Nüt alles töönt guet
Die Schweiz hat eine etablierte und, auch dank der SAA, eine wachsende betriebliche Altersvorsorge. Nur wenige Länder legen mehr Pensionsgelder auf dem Kapitalmarkt an. Die Herausforderungen liegen in volatilen Anlageergebnissen, in der Demographie und in Konzentrationsrisiken.
Hat es der Eidgenosse besser als der deutsche Michel? Dafür gibt es zumindest gute Argumente: Die Schweiz kann gegenüber Deutschland mit niedrigen Steuersätzen, pünktlichen Zügen und leckerer Schoki punkten. Vor allem aber mit einer gut entwickelten zweiten Säule der Altersvorsorge. Wie der diesjährigen Edition der Global Pension Assets Study des Thinking Ahead Institute zu entnehmen ist, kommt das Schweizer Pensionssystem Ende 2023 auf ein Gesamtvolumen von 1.361 Milliarden Dollar, das deutsche auf 596 Milliarden Dollar, was wiederum einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 150 beziehungsweise von knapp 14 Prozent entspricht. Gemessen an den Assets liegt die Schweiz auf Rang 7.
Ein deutlicher Unterschied ist auch im Wachstum zu erkennen: In der Dekade bis Ende 2023 kamen die Schweizer Pension Assets in Dollar auf eine jährliche Wachstumsrate von 5,3 Prozent und Deutschland von 1,9 Prozent. Ein Grund hierfür ist die Aufwertung des Schweizer Franken. Der gewichtigere Grund liegt aber darin, dass die Schweizer Veranlagungsexperten für ihre Pensionisten im Schnitt je ein Drittel in Aktien, Anleihen und sonstige Anlagen investieren und man hierzulande lieber seit Jahren über die Gefahren von Aktienrisiken debattiert. In den USA und in Australien liegen übrigens die durchschnittlichen Aktienquoten der Pension Funds bei etwa 50 Prozent. Die Kosten der Vermögensverwaltung lag in 2023 laut Swisscanto bei 0,49 Prozent des Vermögens. Primär wegen der steigenden Allokation in illiquiden Alternatives sei bei den Kosten ein leichter Aufwärtstrend zu verzeichnen. Diese Mehrkosten machen sich jedoch bezahlt.
Mindestens einen Schritt weiter scheint man in der Schweiz auch beim Thema ESG-Reporting zu sein. Ende 2022 publizierte der Schweizerische Pensionskassenverband Asip, dass man in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden ESG-Reporting-Standards entwickelt hat. Bereits im vergangenen Jahr erfolgte laut dem Dachverband für über 900 Pensionskassen deren erstmalige Anwendung. Mit diesem „ganzheitlichen Rechenschaftsbericht will die Branche einheitlich und transparent dokumentieren, welche Fortschritte die Pensionskassen beim nachhaltigen Investieren im Verlauf der Jahre machen“.
Je größer desto grüner
Hier scheinen zwar nicht alle Kassen, aber zumindest der Großteil mitzuziehen. Gemäß der Pensionskassenstudie 2024 des Asset Managers Swisscanto erstellt mittlerweile die Mehrheit ein ESG-Reporting: 62 Prozent verfassen bereits heute einen Nachhaltigkeitsbericht und weitere 24 Prozent planen dies für die Zukunft. Damit bleibt eine Minderheit von lediglich 14 Prozent, die dazu keinen Anlass sieht. Eigene ESG-Richtlinien haben nun 39 Prozent der Vorsorgewerke. Besonders hoch ist diese Quote bei bei der öffentlichen Hand: 74 Prozent der Kassen von öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern haben ESG-Richtlinien in ihren Anlagereglementen verankert. Für die nachhaltige Anlage zählt aber auch: Je größer desto grüner! Gemäß der Swisscanto-Pensionskassenstudie verzeichnen die größten Kassen mit einem verwalteten Vermögen von über fünf Milliarden Franken bezüglich Anlagen nach ESG-Kriterien mit 77 Prozent den höchsten Vermögensanteil über sämtliche Anlageformen hinweg. Bei den Kassen mit einem Anlagevermögen von weniger als einer Milliarde bewegt sich dagegen der Anteil nur zwischen zehn und 25 Prozent.
Aber natürlich gilt auch für die Schweizer Altersvorsorge: Nüt alles töönt guet! Wie Complementa informiert, verzeichneten die Pensionskassen der Confoederatio Helvetica zwar im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Rendite von 5,3 Prozent und in der vergangenen Dekade jährlich 3,5 Prozent. Mitunter mussten die Einrichtungen aber auch deutliche Verluste verzeichnen. So war 2022 im Schnitt ein Minus von neun Prozent und in 2008 sogar von 12,8 Prozent zu beklagen. Auf Dauer zahlt sich die vergleichsweise offensive Asset-Allokation jedoch aus.
Dauerhaft zu schaffen machen den Pensionskassen jedoch Demographie, Langlebigkeit und die Politik. Seit Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung im Jahr 1948 stieg laut ASIP-Daten die Zahl der durchschnittlichen Rentenbezugsjahre von 13 auf 24. Das ist für die Pensionisten erfreulich, lässt die jüngeren Jahrgänge aber alt aussehen. Letzteren drohen durch die Langlebigkeit „Pensionierungsverluste“, warnt Complementa. Die Pensionskassen haben „jedoch für die nächsten fünf Jahre bereits Reduktionen beschlossen, um dieser Umverteilung entgegenzuwirken“, schreibt der für seine jährliche Pensionskassen-Studie bekannte Dienstleister. Selbstredend sieht natürlich auch in der Schweiz die Politik ein Betätigungsfeld in der beruflichen Altersvorsorge – mitunter zum Verdruss der Pensionskassen. So bemängelte Hanspeter Konrad, der nach 19 Jahren Amtszeit als Asip-Direktor nach einem Rückblick gefragt wurde, dass es bei politischen Reformen immer nur sehr schleppend voranging. Politische Mehrheiten zu finden, sei häufig aufwändig und kompliziert. Sein Fazit: „Vor allem in der politischen Arbeit brauchte es zunehmend eine hohe Frustrationstoleranz, etwa wenn die zweite Säule mit Falschaussagen diskreditiert wurde.“
Magnificient 3 und andere Klumpenrisiken
Praktiker in der Veranlagung der Pensionsgelder brauchen dagegen eine gewisse Toleranz gegenüber Klumpenrisiken auf dem Aktienmarkt. Meist investieren die Pensionskassen die größere Aktienportion im Ausland. Dort ist die Konzentration auf die Magnificient 7 mit Vorsicht zu genießen. Die insgesamt hohen Aktienallokationen ergeben jedoch auch ein hohes Exposure zum Schweizer Aktienmarkt – und dort gibt es mit Nestlé, Novartis und Roche eine helvetische „Magnificient 3“. Darum mahnt Complementa zur Beachtung von gleich zwei Konzentrationsrisiken: Stand März 2024 kamen die zehn größten Titel im MSCI World auf ein Gewicht von 21,5 Prozent und die drei größten Titel im Swiss Performance Index auf eine Quote von satten 38 Prozent. „Entsprechend müssen die Konzentrationsrisiken bei der Portfoliozusammensetzung durch Pensionskassen – auch bei gutem Marktverlauf – laufend analysiert werden“, warnt Complementa.
Für Konzentrationsrisiken sorgen aber nicht nur einzelne Aktientitel, von deren Entwicklung ganze Indizes abhängen, sondern auch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Diese Akquisition hat für Schweizer Kapitalsammelstellen Implikationen sowohl bezüglich Global-Custody- als auch für Asset-Management-Dienstleistungen. Wie PPC Metrics informiert, nutzten Ende 2022 39 Prozent der Pensionskassen die UBS als Verwahrstelle und 31 Prozent die Credit Suisse. Da Administrationsmandate weniger schnell als Asset-Management-Beziehungen gekündigt werden, dürfte die neue UBS bis auf weiteres die Verwahrstelle von mehr als zwei Dritteln aller Schweizer Vorsorgeeinrichtungen sein. Das seit der Finanzkrise bekannte „Too big to fail“ bekommt bei dieser Relation einen fast schon beschwörungshaften Charakter.
Im Asset Management sind es mit 35 Prozent etwa ein Drittel aller Mandate einer Pensionskasse, die von der UBS und/oder Credit Suisse verwaltet werden. Nimmt man das Gesamtvermögen als Basis, so ergibt sich für die beiden Banken ein Anteil von sogar rund 41 Prozent des Gesamtvermögens der Schweizer Pensionskassen. Bei rund zehn Prozent der Vorsorgeeinrichtungen würde die neue UBS mehr als 90 Prozent des Vermögens verwalten, wenn die Gelder nicht neu dotiert werden. Wegen dieser signifikanten Konzentration von Administration und Asset Management bei der neuen UBS empfiehlt der Consultant PPC Metrics zur langfristigen Sicherstellung des Wettbewerbs – und wohl auch für den eigenen Business Case – den Gremien der Pensionskassen die Managerdiversifikation regelmäßig zu analysieren und zu diskutieren.
Deutsche Asset Manager sind wenig gefragt
Im Sinne einer breiteren Diversifikation dürften deutsche Asset Manager den Schweizer Pensionskassen Mandate für deutsche Asset Manager empfehlen. Dies auch zurecht: Eine kleine Stichprobe von portfolio institutionell unter zehn Pensionskassen ergab nur wenige Mandate für deutsche Häuser. Für die Anspruchsberechtigten der Publica, die mit 40,5 Milliarden Schweizer Franken als größte Pensionskasse der Schweiz gilt, darf Union Investment „Öffentliche Unternehmensanleihen EUR“ bewirtschaften. Bei der Basellandschaftliche Pensionskasse legt Allianz Global Investors das Geld aktiv in europäischen Small Caps an. Die Pensionskasse der Stadt Zürich führt für die Hedgefonds-Fachberatung Resonanz Capital aus Frankfurt und für die Privatmarktanlagen-Fachberatung Peter Schwanitz aus Köln auf. In den relativ transparenten Geschäftsberichten der Pensionskassen finden sich dafür neben Asset Managern aus der Schweiz viele Asset Manager aus Großbritannien und aus den USA.
Ein Schweizer Vertriebsspezialist führt dies darauf zurück, dass die Briten und Amerikaner eher Büros vor Ort als die Deutschen haben. Jeannette Leuch, geschäftsführende Partnerin des Beraters Invalue, sieht strukturelle Gründe für die geringe Präsenz deutscher Asset Manager: „Deutsche Vehikel sind, genauso wie angelsächsische, oft teurer als die Vehikel Schweizer Anbieter und, gerade bei passiven Strategien, steuerlich weniger effizient.“ Oder kann es sein, dass bei den Schweizern die Sprachbarriere gegenüber angelsächsischen Häusern geringer als zu hochdeutsch sprechenden Vertrieblern ist?
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Aktien | Pension Management | Schweiz | Weltspiegel
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