Strategien
23. Februar 2017

Oranje wird grün

Nie zuvor ist mehr fürs Alter gespart worden. In Kontinentaleuropa haben die Holländer das größte Pensions­vermögen angehäuft. Dieses soll künftig stärker im Einklang mit den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN gemanagt werden. Eine­ gemeinsame­ Initiative holländischer Pensions­manager, Versicherungen und Finanzinstitute ebnet den Weg.

Der demografische Wandel wandelt die Altersvorsorge. Früher ­wu­rden­ Kinder in die Welt gesetzt, die ihre Eltern im Alter refinanzierten. Dieser­ traditionelle Weg der Altersvorsorge hat angesichts sinkender Geburtenraten weltweit ausgedient. Statt auf Nachkommen zu setzen, sorgen immer mehr Menschen fürs Alter vor. Getreu dem Motto: Sparen statt Kinder! Beleg dafür ist das seit Jahren sukzessive steigende Pensionsvermögen weltweit. Laut dem jüngsten Report „Global Pension­ Assets Study 2017“ von Willis Towers Watson wuchs das Vermögen in den 22 größten Pensionsmärkten von 2006 bis Ende 2016 von 23,7 auf 36,4 Billionen US-Dollar. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von vier Prozent.

Das schnellste Wachstum mit 7,8 Prozent pro Jahr hat der Pensionsmarkt in Hongkong hingelegt – allerdings von einem vergleichsweise tiefen Startpunkt kommend. Das Pensionsvermögen des asiatischen Stadtstaates hat sich in der vergangenen Dekade von 63 auf 133 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Im Vergleich zu den Big Six ist der Hongkonger Pensionsmarkt damit – trotz seines dynamischen Wachstums – ein kleines Licht. Die unangefochtene Nummer eins sind und bleiben die USA mit einem Pensionsvermögen, das in den vergangenen zehn Jahren von 13,9 auf 22,5 Billionen US-Dollar anschwoll. Mit weitem Abstand dahinter folgen Großbritannien und Japan­ (2,9 beziehungsweise 2,8 Billionen US-Dollar). Die Billionengrenze passiert haben inzwischen auch Australien (1,6), Kanada (1,6) und die Niederlande (1,3). Zusammen machen diese sechs Pensionsmärkte fast 90 Prozent des globalen Pensionsvermögens aus.

Mit Blick auf die Asset-Klassen haben sich Immobilien und Alter­natives zum großen Gewinner der Geldflut im Pensionsmarkt gemausert. Deren Allokation, von Willis Towers Watson unter „others“ zusammengefasst, kletterte von mageren vier Prozent im Jahr 1997 auf stolze 24 Prozent Ende 2016. Federn lassen mussten hingegen die traditionellen Anlageklassen. Während der Bonds-Anteil um sieben Prozentpunkte auf 28 Prozent abschmolz, betrug der Aderlass bei Aktien elf Prozentpunkte, was eine Quote von nun 46 Prozent ergibt. Aber Vorsicht: Die Vorlieben in den einzelnen Ländern sind verschieden. Während Australier, Briten und US-Amerikaner mit Quoten zwischen 47 und 49 Prozent nach wie vor eine große Aktienaffinität beweisen, bevorzugen Japaner­ und Holländer Bonds. Deren Aktienquote dümpelt bei 28 beziehungsweise 32 Prozent. Allen sechs Pensions­märkten gemeinsam ist wiederum ihre zunehmende Zurückhaltung gegenüber dem Heimatmarkt. Der Home Bias im Aktienportfolio hat sich in den vergangenen knapp 20 Jahre durchschnittlich von 69 auf 43 Prozent reduziert. Ihre extrem große Heimatverbundenheit haben selbst die US-Amerikaner aufgegeben. Zwar dominieren US-Aktien mit etwas mehr als 60 Prozent nach wie vor das Aktienportfolio. ­Ende der 90er Jahre waren es allerdings noch weit über 80 Prozent.

Unterschätzte Risiken

Ein Blick zurück ist nichts, ohne auch einen Blick nach vorn zu ­werfen. Und so hat Willis Towers Watson in seinem Report sechs ­Faktoren zusammengetragen, die einen immer stärkeren Einfluss auf die Entwicklung von Altersvorsorgeeinrichtungen nehmen werden. Auf eine Aufzählung dieser sechs Faktoren soll hier aus Platzgründen verzichtet werden. Nur so viel: Als einen wesentlichen Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Pensionseinrichtungen nennt der Consultant den Umgang mit ESG-Themen und dem Risiko sogenannter ­„stranded Assets“. Von vielen Investoren wird die Bedeutung dieser Thematik jedoch noch unterschätzt. Zu dieser Erkenntnis kommt nicht Willis Towers Watson in seinem Report, sondern eine gemeinsame Studie von Feri und dem WWF, die Ende Januar 2017 vorgestellt wurde. ­Insbesondere Portfolios von institutionellen Investoren wie Pensions­kassen oder Versicherern seien von der Carbon-Blase betroffen. ­„Unsere Szenariorechnungen zeigen, dass Wertverluste aus Carbon-Risiken­ dort den gesamten Zinsertrag eines Jahres vernichten könnten“, warnt Dr. Heinz-Werner Rapp, Gründer des Feri Cognitive Finance Institute und Initiator der Studie „Carbon Bubble und Dekarbonisierung – unterschätzte Risiken für Investoren und Vermögensinhaber“. Vorsicht sei auch bei den weit verbreiteten passiven ­Investmentstrategien geboten. Den in den klassischen Indizes enthaltenen Carbon-Risiken seien Investoren sich oftmals nicht bewusst.

Von einem Unterschätzen der Risiken kann beim Reservefonds des französischen Pensionssystems hingegen nicht die Rede sein. Bereits seit 2007 bemüht sich der Fonds de Réserve pour les Retraites (FRR) den Carbon Footprint seines Aktienportfolios, auch das der Schwellen­länder, zu reduzieren und dies jährlich mittels Benchmark-Indizes abzugleichen. Ende 2015 summierte sich der Carbon Footprint auf 318,8 Tonnen CO₂. Was sich viel anhört, fällt jedoch um 25,3 Prozent geringer aus als der Benchmark-Index und liegt zudem 23,9 Prozent unter dem Vorjahreswert des Aktienportfolios von FRR. Um seinen Fußabdruck noch weiter zu reduzieren, will der Fonds auch seine Aktien­index-Strategie mit einem ESG-Ansatz inklusive Portfolio­dekarbonisierung optimieren. Für das Management entsprechender Mandate wählte FRR kürzlich Amundi, Candriam und Robeco aus.

Ein Push für die Nachhaltigkeit
Für den Vermögensverwalter aus Rotterdam ist Nachhaltigkeit kein Neuland. Robeco kann sich damit rühmen, bereits seit 1995 den ­Fokus auf nachhaltiges Investieren zu legen. Doch einer allein hat selbst mit Assets under Management von rund 276 Milliarden Euro nur ­eine ­begrenzte Marktmacht. Eine konzertierte Aktion mehrerer Schwer­gewichte des Finanzmarktes kann hingegen naturgemäß erheblich mehr Power entfalten. Auf diese setzen auch die 18 holländischen Finanz­institutionen, die im vergangenen Jahr eine nationale Nachhaltigkeits­initiative gestartet haben und zusammen mehr als 2,8 Billionen Euro managen. Neben Robeco sind die Versicherungen ­Aegon, Delta Lloyd und ING sowie die beiden großen Pensions­manager PGGM und APG mit von der Partie. Sechs Monate haben die 18 Finanz­institutionen an der Entwicklung einer nationalen Investment­agenda getüftelt, mit der die von den Vereinten Nationen für 2030 gesetzten „Sustainable ­Development Goals“ (SDG) gepusht werden sollen. Für die Finan­zierung dieser Ziele bedarf es jedes Jahr zwischen fünf und sieben ­Billionen US-Dollar. Das heißt: Institutionelles Kapital wird dringend benötigt.

Das können die holländischen Investoren trotz ihrer gemeinsamen Aktion – die weltweit bislang einmalig ist – natürlich nicht allein stemmen. Aber sie können zumindest ihren Teil dazu beitragen und einen Stein ins Rollen bringen. „Mit dem gemeinsamen Rahmen wollen­ wir andere institutionelle Investoren unterstützen, ihre Impact Investments auszubauen“, erklärt Else Bos, Chief Executive Officer bei PGGM. In dem Ende 2016 veröffentlichten Report „Building Highways to SDG Investing“ finden sich 16 Vorschläge, wie der Bau neuer Auto­bahnen gelingen soll, auf denen das Konsortium dann zu einem Maximum an SDG-­Investments fahren will – sowohl bei heimischen­ als auch internationalen Investments. Auf eine detaillierte Auflistung der Vorschläge muss an dieser Stelle verzichtet werden. Nur so viel: Die Vorschläge betreffen folgende vier Bereiche: blending public and private capital; mobilizing retail-oriented impact capital; stimulating data standardisiation; ensuring a supportive regulatory environment. „Die Unterstützung der SDG für eine stabilere Welt und eine stärkere und nachhaltigere Wirtschaft wird uns letztlich helfen, bessere Renditen­ für unsere Kunden zu erzielen“, ist Else Bos überzeugt.
 
Nicht nur Worte, sondern Taten
Nicht nur mit Worten macht sich PGGM für die SDG-Ziele stark. Der Pensionsmanager lässt auch Taten sprechen. Rund zehn Milliarden Euro wurden bereits unter Berücksichtigung der vier SDG-Themen – Klima, Nahrungsmittelsicherheit, Wasserknappheit und Gesundheit – investiert. Bis 2020 sollen in das Programm, das unter dem Namen „Investing in solutions“ läuft, weitere zehn Milliarden Euro fließen. Die Umsetzung erfolgt über verschiedene Anlageklassen, darunter auch Green Bonds. In die „grünen“ Anleihen hat PGGM bislang 600 Millionen Euro investiert, wobei der Großteil dieser Investments erst jüngst ins Portfolio kam. Anfang 2017 wurden 15 Millionen Euro an ­einem Green Bond des italienischen Energieriesen Enel gezeichnet. Mitte Januar dieses Jahres steckte PGGM schließlich 330 Millionen Euro in die erste Green-Bond-Emission des französischen Staates. „Grüne Staatsanleihen sind noch neu und ihre Emission durch Regierungen zeigt, dass sie ebenfalls ihre Verantwortung zur Finanzierung grünen Wachstums übernehmen“, erläutert Wilfried Bolt, Senior Investment­ Manager bei PGGM, in seinem Blog.

Mit Frankreich und Polen, das im Dezember 2016 den allerersten Green Bond emittiert hat, haben bislang erst zwei Länder den Schritt ins Grüne gewagt. Eine Zeichnung des polnischen Green Bonds kam für PGGM aber nicht infrage. Bolt erklärt den Grund: „Die polnische Wirtschaft ist noch immer stark von Kohle abhängig. Trotz ihres großen Carbon-Fußabdrucks kann Polen einen Green Bond emittieren, sofern dieser die Green Bond Principles erfüllt und nur grüne Projekte­ finanziert. Wir sind allerdings der Meinung, dass das Signal, dass von einem Green Bond ausgeht, nur glaubhaft ist, wenn der Emittent – Land oder Unternehmen – eine Umweltpolitik verfolgt, die im Einklang mit den Zielen eines Green Bonds ist.“ Mit derartigen Bedenken schlagen sich jedoch nicht alle Investoren herum. Und so konnte Polen laut dessen Finanzminister 750 Millionen Euro über seinen Green Bond einsammeln – statt der ursprünglich geplanten 500 Millionen­ Euro. Das illustriert ein Kernproblem innerhalb der Nachhaltigkeitsgemeinde. Die Nachhaltigkeit eines Investments ist ­Ansichtssache. Vielleicht legen die Holländer mit ihrer nationalen Agenda­ einen Grundstein für eine einheitliche Definition.

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 02/2017

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