Reale statt nominale Rendite
Die Art der Renditeziele von Altersvorsorge-Einrichtungen gewinnt wegen Niedrigzins und anziehender Inflation ungewohnte Aktualität. Kapitalanlage-Richtlinien unterscheiden sich teils kräftig. Was Investoren leisten und Kunden erwarten können.
Betriebliche und berufsständische Versorgungswerke haben seit langem mit niedrigen Zinsen zu kämpfen und neuerdings auch mit anziehender Inflation. Gerade die versicherungsförmige bAV kann unter den aktuellen Zinskonditionen immer weniger eine Garantie für die versprochene Mindestleistung darstellen – meist definiert als nominale Leistung. Zudem mündet der vollständige Beitragserhalt zunehmend in einen Realwertverlust.
Da die ordentlichen Erträge bei klassischen Nominalwerten deutlich unter dem Rechnungszins liegen, beobachtet die Apobank auch einen Ausbau der Quoten bei Immobilien, Infrastruktur und Private Debt als Substitut für traditionelle Fixed-Income-Anlagen. Dies trägt auch zur Begrenzung des Inflationsrisikos bei und soll die Absenkung des Rechnungszinses – also meist nominale Verluste – in den Versorgungswerken verhindern helfen. Inflation schade letztlich allen Asset-Klassen, heißt es bei der DWS. Einen Zusatzaspekt nennt Insight Investment: Die Inflation ist ein reales, weniger ein nominales Problem. „Eine nachhaltige Inflation wird zwangsläufig auch zu Rentenanpassungen führen müssen“, sagt Frank Diesterhöft von Insight. Inflationsgeschützte Assets seien eine Möglichkeit, diesem Szenario zu begegnen.
„Der Anteil von Aktien und Beteiligungen lag Ende 2020 bei etwa 30 Prozent, der Immobilienanteil bei etwa 20 Prozent“, schätzt Ulrich Krüger, Geschäftsführer Kapitalanlage der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Das biete durchaus Inflationsschutz. Vertrackt sei aber, dass man dem Niedrigzins noch durch Umschichtung der Anlagen in Grenzen begegnen konnte, die „Inflation erwischt uns aber auf der gesamten Breite der Portfolios“, so Krüger. Konkrete Renditeziele gebe es bei den Berufsständischen nicht, weder nominal noch real. Sie müssten aber mindestens den Rechnungszins, dessen Höhe bei den einzelnen Versorgungswerken differiert, erwirtschaften. Inflation mache uns alle ärmer.
Doch wer bewältigt die Herausforderungen besser, eher die Unternehmen mit nominalen Renditezielen oder die mit realen Zielen? Eine Stichprobe unter ausgewählten berufsständischen Versorgungswerken ergab kein einheitliches Bild. Recht real orientiert ist die Bayerische Ärzteversorgung unterwegs. Unter Berücksichtigung des Preisgefüges der Gesamtwirtschaft sowie der Veränderungen der Lebenshaltungskosten für Versorgungsempfänger sei die Kaufkraft der Versorgungsleistungen zu überprüfen, heißt es in der Satzung (Paragraf 33).
Dagegen besagt die Satzung der Bayerischen Architektenversorgung in Paragraf 29, dass der Landesausschuss jährlich Anpassungen für die laufenden Leistungen unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der finanziellen Lage der Architektenversorgung beschließt. Das Versorgungswerk der Steuerberater in Hessen wiederum stellt lediglich in Aussicht, dass der Rentensteigerungsbetrag jährlich aufgrund des Jahresabschlusses von der Vertreterversammlung festgesetzt wird. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL), eines der größten berufsständischen Versorgungswerke Deutschlands, stellt ebenfalls sehr vage in Aussicht, dass bei Erreichen entsprechender Überschüsse angemessene Dynamisierungen möglich und beabsichtigt sind. Immerhin werden den Mitgliedern noch immer vier Prozent Rechnungszins für die Grundversorgung garantiert. Rentensteigerungen sind in jüngster Zeit ausgeblieben, der Jahresüberschuss 2021 ging komplett in die Gewinnrücklage der ÄVWL ein.
portfolio institutionell hat bei weiteren Verbänden nachgehakt. Die in der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung (AKA) zusammengeschlossenen 43 Beamten- und Zusatzversorgungskassen haben keinen Einfluss auf das Leistungsrecht. „Das Leistungsrecht der Zusatzversorgung ist durch die Tarifverträge zur Altersversorgung im öffentlichen Dienst geregelt“, erklärt AKA-Hauptgeschäftsführer Klaus Stürmer. Die Leistungen werden von den Arbeitgebern als beitragsorientierte Leistungszusage zugesagt und durch die Zusatzversorgungskassen erbracht. „Die Leistungen stellen bei längeren Versicherungszeiten regelmäßig rund 30 Prozent des gesamten Ruhestandseinkommens dar“, sagt Stürmer. Durch die externe Bestimmung des Leistungsrechts haben die Kassen keine satzungsgemäß verankerten Renditeziele. „Einer dauerhaften inflationsbedingten Entwertung der Altersversorgung muss durch den Gesetzgeber entgegengewirkt werden beziehungsweise wird im Rahmen der Tarifverhandlungen bei Bedarf entgegengewirkt“, beschreibt Stürmer den Rahmen. Als Anleger mit Nominal-Verzinsungsziel sieht er bei längeren und relevanten Inflationsszenarien einen noch stärkeren Umbau der Asset-Allokation hin zu den Anlageklassen Aktien, Immobilien und Private Equity.
Ob die Mitgliedsfirmen der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (Aba) bei der Kapitalanlage überwiegend nominale oder reale Renditeziele verankert haben, darüber liegen dem Fachverband keine belastbaren Auswertungen vor. „Nominale Renditeziele, die sich regelmäßig bei regulierten Durchführungswegen einstellen, dürften relativ gesehen weniger ausgeprägt sein, denn in der bAV dominiert die Direktzusage, die von beitragsorientierten Zusagen ohne versicherungsförmige Garantie geprägt ist“, sagt Aba-Vorstandschef Georg Thurnes. Nominale Verzinsungserfordernisse entstünden durch den Garantie- beziehungsweise Rechnungszins und seien von den zu engen versicherungsrechtlichen Bedeckungserfordernissen und Anlagevorschriften geprägt, so der Aktuar.
Im Betriebsrentengesetz wird die Prüfung zur Dynamisierung von Leistungen sehr breit ermöglicht. Wie das vom Gros der Aba-Mitglieder zuletzt gehandhabt wurde, darüber liegen der Aba ebenfalls keine dezidierten Erhebungen vor. Der Gesetzgeber habe für die Anpassungsmethodik im Zeitverlauf Alternativen geschaffen, die eine Inflationsbindung der Anpassung vermeiden, betont Thurnes. Allerdings ist die Erfüllung von Renditezielen unabhängig von den Leistungen zu sehen. „Die Leistungen sind Ausfluss der arbeitsrechtlichen Zusage und beinhalten je nach Ausgestaltung einen stärkeren oder schwächeren Inflationsschutz“, weiß Thurnes. Er empfiehlt für die Kapitalanlage ebenfalls eine Verlagerung möglichst auf reale Vermögensanlagen wie Aktien, Infrastruktur, Immobilien sowie weitgehende Diversifizierung. Insbesondere im regulierten Bereich fordere die Aba dazu schon seit langem eine Lockerung von Bedeckungsvorschriften und eine Liberalisierung der Anlagevorschriften.
Mit Auswegen für die institutionelle Kapitalanlage befasste sich kürzlich auch eine weltweite Umfrage von Goldman Sachs unter 328 Versicherern. Ergebnis: Die Assekuranz sieht steigende Inflation und die restriktivere Geldpolitik nun als die größten Bedrohungen für ihre Portfolios an. Vor zwei Jahren sah man noch in niedrigen Renditen das Hauptanlagerisiko. Vor diesem Hintergrund bleibt die Nachfrage nach Rendite hoch. „Wir erwarten, dass die Versicherer weiterhin Positionen in privaten Anlageklassen sowie Inflationsabsicherungen, einschließlich Private Equity, Private Credit und Immobilien, aufbauen“, so Michael Siegel, Leiter Kapitalanlage von Versicherern bei Goldman Sachs AM.
In diesem Zusammenhang ist ein Paradigmenwechsel zu beobachten – weg vom Nullzins hin zu Inflation. Mussten die Versicherer seit 2008 vor allem bei stetig fallenden Zinsen trotzdem ausreichend Kapitalerträge erwirtschaften, um ihre nominalen Zinsversprechen einzuhalten, kommt ihnen die Teuerung wohl zunächst gar nicht ungelegen, obwohl sie die Realrenditen drückt. Denn ihre Verpflichtungen müssen sie nominal und nicht real erfüllen. Immerhin geht die Inflation mit der Hoffnung auf die Rückkehr des Zinses einher. Damit lassen sich die nominalen Pflichten wieder einfacher erfüllen. Die Gefahr, Kunden zu verprellen, bleibt jedoch, wenn die Überschüsse dauerhaft unter der Inflationsrate bleiben. Die höchsten Renditen erwarten die Kapitalanleger der Assekuranz laut Studie nicht zufällig bei privatem Beteiligungskapital, Rohstoffen, Immobilien und Infrastruktur – siehe Tabelle. Bleibt abzuwarten, ob sich diese Erwartungen angesichts des komplexen makroökonomischen und geopolitischen Umfeldes tatsächlich so erfüllen.
Autoren: Detlef PohlSchlagworte: Betriebliche Altersversorgung (bAV)
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