„Ich kenne noch die Zeiten ohne große Regulierung“
Frank Oliver Paschen von der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn und portfolio institutionell haben allen Grund zu feiern: die Redaktion ihren 20. Geburtstag, Paschen 20 Jahre Pensionskassen-Karriere. Im Interview vergleicht er das Gestern und Heute.
Herr Paschen, welche beruflichen Erinnerungen haben Sie persönlich an das Jahr 2002?
2002 war für meinen weiteren Karriereweg sehr prägend, denn damals bin ich erstmals zum Vorstand einer Pensionskasse bestellt worden. Die betriebliche Altersversorgung hat mich seitdem nicht mehr losgelassen und ich bin nun seit 20 Jahren durchgehend und mittlerweile in meiner dritten Station Vorstand einer Pensionskasse, aktuell verantwortlich für die Kapitalanlage der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn AG -VVaG-.
Welche wesentlichen Veränderungen in den vergangenen zwei Dekaden gab es aus Ihrer Sicht im Bereich der institutionellen Kapitalanlage?
Das Anlageuniversum war damals schlichtweg einfacher, überschaubarer und risikoärmer. Trotz höherer Garantieversprechen und einer Bafin-Politik, die von Risikovorsorge noch nichts wissen wollte, war es kein Hexenwerk, auskömmlich zu wirtschaften, da die Zinslandschaft eine andere war. Investitionen in Sachwerte haben damals praktisch noch nicht stattgefunden und das klassische Portfolio einer Pensionskasse bestand zu 90 Prozent aus Schuldscheinen etc. im Direktanlagebestand. Mit den sinkenden Zinsen hat sich nach und nach das Anlageverhalten geändert. Erste Fondsvehikel, mehr Aktienanlage, zuletzt auch Immobilien- und Infrastrukturinvestments kamen auf. Die Anlageklasse „Rente“ verschob sich nach und nach von der Direktanlage im Tresor in globale Fixed-Income-Lösungen. Aktives Managen und die persönliche Kompetenz in den Häusern wurden immer wichtiger. Produkte sind komplexer und erklärungsbedürftiger geworden.
Mittlerweile gibt es keinen risikolosen Zins mehr und das Geschäftsmodell wird durch die restriktiven Vorgaben zum Höchstrechnungszins zum Teil ad absurdum geführt. Betriebliche Altersversorgung beziehungsweise die institutionelle Kapitalanlage werden nur noch unter Risikovermeidungsaspekten betrachtet, obwohl sich auch heute noch mit modernen und diversifizierten Portfolien zugunsten der Versicherten auskömmlich wirtschaften lässt.
Wie stark hat die Komplexität im Tagesgeschäft zugenommen?
Enorm – ich kenne noch die Zeiten ohne große Regulierung. Das Kerngeschäft – Kapitalanlage und Mitgliederbetreuung – nimmt heute vielleicht noch 30 Prozent der Zeit ein, ansonsten prägen Risikomanagement, ALM, ERB, MaGo, VAIT, Offenlegung und vieles mehr den Alltag und überfordern damit inhaltlich, personell und kostenmäßig insbesondere kleine Häuser.
Wie hat man damals Nachhaltigkeit gesehen?
Ehrlich gesagt war Nachhaltigkeit damals praktisch kein Thema. Und als es als Nische aufkam, wurde darüber diskutiert, wieviel Rendite das wohl kosten möge.
Kommt jetzt der große Regimewechsel? Nämlich Anstieg der Zinsen, Kapitalflüsse zurück in Anleihen, steigende Anforderungen der Stakeholder, der Bedeutung der Geopolitik?
Der große (!) Regimewechsel kann nicht kommen, dafür sind die Verschuldungsgrade der Staaten zu hoch. Zinsanstieg ja, auseinanderlaufend bei Fed und EZB, aber es wäre illusorisch, wenn man glaubt, der Zinsanstieg könne der Inflation erfolgreich hinterherlaufen oder gar vor die Welle kommen. Und so wird es dabei bleiben, dass die institutionelle Kapitalanlage nur breit diversifiziert erfolgreich sein kann. Viele Pensionskassen sind noch nicht einmal in der heutigen Welt angekommen, sitzen immer noch auf auslaufenden Rentenbeständen in der Direktanlage und wissen nicht, wohin mit dem Geld, da Aufsicht und VAG per se schon einschränken, aber auch risikoreichere Asset-Klassen nicht mehr mit den entsprechenden Spreads belohnt werden. Anleihen werden zurückkommen, aber der Weg dahin ist steinig und wird zu vielen Bewertungsthematiken führen.
Was erwarten Sie für die nächsten 20 Jahre im Kontext der institutionellen Kapitalanlage?
Das ist wirklich „Spökenkieken“, wie der Norddeutsche sagt. Da spielen nicht nur die Märkte, die (De-?) Globalisierung, die Gesellschaft und vieles mehr eine Rolle, sondern die Geschäftsmodelle an sich. Für meinen speziellen Markt gesprochen – wie viele Pensionskassen gibt es in zehn bis 20 Jahren überhaupt noch? Sind Garantiemodelle ausgestorben? Wer kann es sich leisten, in seine Altersversorgung zu investieren? Wird der heutige Markt verstaatlicht? Was folgt daraus für die Kapitalanlage? Für die nächsten Jahre gilt aber weiterhin, wer die modernen Instrumente beherrscht und sich diversifiziert aufstellt, aktiv managt – trotz Kosten –, kann im Bereich der institutionellen Kapitalanlage auskömmlich wirtschaften. Wichtig wäre dabei, dass die Bafin das honoriert und nicht mit übertriebenen Stress-Szenarien einen Anlagemix fördert, der für viele Häuser den schleichenden Tod bedeutet.
Über den Interviewten:
Frank Oliver Paschen ist seit August 2018 Mitglied im zweiköpfigen Vorstand der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft -VVaG-. Bei der mittelgroßen Pensionskasse mit Kapitalanlagen von rund 456 Millionen Euro (Stand: 31. Dezember 2021) verantwortet er unter anderem die Kapitalanlage. Zuvor war Paschen von Januar 2010 bis Juli 2018 Vorstandsvorsitzender der ältesten überbetrieblichen Pensionskasse Deutschlands, der Dresdener Pensionskasse VVaG in Kulmbach. Der Betriebsrentenexperte (Jahrgang 1968) hat Rechtswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel studiert und in seiner bisherigen Laufbahn als Volljurist, Syndikus und Fachanwalt für Arbeitsrecht über zehn Jahre in der Unternehmensberatung gearbeitet.
Bildquelle: Pensionskasse der Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft -VVaG-.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Pensionskassen | Politik/Regulierung
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