Großanleger mahnen zur Vorsicht
Im Rahmen der Podiumsdiskussion der 25. Jahrestagung Portfoliomanagement sprachen drei Großanleger über ihre Pläne. Welche Ziele die Führungskräfte von Kenfo, BVV und EZVK ansteuern und welche Risiken sie sehen, erfahren Sie hier.
Die Veranstalterin der 25. Jahrestagung Portfoliomanagement, die Uhlenbruch GmbH aus Bad Soden am Taunus, hat Wort gehalten. Mit ihrer „Final Edition“, der voraussichtlich letzten Jahrestagung überhaupt, sorgte sie am 27. und 28. September 2022 in Frankfurt am Main getreu ihrer Ankündigung noch einmal für „frische Perspektiven für die institutionelle Kapitalanlage in einem fragilen Umfeld“.
Höhepunkt war die Podiumsdiskussion mit Anja Mikus (Vorstands- und Investmentchefin des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, kurz: Kenfo), Frank Egermann, Finanzvorstand des BVV Versicherungsvereins des Bankgewerbes, und Dr. Volker Heinke, Vorstandschef der Evangelischen Zusatzversorgungskasse (EZVK). Geschätzt verwalten die drei Kapitalsammelstellen Assets im Gesamtwert von rund 70 Milliarden Euro. Die Hälfte entfällt allein auf den BVV. Aus dem Rahmen fällt aber auch der mit 24 Milliarden Euro etwas kleinere Atomfonds Kenfo, juristisch betrachtet eine öffentlich-rechtliche Stiftung. Der Fonds soll die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle finanzieren. Besonderheit des ersten deutschen Staatsfonds ist neben seinem großen Anlagefreiraum auch sein Anlagehorizont von 80 Jahren.
Kenfo muss regelmäßig Geld ausschütten
Zum Auftakt der Podiumsdiskussion unter der Leitung von Kapitalmarktforscher Prof. Dr. Lutz Johanning sprach Anja Mikus über den Anlagehorizont des Atomfonds und die dafür ausgewählten Vermögenswerte. Man habe „eine entsprechende Asset Allocation entwickelt“, sagte sie. Die jährliche Zielrendite für die kommenden acht Dekaden bezifferte die Vorstands- und Investmentchefin des Kenfos mit 3,8 Prozent. Bei ihrer strategischen Vermögensallokation achten die Berliner auf eine breite Streuung: 35 Prozent des Portfolios basieren auf globalen Aktien, 30 Prozent auf illiquiden Alternatives. Auch Staatsanleihen sind Teil des Milliardentopfs.
Im Rahmen seiner Pflichten muss der Atomfonds nicht nur langfristig Vermögen mehren, sondern auch regelmäßig etwas davon ausschütten; ein Teil der Anlagen muss also auch liquide sein. „Bislang haben wir 2,4 Milliarden Euro ausgezahlt“, sagte Mikus, die im Hinblick auf die aktuell hohe Inflation besonnen bleibt. „Wir haben eine ruhige Hand.“ Es sind also eher taktische Maßnahmen, die man im Hauptquartier des Atomfonds umsetzt, um angesichts der scharfen Verluste bei Aktien und Anleihen in diesem Jahr nicht unter die Räder zu kommen. So habe man im Januar, und damit vor dem russischen Überfall Russlands auf die Ukraine, Liquidität aufgebaut und sei mit 15 Prozent Kasse oder geldmarktnahen Anlagen in den Februar gegangen.
BVV will Anleihen nun wieder aufstocken
Beim BVV, der ebenso wie der Kenfo von Berlin aus an den globalen Kapitalmärkten operiert, spielt die Inflation zumindest auf der Passivseite, bei den Verpflichtungen „praktisch keine Rolle“. Auf der Aktivseite sei das anders. Dort spüre man derzeit den Schmerz, sehe aber auch die Chancen. „Unser Portfolio besteht zu etwa 40 Prozent aus einem Anleihebestand, den wir selber führen“, erläuterte Egermann die Größe dieses sogenannten Zinsportfolios. Der Rest sei extern mandatiert – verteilt über 50 bis 60 Investmentprogramme.
„40 Prozent sind illiquide Asset-Klassen. Hier sind wir von der Eigenkapital- und der Fremdkapitalseite in verschiedenen Bereichen“, so der BVV-Finanzvorstand. Zehn Prozent hält der Altersversorger in spezielleren Anleihethemen, „die wir nicht selbst disponieren“. Und etwa zehn Prozent seien Aktien. „Der Teil, den wir extern mandatieren, den wir Mandatsportfolio nennen, ist immer schon so strukturiert gewesen nach dem Ideal eines All-Wetter-Portfolio“, so Egermann. Das funktioniere unter den gegenwärtigen Schocks aber nur bedingt, räumte er in Frankfurt ein.
Rückblickend auf die lange Phase des „sehr hartnäckigen Niedrigzinsumfelds“ freut sich Egermann über die nun wieder steigenden Renditen und griff damit eine Frage auf, die in der institutionellen Kapitalanlage mehr und mehr debattiert wird: Kommt jetzt die Abkehr von Alternatives und das Comeback festverzinslicher Assets? Beim BVV ist die Antwort darauf, anders als in manchen aktuellen Umfragen, eindeutig. „Wir wollen, wenn uns der Markt die Chance gibt, den Anteil deutlich rausfahren“, sagte der Profi mit Blick auf die selbst verwalteten Zinsträger. „Wenn man unterstellt, dass wir auf ein nachhaltig höheres Renditeniveau kommen, dann werden wir den Anteil dieses Portfolios wieder spürbar nach oben schieben.“ Der Grund für diese Ankündigung liegt für den Altersversorger BVV auf der Hand: „Wenn man auf der Passivseite gegen einen Rechnungszins anarbeitet, ist es schön, auf der Aktivseite einen kalkulierbaren, relativ sicheren Zins zu haben, mit dem man das abdecken kann“, führte der Finanzvorstand aus. Damit verbunden ist auch eine gewisse Abkehr von alternativen Anlagen. „Wir werden Rückflüsse nicht mehr so recyceln, wie wir das in der Vergangenheit gemacht haben“, so Egermann.
Vorsichtige Annahmen in der ALM-Studie
Bei der Evangelischen Zusatzversorgungskasse in Darmstadt beschäftigt man sich derzeit intensiv mit der Anlagestruktur. Eine offene Frage, die im Zentrum der jüngsten Asset-Liability-Management-Studie steht, lautet: Geht die Inflation zurück und mit ihr die Renditen für Zinsträger? Vorstandschef Volker Heinke zeigt, dass er Vollprofi ist und lässt Vorsicht walten: „Bei den Renditeerwartungen müssen wir aufpassen, dass wir nicht gleich sagen: ‚Es kann nie wieder so deflationär werden wie es bisher war. Jetzt geht es wunderbar aufwärts.‘“ Heinke betonte, dass das Positivszenario für die EZVK immer ein Szenario mit steigenden Zinsen sei. Das liegt an den fixierten Rentenverpflichtungen der Zusatzversorgungskasse gegenüber ihren Versicherten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des kirchlichen und diakonischen Dienstes.
„Das Risikoszenario haben wir ja jetzt jahrelang gehabt“, so Heinke mit Blick auf die Magerzinsen. „Deswegen achten wir auch sehr darauf, dass wir das jetzt nicht rausnehmen aus unseren Projektionen“, betonte der Versicherungsspezialist, der bis zum Jahr 2020 Kapitalanlage- und Finanzvorstand der inzwischen im Provinzial-Konzern aufgegangenen Provinzial Rheinland gewesen ist. Bei der Renditeanforderung müssen sich Heinke und die EZVK nicht ganz so sehr strecken wie Anja Mikus vom Kenfo. „Unser Rechnungszins beträgt aber eben auch 3,5 Prozent. Das heißt, wir müssen eine attraktive Asset Allocation bauen“, so Heinke. Und hier werden heute die Weichen für die Zukunft gestellt.
Im Hauptquartier der EZVK in Darmstadt gehen sie davon aus, dass die Inflation „nicht weiter ausgaloppiert und wir nicht so hohe Zinsniveaus bekommen werden. Deswegen müssen wir in andere Asset-Klassen gehen“, erläuterte der EZVK-Chef seine Weltsicht. Auf dem Schirm haben die Südhessen zum Beispiel Investment-Grade-Unternehmensanleihen aus den USA und Europa. Auch die Emerging Markets seien ein Thema – und zwar Anleihen und Aktien. „Hier haben wir schon Mandate. Ansonsten freuen wir uns darüber, dass das, was wir anzulegen haben, auch höher verzinslich angelegt wird“, so Heinke. „In den vergangenen Jahren haben wir unsere Zinsallokation immer weiter heruntergefahren. Und wir sind in die Alternatives gegangen. Jetzt geht es zurück.“
Weil die finanziellen Verpflichtungen der EZVK an die versicherten Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen und Krankenpfleger natürlich in Euro auf der Bilanz liegen, halten die ALM-Verfechter bei der Zusatzversorgungskasse aktienseitig vor allem europäische Titel im Portfolio. „Gleichwohl haben wir in den vergangenen Jahren das Gewicht mehr und mehr in die USA verschoben. Und das wird eher noch verstärkt“, so Heinke, der als Grund die höheren Renditeerwartungen angab. Gleichwohl sollte man Europa nicht vernachlässigen, appellierte er an das Publikum der Jahrestagung Portfoliomanagement. „Viele Investoren haben Europa in letzter Zeit defensiver betrachtet. Daher sind die Renditeerwartungen in Europa wieder höher.“
Polarisierung in den USA
Frank Egermann und der BVV planen aktuell zwar keine nennenswerten Umbau ihres Milliardenportfolios, auch wenn die Aussichten der großen Wirtschaftsräume USA, Europa und Asien derzeit wenig Chancen zu bieten scheinen. Aber es wird nicht alles beim Alten bleiben. „Wir sind durch und durch ein globaler Investor. Im liquiden Bereich haben wir kein einziges regional ausgerichtetes Mandat, sondern sie sind alle mehr oder weniger global unterwegs“, so Egermann. Im illiquiden Bereich sei das etwas anders. „Insofern haben wir keinen Anlass, etwas daran zu verschieben.“
Das Portfolio des BVV besteht zu jeweils etwa einem Drittel aus Allokationen in Nordamerika, Europa und Asien. Nordamerika ist nach Auffassung Egermanns „von den drei größten noch der angenehmste Wirtschaftsraum. Wir wissen aber, dass es dort Weichenstellungen gibt, die Investoren vielleicht nicht gefallen.“ Mit Nachdruck gab der Experte zu bedenken, dass er sich nicht in den Strom derjenigen einreihen wolle, die sagen: „Europa ist jetzt für Jahre ein Desaster. Und in China und Asien kann man auch nicht mehr investieren. Also jetzt alles in Richtung USA.“ Egermann: „Da müssen wir aufpassen. Denn ich verweise auf die politischen Verhältnisse und die Polarisierung, ich möchte fast sagen der Radikalisierung der politischen Positionen. Das kann sich dann wieder manifestieren in einer Weise, die uns in Europa nicht gefällt.“
Kenfo stockt in Europa auf
Gegen die latente Europa-Skepsis spricht sich auch Anja Mikus aus. Auch wenn global gestreute Anlagen eines der Ziele ist, an denen sie feilt. Zuletzt haben sie beim Kenfo auch wieder den einen oder anderen Euro nach Europa umgeschichtet. Das liegt an der Zusammensetzung des für den Kenfo einst so hoch geschätzten MSCI World Index. „Der MSCI World ist so konzipiert, dass der Schwerpunkt die USA sind mit einem Anteil von etwa 70 Prozent. Europa war in dem Index zuletzt fast nicht mehr erkennbar“, wie Mikus beobachtet hat.
Deshalb habe man hier umgeschichtet in folgende Struktur: 40 Prozent Europa, 40 Prozent USA und 20 Prozent Asien. „Aber die Trends, die wir jetzt haben, machen einem wirklich Sorgen. Das eine ist das Energiethema. Das andere ist, dass sich die Unternehmen resilienter aufstellen“, so die Expertin, die sich um die Folgen der Lieferkettenproblematik und der von Unternehmen ausgerufenen Gegenmaßnahmen der eigentlich ausgelagerten Werkbank sorgt. „Das heißt, es wird vielleicht viel mehr zurückgeholt. Das hilft aber nicht der Profitabilität oder dem Wachstum, es macht die Unternehmen resilienter.“
BVV will chinesische Staatsanleihen ausschließen
Beim BVV stehen wegweisende Änderungen im Portfolio an, die die Anlage in einzelnen Staaten betreffen. Das ist ein Ergebnis der seit etwa einem Jahr geführten Diskussion beim Thema Nachhaltigkeit, „als letztes Level in unserem Instrumentenkasten“, wie Finanzvorstand Egermann sagte. Konkret wird der BVV eine Ausschlussliste veröffentlichen und umsetzen. Das soll Länderrisiken senken. „Das hat nicht direkt etwas mit Russland zu tun“, so Egermann mit Blick auf den Krieg, Sanktionen und die aktuell nicht gegebene Handelbarkeit russischer Wertpapiere. „Aber man hat natürlich diskutiert, inwieweit sowas möglicherweise erkennbare Risiken sind. Und wie man das besser abfedern kann.“
Im Ergebnis werde der BVV nun Anleihen des chinesischen Staates und Anleihen und Aktien chinesischer Staatsunternehmen aus seinem Anlageuniversum ausschließen. „Die Asset Manager, die das betrifft, werden das im vierten Quartal erfahren“, kündigte Egermann an.
Anja Mikus macht sich mit Blick auf China und einen möglichen Angriff des Militärs auf Taiwan große Sorgen, wie sie in Frankfurt deutlich machte. Die Kenfo-Chefin mahnte, dass die Bedenken diesbezüglich in den USA viel höher seien als in Deutschland. Für hiesige Anleger steht nun die Gefahr im Raum, dass sie chinesische Assets in diesem Fall verkaufen müssen. „Von daher schauen wir uns das Thema kritisch an“, so Mikus.
Nach Angaben von Volker Heinke ist die EZVK in China nicht investiert, „was Staatsanleihen angeht. Das ist schon seit je her ein Nachhaltigkeitsthema bei uns. Aber wir machen uns auch große Sorgen um das Thema China.“ Grundsätzlich aus dem Anlageuniversum verbannen will Heinke die zweitgrößte Volkswirtschaft aber nicht. „Mit unserem Nachhaltigkeitsansatz schauen wir tiefer hinein und fragen: Was finde ich in China für nachhaltige Investments?“ Als ein Beispiel nannte er Erneuerbare Energien. Man müsse im Portfolio aber die China-Resilienz erhöhen.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Anleihen | Betriebliche Altersversorgung (bAV) | China | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren | Risikomanagement
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