Jahreskonferenz
12. Juni 2024

Pfade zu mehr Nachhaltigkeit

Die Art und Weise, wie institutionelle Investoren an die nachhaltige Kapitalanlage herangehen, wo sie die Schwerpunkte setzen und wie sie ESG-Kriterien in den Prozessen implementieren, ist alles andere als einheitlich. Das wurde auf der Expertensession zu diesem Themenkomplex auf der diesjährigen Jahreskonferenz sehr deutlich. Moderator der Gesprächsrunde war Rolf Häßler, Geschäftsführer des NKI – Institut für nachhaltige Kapitalanlagen.

Wenn er nicht gerade auf der Bühne steht und Diskussionen moderiert, begleitet Rolf Häßler institutionelle Anleger und Anbieter sowie Banken und Versicherungen bei allen Fragen rund um Sustainable Finance und Responsible Investment. Auf der Suche nach einer griffigen Überschrift für das Panel war der Moderator und NKI-Chef in der Kunstszene fündig geworden: In Anlehnung an die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg“ fragte der Berater provokativ: „Hat das eine Wirkung oder kann das weg?“

In Berlin begrüßte Häßler unter anderem Oliver Hardt. Der Head of Corporate Sustainability & ESG der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) verantwortet seit dem vergangenen Jahr bei der „Kammer“ die Stabstelle Nachhaltigkeit. Hardt ist dort ebenso Haupt­ansprechpartner wie Koordinator für alle Themen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Ressorts Kapitalanlagen und die ­Unternehmensnachhaltigkeit; das betrifft zum Beispiel auch die Mitarbeit der BVK in der Investoreninitiative Net-Zero Asset ­Owner Alliance (NZAOA). Ihre Mitglieder – vornehmlich sehr ­große Kapitalsammelstellen – haben sich verpflichtet, ihre Anlageportfolios bis 2050 klimaneutral aufzustellen, die Netto-Treibhausgasemissionen also auf null zu senken. Diese beispiellose ­Selbstverpflichtung hatte bei der Gründung der NZAOA im Jahr 2019 weltweit Aufsehen erregt.

Pax-Bank achtet auf positiven Beitrag

Auch Christoph Schulte, Teamleiter Treasury der Pax-Bank, nahm an der Gesprächsrunde teil. Die christlich-nachhaltige Bank achtet in ihren Investmentprozessen seit je her darauf, ob ein Investment und die entsprechenden Emittenten, in die sie investieren will, ­einen positiven Beitrag auf typisch christliche Werte wie Frieden und die Bewahrung der Schöpfung leisten. Auch die ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Governance) berücksichtigt die Pax-Bank bei der nachhaltigen Anlage seit vielen Jahren. Und ihre Bedeutung bei dem Finanzinstitut nimmt zu, da die Bank die sogenannte Transformation unterstützen will.

Wolfgang Sussbauer (Head of Germany & Austria bei PGIM Fixed Income) und Carlo Funk waren als Vertreter der Anbieterseite zur Jahreskonferenz gekommen. Auch für sie ist die Implementierung nachhaltiger Anlagen Tagesgeschäft, wobei sie sich an den Präferenzen ihrer institutionellen Kunden ausrichten müssen. Während Sussbauer das institutionelle Geschäft für PGIM Fixed Income in Deutschland und Österreich verantwortet, ist Funk als Managing Director und Global Head of ESG Strategy & EMEA bei State Street Global Advisors tätig.

Das SRI-Performance-Paradoxon

Um die Diskussion einzuläuten, kam Moderator Rolf Häßler auf den in der Finanzszene geradezu inflationär gebrauchten Begriff „Wirkung“ beziehungsweise den sogenannten „Impact“ zu ­sprechen: „Das Besondere an der nachhaltigen Kapitalanlage ist, dass wir ein doppeltes Wirkungsversprechen haben. Wir geben zum einen das Versprechen: ‚Wenn Du nachhaltig investierst, bekommst du eine marktgerechte Rendite.‘ Zum anderen geben wir das Versprechen ab: ‚Wenn Du nachhaltig investierst, dann leistest Du einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung.‘“

In seinen einleitenden Worten machte Häßler deutlich, dass sich die Sichtweise auf das Thema „Wirkung und Messung“ in den vergangenen Jahren geändert habe. Marktteilnehmer wendeten, etwa über die Auswertung von CO₂-Emissionen, sogenannter Temperature-Alignment-Werkzeuge und ESG Ratings mehr und mehr Energie auf, um jene Wertpapiere zu finden, die besonders nachhaltig ­seien. „Und am Ende messen wir den Erfolg einer nachhaltigen ­Kapitalanlage am finanziellen Erfolg“, so Häßler mit Blick auf das sogenannte SRI-Performance-Paradoxon, das 2008 von Christoph Butz vom Bankhaus Pictet in einer Studie thematisiert worden ist.

SRI steht für „Socially responsible investing“, eine Anlagestrategie, die neben der finanziellen Rendite auch den sozialen/ökologischen Nutzen berücksichtigt. Diese Betrachtung habe sich in den vergangenen drei bis fünf Jahren geändert, so Häßler mit Blick auf das SRI-Performance-Paradoxon. „Wir reden heute sehr viel stärker über die nachhaltigkeitsbezogene Wirkung von nachhaltigen ­Kapitalanlagen als früher.“ Im weiteren Verlauf bestätigte sich das anhand der Aussagen der Diskutanten.

Von Ausschlüssen bis hin zum Engagement

Die genossenschaftliche Pax-Bank steuert ihren Nachhaltigkeits­ansatz nach Angaben von Christoph Schulte so, „wie vermutlich fast alle Investoren – mit Ausschlusskriterien“. Dabei berücksichtigt das Bankhaus mit einer Bilanzsumme von rund 3,7 Milliarden Euro auch die christlichen Rahmenbedingungen, wie der Treasurer sagte. „Das heißt, es gibt Kategorien, in was wir investieren dürfen und wo wir das nicht dürfen.“ Zum Beispiel sind US-Staatsanleihen nicht Teil des Anlageuniversums der Pax-Bank.

Grund dafür ist die Todesstrafe, die in weiten Teilen der USA noch immer verhängt werden kann. In Europa wiederum sind Anlagen im Zusammenhang mit der Atomkraft für die Bank undenkbar. „Ist Atomstrom grün oder nicht?“, fragte der Treasurer rhetorisch in die Runde, um sodann seine Sichtweise zu erläutern. „Unsere französischen ­Nachbarn sehen ihn als sehr grün an. Wir nicht. Hier stellt sich die Frage, ob wir uns auch anpassen müssen oder nicht? Aktuell ­bleiben wir bei dem Standpunkt, dass Atomstrom – wenn der ­Anteil zu groß ist – für uns ein K.o.-Kriterium ist. Wir wollen daran nicht partizipieren.“ Grundsätzlich ist das Anlagekonzept der Bank verbunden mit einem Best-in-Class-Ansatz. Hierbei werden aus ­einem Grunduniversum, beispielsweise einem Aktienindex, die Unternehmen ausgewählt, die innerhalb ihrer Branchen („Class“) die besten Nachhaltigkeitsleistungen erbringen.

Nachhaltigkeitsbezogene Wirkung: BVK setzt auf Engagement

Die Bayerische Versorgungskammer lässt sich mit der Pax-Bank nur bedingt vergleichen. Das liegt allein schon an ihrer Größe. Aber das machte den Reiz aus für die Besucher der Jahres­konferenz, die sich so ein Bild von völlig unterschiedlichen Asset Ownern ­machen konnten. Die BVK verwaltet für zwölf Versorgungseinrichtungen insgesamt Kapitalanlagen in Höhe von rund 111,9 Milliarden Euro (Marktwert, Stand: Januar 2024). Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit verfolgt die BVK mit dem sogenannten Engagement einen aufwändigen Prozess, wenn es darum geht, ESG-Kriterien in Kapitalanlageentscheidungen umzumünzen.

Der international ­gebräuchliche Begriff „Shareholder Engagement“ heißt nichts ­anderes, als dass sich Investoren neben der Stimmrechtsausübung auf Aktionärsversammlungen auch durch Dialoge mit den Firmenlenkern immer mehr Gehör verschaffen. Manchmal stoßen Investoren dabei zwar auf taube Ohren. Dann müssen sie daraus ­entsprechende Rückschlüsse ziehen, die schlussendlich im Verkauf der Wertpapiere münden. Dann ist aus ESG-Sicht aber nichts gewonnen. Im Idealfall können Investoren die Entscheidungen von Unternehmen in ihrem Sinne beeinflussen.

Die Aussicht auf mehr Nachhaltigkeit und eine auskömmliche Rendite treibt auch das Team von Oliver Hardt und seinen Mitstreitern an: „Wir wollen über unseren Stewardship-Ansatz mit der Stimmrechtsausübung positiven Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung nehmen“, betonte er. Dabei gehe es in einem ersten Schritt darum, dass der Prozess mit dem Dreiklang aus E, S und G bei den Unternehmen, in die die BVK investiert – sofern noch nicht geschehen –, überhaupt erst einmal gestartet werde. „Wir monitoren das gemeinsam mit unserer Kapitalverwaltungsgesellschaft, um genau zu schauen, wie die Entwicklungen in den Unternehmen sind. Unser Fokus liegt also auf der Transition“, so Hardt.

Im Gegensatz zur Pax-Bank arbeitet die BVK kaum mit Ausschluss­listen. Hardt begründete das so: „Wir wollen ganz bewusst und mit Blick auf die Transformation in Richtung Net Zero gemeinsam mit den Unternehmen nach vorne gehen.“ Von ihrer Kapitalanlage, die die Transformation der Wirtschaft aktiv begleitet, verspricht sich die BVK eine doppelte Wirkung – „sowohl das Positive für die Geldbörse, als auch der positive Effekt für Gesellschaft und Umwelt“, wie Hardt es in der Gesprächsrunde formulierte.

Die Rolle der Asset Manager

Carlo Funk griff die Aussagen von Christoph Schulte und Oliver Hardt auf. Dabei machte er deutlich, dass State Street Global ­Advisors als Asset Manager und Treuhänder in einer anderen Ausgangslage sei als die Asset Owner Pax-Bank und BVK. Er betonte, dass State Street Global Advisors (SSGA) viel Research betreibe, um seinen unterschiedlichen Kunden passende Lösungsvorschläge in Sachen ESG anbieten zu können. Wolfgang Sussbauer argumentierte ähnlich: Der Kunde müsse den Weg natürlich vorgeben, wie weit er Nachhaltigkeitskriterien überhaupt implementieren wolle.

Zugleich machte der Vertreter aus dem Hause PGIM Fixed Income deutlich, dass man dort intern Minimumstandards festgelegt habe. „Wir haben schon 2015 die UNPRI unterzeichnet und systematisch mit der Integration von ESG begonnen: Ein Nachhaltigkeitsfilter gilt für alle Portfolios und auch global. Bonitätsrelevante ESG-­Faktoren werden stets berücksichtigt, unabhängig ob wir vom ­Kunden einen speziellen ESG-Auftrag bekommen oder nicht.“ ­Unter „Governance“ etwa seien das Faktoren, die man schon ­immer abgegriffen habe: Wie wird ein Unternehmen geführt? Welche Standards gibt es und werden sie eingehalten? „Dieser Filter gilt für alle Analysten. Sie müssen das abfragen. Auf der nächsten ­Stufe gibt der Kunde typischerweise ein Negativliste, die wir implementieren“, so Sussbauer.

Vor zwei Jahren haben sie bei PGIM Fixed Income ein Temperature-Alignment-Werkzeug implementiert. Hier wird für jedes Unternehmen ein Budget kumulativer CO₂-Emissionen ­festgelegt. Abweichungen auf diesem Gleitpfad werden bestraft, aber nur wenn der Kunde den Auftrag gibt, zusätzlich zu der Berücksichtigung von bonitätsrelevanten ESG-Faktoren auch einen positiven Impact auf die Umwelt zu erzielen.

Eine Strategie für Geldgeber: Transition Finance

Nachhaltigkeitsexperte Häßler griff das Thema Engagement auf und ging der Frage nach, wie Asset Owner an die Dekarbonisierung ihrer Kapitalanlagen herangehen. Eine denkbar einfache ­Vorgehensweise, um den CO₂-Fußabdruck eines Portfolios aus ­liquiden Assets schnell zu verkleinern, ist es, die Wertpapiere der Emittenten mit den kritischsten Treibhausgasemissionen abzustoßen und im Gegenzug die Aktien weniger klimaschädlicher ­Firmen aufzustocken. Fremdkapitalgeber wiederum könnten das Kredit­geschäft mit Unternehmen, die das Klima schädigen, einstellen und sich auf die heute schon klimaneutralen Unternehmen konzentrieren, die ihr Geschäftsmodell nicht erst auf den Klimapfad bringen müssen. Doch das ist nichts für jeden.

Mancher will die Transition aktiv begleiten. Bei der Transformations- oder Umstellungsfinanzierung (Transition Finance) geht es dementsprechend darum, gerade auch jenen Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen, die zum Beispiel noch nicht die strengen ­Kriterien der ­Taxonomiekonformität erfüllen oder deren Wirtschaftstätigkeiten nicht von der EU-Taxonomie erfasst werden.

Wenn Aktionäre und Fremdkapitalgeber die kritischen Unternehmen jedoch links liegen lassen, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, wer soll dann den kapitalintensiven Übergang („Tran­sition“) hin zur klimaneutralen Wirtschaft finanzieren? Und ist es nicht so, dass viele der „braunen“ Unternehmen auch heute noch dringend benötigt werden, um die Wirtschaft am Laufen zu halten? Wäre es da nicht besser, die Klimakiller auf ihrem Weg in Richtung Klimaneutralität langfristig zu begleiten? Sussbauer hat dazu eine klare Meinung: „Indem man Kohle- und Stahlproduzenten und ­alle anderen klimaschädlichen Unternehmen ausschließt, hat man leichte Gewinne in Sachen Emissionsreduzierung. Aber wie geht es dann weiter?“ Temperature Alignment ist seiner Einschätzung nach die Lösung.

Bei diesem Konzept halten die Investoren an den Emittenten grundsätzlich erst einmal fest – und zwar solange diese glaubhaft den Weg einschlagen, CO₂-Emissionen im Einklang mit den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens zu begrenzen. „In der Praxis sieht man aber auch, dass bei vielen Unternehmen zwischen Geschäftsbericht und faktischem Tun ziemliche Diskrepanzen vorliegen“, wie Sussbauer sagte. „Wenn wir den Eindruck haben, dass Versprechen gemacht worden sind, die Umsetzung aber sehr stark davon abweicht, dann hat das einen Ausschluss zur Folge.“

Oliver Hardt nahm den Ball auf und machte deutlich, dass die BVK mit Blick auf ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen das Gespräch mit den von ihr mandatierten Asset Managern sucht. Bei diesen Dialogen hinterfragen die Süddeutschen zum Beispiel, ob beide Seiten die gleichen Ziele verfolgen. In dem Zusammenhang führt die BVK jährliche Umfragen unter ihren Asset Managern durch. So soll sichergestellt werden, dass alle Parteien die Transformation ­gemeinsam schaffen. „Wir wollen eben nicht gleich mit der Keule kommen und Unternehmen ausschließen“, sagte Hardt. Dann ­gäbe es zwar sehr schnell einen Effekt im Bereich CO₂, wie der BVK-Vertreter einräumte. Doch die Münchner gehen einen anderen Weg und analysieren die einzelnen Asset-Klassen sehr genau.

­Dabei helfen auch die immensen Datenmengen, die mehr und mehr zur Verfügung stehen. „Anschließend führen wir weitere ­Gespräche mit den Asset Managern“, sagte Hardt. „Wir wollen Transparenz schaffen! Das ist nach unserem Ermessen der richtige Ansatz, um auch hier systematisch und genau die richtigen Schritte zu machen, um auch über Wirkung zu sprechen und gezielt ­gegensteuern zu können, wenn es eben nicht funktioniert.“ Rolf Häßler machte deutlich, dass Wirkung immer dann entstehe, „wenn es mir als Investor gelingt, Unternehmensverhalten zu verändern in Richtung Nachhaltigkeit. Zum Beispiel, wenn ich es schaffe, dass ein Unternehmen eine Klimastrategie aufsetzt oder andere ESG-Themen bearbeitet. Dann kriege ich eine nachhaltigkeitsbezogene Wirkung hin. Der Hebel, den ich dabei als Investor habe, ist der Zugang der Unternehmen zu meinem Kapital.“

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