über 85 Prozent der Wohngebäude sind laut einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY nur teil- oder sogar unsaniert. Gerade hier muss die Gesellschaft anpacken, wenn sie ihre Immobilien zukunftsfest machen will.
Rendite und Nachhaltigkeit verknüpfen
Die Nordrheinische Ärzteversorgung operiert mit Kapitalanlagen im Buchwert von rund 14 Milliarden Euro (Stand: 2020). Und es sind vor allem Immobilien, die neu ins Portfolio kommen. Längst hat die Immobilienquote der Düsseldorfer die 20-Prozent-Marke überschritten. Vor einiger Zeit hat Schlüter Investments gezeichnet, die die NÄV in Richtung 22 Prozent bringen. Das direkt gehaltene und selbst gemanagte Portfolio umfasst einen Bestand an Wohn- und Büroimmobilien sowie jeweils eine Projektentwicklung in Bonn und Düsseldorf, neben einem global diversifizierten, indirekten Immobilienportfolio.
Den Bestand nachhaltiger zu gestalten, war für Schlüter und sein Team keine große Herausforderung. Den Anfang machten die Versorgungswerker kurzerhand beim Energieversorger: Zunächst wurden die Strom- und Gaslieferverträge bei einem Anbieter gebündelt. „Dadurch haben wir eine Preisreduzierung erzielt. Ferner haben wir uns für Strom entschieden, der ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wird.“
Außerdem verbrennen die Düsseldorfer nur noch CO₂-neutrales Gas. CO₂-Neutralität wird hier durch den Erwerb ausgleichender Zertifikate für CO₂-bindende Projekte erreicht. „Wir möchten mit konkreten Maßnahmen unseren Immobilienbestand nachhaltiger gestalten“, sagt Schlüter.
Zukunftssicher sanieren
Ähnlich argumentiert auch Carolin Lölkes, Nachhaltigkeitsspezialistin beim Vermögensmanager von Munich Re, der Meag. „Die großen Themenbereiche im Immobiliensektor sind die Optimierung des Energiemix und die Steigerung der Effizienz. Hier geht es zum Beispiel um die Umstellung der Energieträger auf Erneuerbare Energien oder Maßnahmen wie dem Wechsel auf LED-Technologie oder die Optimierung von Gebäudeleitsystemen“, rät Carolin Lölkes Großanlegern. „Man sollte also neben der CO₂-Senkung auch das Augenmerk auf die Senkung des Energiebedarfs des Gebäudes richten“, etwa auf die Kühltechnik, und – bei Bedarf – umfangreiche Sanierungsarbeiten durchführen: Gebäudehülle, Dämmung, Fenster – das seien die typischen Baustellen.
Die Meag vermietet ungefähr 10.000 Wohnungen. Auf der Suche nach mehr Nachhaltigkeit im Objektbestand greifen die Objektmanager aber nicht bei der erstbesten Gelegenheit zum Vorschlaghammer, sondern prüfen zunächst die gesamte Gebäudesubstanz im Zusammenhang mit dem Objektlebenszyklus. Altes nicht unbedacht abreißen und durch Neues ersetzen – auch das ist eine Form von Nachhaltigkeit.
Lölkes erklärt: „Wir hinterfragen beispielsweise, wann der optimale Zeitpunkt für den Austausch der Fenster gekommen ist.“ Es mache oftmals keinen Sinn, ein installiertes Fenster durch ein nachhaltigeres auszutauschen, wenn das Fenster das Ende seiner Lebensdauer noch nicht erreicht hat.
Energiemix von Immobilien optimieren
Ebenso wie die Nordrheinische Ärzteversorgung ist auch die Meag bestrebt, den Energiemix ihrer Immobilien zu optimieren und den Anteil nachhaltiger Energieformen zu steigern. Bei der Sanierung von Immobilien prüfen Techniker zum Beispiel auch, ob Photovoltaikanlagen, Geothermie oder Solarthermie für die jeweilige Immobilie sinnvoll eingesetzt werden können.
Uwe Krause von der Meag sagt: „Es geht aber auch um das nachhaltige Verhalten jedes Einzelnen. Wir suchen das Gespräch mit Mietern und wollen schrittweise unsere Verträge auf Green Leases umstellen. Wir bitten auch um Nutzung der Verbrauchsdaten, um die Immobilien zu optimieren. Langfristig werden wir hier auf intelligente Zähler, also die Smart-Meter-Technologie, umstellen. Wir versuchen gemeinsam mit allen Beteiligten nachhaltige Immobilien zu entwickeln. Engagement ist für uns ein sehr wichtiges Thema.“
Die Anstrengungen in der Baubranche, nachhaltiger zu werden, gehen weit über Maßnahmen zur Energieeinsparung hinaus. Laut einem Bericht der Fachzeitschrift „Facility Management“ können alternative Baustoffe viel bewirken. Häufig noch werde bei nachhaltigem Bauen in erster Linie an Energieeffizienz gedacht. „Jedoch berücksichtigen neuere Ansätze zusätzlich die Zeit vor und nach der Lebensdauer des Bauwerks. Recyclebare und nachwachsende Baustoffe wie Holz spielen hierbei eine große Rolle“, heißt es in dem Bericht über das „Bauen der Zukunft“.
Einen Begriff, den man im Immobiliensektor und darüber hinaus nun häufiger hört, ist das Cradle-to-Cradle-Konzept (C2C). „Cradle“, englisch für „Wiege“, steht für die Herkunft eines Bau- und Werkstoffes. Ein Cradle-to-Cradle-Gebäude verwendet ökologisch erzeugte Energie und schaut auch auf die umweltfreundliche Produktion der Baustoffe. Ein C2C-zertifiziertes Gebäude ist so konstruiert, dass die einzelnen Bauelemente nach Ende der Gebäude-Lebensdauer erneut in einen biologischen oder technischen Kreislauf einfließen können. Bei einem solchen Bauwerk werden zudem der CO₂-Ausstoß und der Gebrauch von nicht recyclebaren Materialien auf ein Minimum begrenzt.
Immobilienwerte stabilisieren
Jan Schlüter von der Nordrheinischen Ärzteversorgung hat sich ebenfalls mit dem Cradle-to-Cradle-Konzept beschäftigt – und zwar bei einem eigenen Neubau in Düsseldorf: „Hier planen wir nach Cradle-to-Cradle-Standards. Wir betrachten schon beim Bau der Immobilie die spätere Entsorgung.“ Die aktuelle Entwicklung verläuft nach Einschätzung Schlüters geradezu dynamisch. „Vor zehn Jahren hat sich vermutlich noch kein Immobilieninvestor Gedanken darüber gemacht, was wir heute alles in unsere Planungen einbeziehen. Und das ist nicht starr, sondern wird weitergehen.“
Schlüter ist darauf bedacht, „jedes Mal zu schauen, was wir tatsächlich verbessern können. Das betrifft insbesondere unsere Bestandsimmobilien“. „Der Wert einer Immobilie leitet sich immer aus der Höhe des nachhaltig erzielbaren Nettomietbetrags ab“, ergänzt er und erklärt: „Bei einer schlecht gedämmten Immobilie mit einem hohen Energieverbrauch sinkt der Wert der Immobilie, wenn die Kosten steigen.“
Das gelte insbesondere für jene Gebäudeflächen, deren Kosten sich nicht auf die Mieter umlegen lassen. „Im Bürobereich ist es aber so, dass große Unternehmen mehr und mehr darauf achten, ein als nachhaltig zertifiziertes Bürohaus zu mieten – ein Gebäude, das maßgebliche Umweltstandards erfüllt. Und dafür sind sie auch bereit, eine höhere Miete zu zahlen. Und dadurch kann ich als Eigentümer eine höhere Miete realisieren und die höheren Kosten beim Bau rechtfertigen“, betont Schlüter. Für Immobilieninvestoren werde es weiterhin darum gehen, einen möglichst hohen Nettoertrag generieren zu können. Passend dazu kauft die NÄV grundsätzlich nur noch zertifizierte Objekte.
Betonanteil muss sinken
Die Meag will nach Angaben von ESG-Expertin Lölkes „durch innovative Bauformen den Betonanteil reduzieren. Beim Neubau als auch bei der Sanierung von Immobilien sehen wir genau hin. Denn das sind genau die Möglichkeiten, wo wir besonders effiziente Gebäude errichten und erstellen können, die über den gesamten Lebenszyklus des Objekts eine effiziente Verbrauchskurve haben.“
Die Immobilienprofis haben theoretische Erfahrungen mit der innovativen Holz-Hybrid-Bauweise gesammelt. Uwe Krause, Head of Real Estate Fund Management bei der Meag, erklärt: „Wir sehen uns das ganz genau an und sprechen mit Akteuren in dem Bereich. Wenn die Eigenschaften passen, sind wir offen, sie anzuwenden.“ Das gelte auch für das Cradle-to-Cradle-Konzept.
Für den Vermögensmanager von Munich Re, der auch das Geld externer Anleger verwaltet, geht es um den schonenden Umgang mit Ressourcen. „Und es geht darum, generell darauf zu achten, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien in unseren Portfolios zunimmt“, so Lölkes. Immobilieneigentümer müssen heute schon an morgen denken – und ihre Gebäude entsprechend zukunftsfähig machen. Auch wenn das eine Stange Geld kosten mag, kann es ein lukratives Investment sein.
Wenn eine Immobilie nicht nachhaltig ist und viel Energie verbraucht, kommen auf die Eigentümer Kosten in Form des CO₂-Preises zu, ergänzt Lölkes und warnt vor dem Risiko eines steigenden CO₂-Preises. „Man sollte sich bei Immobilien nicht nur einen Kosten- und einen Ertragsstrom vor Augen führen, sondern auch einen CO₂-Strom über die Lebenszeit der Immobilie hinweg.“
Den CO₂-Preis müsse man in der Betrachtung der internen Verzinsung einer Immobilie berücksichtigen. „Hier kann es durchaus sein, dass eine effiziente Immobilie trotz höherer Gestehungskosten langfristig besser abschneidet.“ Mehr noch: Nachhaltige Immobilien können ein Portfolio nach Einschätzung von Uwe Krause auch stabilisieren. „Man geht regulatorischen Risiken, die aufkommen können, aus dem Weg“, sagt der Fachmann.
Viel Holz in der Hütte
Zurück in die Zukunft des Bauens. Aktuell gilt „The Cradle“ im Düsseldorfer Medienhafen als ein zukunftsweisendes Projekt in Bezug auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Projektentwickler ist das inhabergeführte Familienunternehmen Interboden.
Das Bürogebäude wird nach Angaben des kaufmännischen Projektleiters, Andreas Willms, in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet. Bei „The Cradle“ werden Außenfassade, Decken und Stützen der Obergeschosse aus Holz ausgeführt und ersetzen so nicht nachwachsende Rohstoffe wie Stahl oder Beton. Diese Vorgehensweise passt zur Cradle-to-Cradle-inspirierten Bauweise des Gebäudes, nach der Rohstoffe und Materialen nach kreislauffähigen Kriterien ausgewählt werden. Nach der Fertigstellung soll die Immobilie eine Bruttogeschossfläche von insgesamt knapp 12.500 m² umfassen.
Selbst Hochhäuser aus Holz sind keine Utopie mehr, wie die Tabelle zeigt. Beim Entwickler Interboden bereitet man sich auf die wachsende Nachfrage auch vonseiten institutioneller Immobilienkäufer nach nachhaltigen Immobilien vor. Ganz ohne den Beton kommt aber auch „The Cradle“ nicht aus, wenngleich hier sogenannter Recyclingbeton genutzt wird. Drei Geschosse liegen unterhalb der Erdoberfläche. Hier und im Mittelkern des Gebäudes war der Einsatz von Beton und Stahlbeton notwendig. Abzuwarten bleibt, ob ein institutioneller Investor „The Cradle“ kauft. Als Aushängeschild in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist das Bürohaus auf jeden Fall geeignet.
Lesetipp: Das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer (WPV) hat in den vergangenen zehn Jahren seine Immobilienquote massiv ausgebaut.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: ESG | Immobilien
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