Seilbahnen sind eine aussichtsreiche Anlageklasse
Weltweit entstehen beeindruckende Seilbahnprojekte. Vor allem in staugeplagten Großstädten ist das Interesse daran groß. Denn sie bieten Pendlern die Möglichkeit, ihren Weg zur Arbeit günstig und zuverlässig zu erleichtern. Unter Renditeaspekten sind allerdings touristisch genutzte Seilbahnen, die nicht mit anderen Verkehrsmitteln in Konkurrenz stehen, interessanter. Welche Vision drei Investoren aus Deutschland umtreibt, erfahren Sie hier.
Das Spektrum der alternativen Investments wird immer vielfältiger. Wer hier erfolgreich sein will, muss eine Portion unternehmerisches Geschick mitbringen, über ein herausragendes Netzwerk verfügen – und bereit sein, komplexe Anlageklassen miteinander zu verknüpfen. Warum das so ist, zeigt das Beispiel des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein (VZN). Das VZN ist eines der ältesten Versorgungswerke Deutschlands. Seine Assets under Management betragen knapp 4,5 Milliarden Euro. Insgesamt zählt das Versorgungswerk aus Düsseldorf fast 11.000 Mitglieder – Einzahler wie Leistungsbeziehende. Auf der Anlageseite gibt es mehrere interessante Nischen – zum Beispiel im Markt der Hypothekenkredite (siehe Ausgabe 9/2022). Aber auch Kindergärten, die das VZN auf eigene Rechnung errichtet hat, sind Teil des Portfolios.
Ein weiteres sehr spezielles Investment der Düsseldorfer sind Seilbahnen und damit eine bislang ungewöhnliche, zugleich aber im wahrsten Sinne des Wortes aussichtsreiche Anlageklasse. „Seilbahnen liegen mir sowohl als Anlagethema als auch unter Nachhaltigkeitsaspekten sehr am Herzen. Sie sind baulich viel weniger kostenintensiv und zeitaufwendig als eine U-Bahn“, sagt Uwe Zeidler. Der Diplom-Ökonom ist Geschäftsführer des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein. Bereits seit einigen Jahren beschäftigt man sich beim VZN mit dieser Form der nachhaltigen Mobilität. Und das hat einen Grund. „Auf unserer Prioritätenliste stehen ESG-konforme Investments ganz weit oben. Dabei streben wir in allen Asset-Klassen nach Impact-Investments“, sagte der Geschäftsführer in einem früheren Interview. Darin hob Uwe Zeidler auch hervor, dass das VZN versuche „immer, weit vor der Welle zu surfen“.
Wie man bei Seilbahnen „vor der Welle“ surft, erläutert er im Gespräch mit unserer Redaktion. Darin verweist Zeidler auf ein gewaltiges Infrastrukturprojekt in der bolivianischen Millionenmetropole La Paz. In der Großstadt ist in den vergangenen Jahren ein Netz von Seilbahnen entstanden, um den öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern. „Mi Teleférico“ (deutsch: meine Seilbahn) ist mit inzwischen zehn Linien und rund 30 Kilometern Gesamtlänge das weltweit größte städtische Seilbahnnetz. „Ich finde es bemerkenswert, was man dort auf die Beine gestellt hat“, so Zeidler über die staugeplagte Stadt, deren öffentlicher Nahverkehr zuvor hauptsächlich aus Minibussen bestand.
Seilbahnen in der institutionellen Kapitalanlage
Die erste Linie der von der öffentlichen Hand finanzierten und von der österreichischen Firma Doppelmayr errichteten Seilbahn in La Paz wurde 2014 eröffnet. Eine U-Bahn-Linie kam als Alternative zu den Bussen nicht infrage. Grund sind die steilen Hänge der Region und große Höhenunterschiede im Stadtgebiet. Nun schafft die Seilbahn Entlastung. Sie erschließt La Paz und die Nachbarstadt El Alto und befördert täglich mehr als 300.000 Fahrgäste. Die Fahrpreise sind an den Wochentagen mit etwa 75 Cent pro Fahrt für Erwachsene (Kinder zahlen weniger) für alle erschwinglich.
Mit Blick auf das Großprojekt in La Paz kommt Uwe Zeidler ins Schwärmen: „Natürlich hat nicht jede Stadt die Möglichkeiten, das so umzusetzen“, räumt der VZN-Geschäftsführer ein und spannt den Bogen zu den Seilbahnambitionen des VZN. Gemeinsam mit zwei Versicherungsunternehmen als weitere Geldgeber haben die Düsseldorfer einen in Luxemburg aufgesetzten Fonds mit Kapital ausgestattet. Die Partner des Teilfonds „Funis europe+“ unterhalb des Umbrella-Fonds Funis Infrastructure Investments S.C.S RAIF SICAV finanzieren im europäischen Raum Seilbahnunternehmen. Der Fonds befindet sich in der Investitionsperiode. Verwaltet wird er von einem in Luxemburg ansässigen Anlageberater und Manager. Investiert wird aktuell ausschließlich in betriebsbereite touristische Seilbahnen mit ganzjährigem Betrieb. Winter-Seilbahnen stehen nicht im Fokus des Fonds. Nach Informationen unserer Redaktion soll dem ersten Fonds schon bald ein zweiter folgen, der dann auch anderen Investoren offensteht.
Als technischer Berater an Bord ist die Firma Doppelmayr aus Österreich. Die weltweit führende Herstellerin von Seilbahnen (vor dem nächstgrößten Wettbewerber, der Firma Leitner AG aus Südtirol) kennt die technischen Details so gut wie kein anderer des Fonds-Gespanns. Daneben gibt es eine Handvoll kleinere Unternehmen, die aber im Gegensatz zu den beiden großen nicht weltweit operieren. Das Kerngeschäft des Doppelmayr-Konzerns sind Ski- und Sessellifte. Das Unternehmen stellt aber auch Pendelbahnen und Standseilbahnen her. Daneben bauen die Österreicher Bahnen für den Materialtransport sowie Ausflugs- und Stadtbahnen. Hier zeichnet sich starkes Wachstum ab, weil immer mehr Großstädte Alternativen im öffentlichen Personennahverkehr suchen.
Alleinstellungsmerkmale sind entscheidend
Das Risiko für Investoren besteht vor allem im Ticketpreis und im Umsatz, weniger in den laufenden Kosten. Interessant ist eine solche Seilbahn vor allem dann, wenn es keine Mitbewerber aus dem Bereich der Transportmittel gibt. Bei den sogenannten Ausflugsbahnen können andere Attraktionen in der Umgebung Konkurrenz darstellen. Vor diesem Hintergrund richtet sich das Interesse der drei deutschen Seilbahninvestoren auf touristische Seilbahnen, die Alleinstellungsmerkmale aufweisen und in lokale Anziehungspunkte eingebettet sind.
Nach Angaben von René Hermanns, Leiter der Investmentabteilung im Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein, sind das VZN und die beiden Anleger von der Versicherungsseite eng in die Anlageentscheidungen des Fondsmanagements eingebunden. „Wir befinden uns in einem sehr guten Austausch. Weil der Anlegerkreis so klein ist, gibt es Informationsrunden, in denen der Manager die Stimmen der Anleger einfängt.“ Gleichwohl wird sich der Kreis der Anleger mit jedem weiteren Fonds vergrößern. Man werde allerdings keine Investoren akzeptieren, die das schnelle Geld machen wollen, so Geschäftsführer Zeidler. „Uns ist wichtig, ein langfristiges Portfolio aufzubauen. Wir haben einen Vorsprung – gerade mit Doppelmayr als Partner. Und den werden wir nicht aufgeben.“
VZN erwartet wertstabiles Portfolio
Anfangs sei man mit Blick auf die ungewöhnlichen Assets belächelt worden, die aus einer Mischung der Anlageklassen Private Equity und Infrastruktur bestehen. Näher betrachtet handelt es sich um einen Mix aus den Sektoren Transport und Tourismus. Beobachter waren der Ansicht, dass Seilbahnen keine Rendite abwerfen würden. „Aber die Realität sieht anders aus“, sagt Hermanns. Richtig gemacht sind Seilbahnen im Portfolio sehr wertstabil. Das gilt vor allem, wenn sie über Alleinstellungsmerkmale verfügen, zum Beispiel im Tourismus, und auch nicht im direkten Wettbewerb zu anderen Verkehrsmitteln stehen, sondern eher eine Ergänzung darstellen.
Daran zeigt sich, Seilbahnen gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen – einerseits für touristische Zwecke. So wie in der norwegischen Stadt Bergen, ein Etappenziel der weltberühmten Postschifflinie Hurtigruten. Von der Talstation in Bergen aus führt die Ulrikenbanen hinauf zum Gipfel des Berges Ulriken. Während diese Seilbahn, die Teil des Funis-Fonds ist, das ganze Jahr über betrieben wird, sind andere nur auf den sogenannten Sommerbetrieb ausgelegt, wieder andere nur für Wintersport. Andererseits sind urbane Seilbahnen in Großstädten, etwa in La Paz oder ganz aktuell in Mexiko-Stadt, längst eine Alternative für Pendler. Hier gibt es auch eine soziale Komponente, weil der Bevölkerung eine erschwingliche und sichere Transportmöglichkeit geboten wird. Die Lebensdauer einer Bahn beträgt in der Regel 20 Jahre. Gut gewartet erreichen sie ein Alter von 50 Jahren.
Auch in deutschen Großstädten wird über den Bau urbaner Seilbahnen nachgedacht. Europas längste städtische Seilbahn steht seit diesem Jahr in Toulouse. Sie ist rund drei Kilometer lang und laut einem Bericht der „FAZ“ nicht in erster Linie für Touristen gedacht. Vielmehr soll sie den Nahverkehr der Metropole mit Bus und Metro ergänzen. Der Bau der knapp 80 Millionen Euro teuren Seilbahn begann im Jahr 2019. Erleichtert habe ihn eine Gesetzesänderung in Frankreich. Dadurch wurde die Überquerung von Grundstücken deutlich vereinfacht. Das ist in der Praxis immer eine Hürde.
Ein Vorteil urbaner Seilbahnen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln ist ihre Zuverlässigkeit. Sie können über den Stau oder andere Hindernisse hinwegschweben. Dadurch sind die Fahrzeiten verlässlich. Auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Effizienz seien sie eine sehr gute Lösung, meint Georg Gufler. Der Vorstandschef von Doppelmayr in Italien sagt: „Die Bauzeiten sind im Vergleich zu anderen Verkehrsinfrastrukturen relativ kurz – im urbanen Bereich liegen diese bei rund 24 Monaten.“ Auch die Kosteneffizienz sei gegeben, „denn man kann die Kapazität bedarfsgerecht planen“, so Gufler. „Und da die Wirtschaftlichkeit mit der Umweltfreundlichkeit einhergeht, ist die Seilbahn ein wirklich nachhaltiges Mobilitätsangebot.“
Die Vorteile sieht man auch im Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Urbane Seilbahnen seien innovative und umweltfreundliche Verkehrssysteme, heißt es dort. Sie könnten zum Beispiel Lücken im ÖPNV schließen, Busverkehre ersetzen oder den ländlichen Raum anbinden. Vorteilhaft ist, dass Seilbahnen immer verfügbar sind. Durch Erfahrungen im Winterbetrieb am Berg sind sie gut erprobt, gelten als robust und weitgehend witterungsunabhängig, streicht das Ministerium heraus. Wichtig ist außerdem: Bundesländer fördern Investitionen mit bis zu 90 Prozent. Vor diesem Hintergrund und angesichts vergleichsweise niedriger Gesamtkosten punktet die Seilbahn im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln mehrfach, wie die Abbildung oben zeigt.
Mischkonzepte machen Seilbahnen noch interessanter
Der Markt für touristisch genutzte Seilbahnen wiederum ist nach Einschätzung von Experten in Europa gut entwickelt. Aber beispielsweise in Südamerika sei das nicht so. Aber gerade in den Millionenstädten gebe es Druck auf den ÖPNV. Das liegt am raschen Bevölkerungswachstum. Mit touristisch genutzten Seilbahnen lassen sich dem gegenüber aber höhere Ticketpreise erzielen. Clever ist es, wenn eine Seilbahn vielfältig einsetzbar ist und mit einem zu ihr passenden Mischkonzept arbeitet. So wie die im Jahr 2012 eröffnete Luftseilbahn in London: Im morgendlichen Berufsverkehr fährt sie schneller als nachmittags, wenn vor allem Touristen in den Kabinen über die City schweben.
Investoren erwarten natürlich adäquate Renditen. Aber wie passt das zu den urbanen Problemen und möglichst niedrigen Fahrpreisen? Das ist weltweit eine Herausforderung. Sobald Seilbahnen mit dem herkömmlichen ÖPNV konkurrieren müssen, sei das Preisgefüge ein anderes, als wenn die Seilbahn ein Alleinstellungsmerkmal für die Kunden hat, sagt ein Experte.
Die erste Seilbahn, die der Funis-Fonds gekauft hat, war die der Bundesgartenschau (2011) in Koblenz. Ursprünglich geplant war, dass die 890 Meter lange Seilbahn drei Jahre nach ihrer Errichtung wieder zurückgebaut wird. Doch die Bevölkerung scheint das Gefährt zu lieben. Und setzte sich mit einer Unterschriftensammlung dafür ein, dass sie bleibt. Mit Erfolg. Vor diesem Hintergrund verkaufte Doppelmayr den Touristenmagneten an den Funis-Fonds. „Nach dem Kauf der Buga-Seilbahn hat der Fonds auch in Norwegen, auf Madeira und in Porto zugekauft“, berichtet Zeidler. Alle Seilbahnen des Fonds stammen vom Hersteller Doppelmayr. Auch eine Minderheitsbeteiligung an den traditionsreichen Rigi-Bahnen in der Schweiz gehört zum Portfolio.
Rückschlag aufgrund der Corona-Krise
Ein Rückschlag war die Coronavirus-Pandemie. Sie brachte den Tourismus zum Erliegen. „Wir hatten aber auch Glück“, resümiert Zeidler. „Denn mitten in der Pandemie konnten wir zwei Bahnen ohne große zusätzliche Ausfälle renovieren. Und nach der Pandemie ist die Nachfrage nun umso höher. Wir haben eine Basis gelegt und werden das Ganze ausbauen mit Seilbahnen unter anderem in Kanada“, kündigt der VZN-Geschäftsführer an, der auch Visionär ist: „Wir wollen den urbanen Transport verbessern und die Seilbahnen in die Städte bringen.“ So könnten sie beispielsweise von Flughäfen direkt in die Innenstädte führen. „Weil aber auch die Umsetzung von Seilbahnprojekten einige Zeit dauert, brauchen wir eine Basis an Investitionen, deren Cashflow stabil ist, sodass wir unser Portfolio Schritt für Schritt erweitern können.“
Zeidler sagt, das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein agiere generell sehr vorsichtig in der Anlagestrategie. „Was die Seilbahnen angeht, ist unsere Idee schon längst aufgegangen. Unser Net Asset Value liegt weit über dem Buchwert.“
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Alternative Anlagen | Infrastruktur | Verkehrsinfrastruktur | Versorgungswerke
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