Experteninterview
24. März 2023

Neue Zinsen, neue Zeiten, neue Ziele

Zeitenwende auch durch die Zinswende: Seit dem vergangenen Jahr bewegen sich Altersvorsorgeeinrichtungen in einer neuen Welt. Der heftige Zinsanstieg ließ zwar die stillen Reserven schwinden, verkleinerte aber vor allem das Duration-Gap. Für Fixed-Income-Anleger ergeben sich nun neue Herausforderungen wie Inflation und neue Opportunitäten am kurzen und langen Ende. Über die Zinsstrukturkurve, ­Diskontierungen, Hedges, ALM, Inflation, Nachhaltigkeit und vieles mehr diskutieren Oliver Postler vom HVB Pensionsfonds und Alex Veroude vom Asset- und Risikomanager Insight Investment.

Herr Postler, Herr Veroude, haben Sie einen Zinsmarkt wie 2022 schon erlebt?

Oliver Postler: Herr Veroude und ich sind ja schon länger im Marktgeschehen dabei und erlebten daher schon einige außergewöhnliche Jahre. Zu diesen gehört auch 2022. Ein Beispiel: Den Bloomberg Global Aggregate Bond Index gibt es seit 1990 – und mit ­großem Abstand war 2022 das schlechteste ­Anleihe-Jahr. Das Minus belief sich auf über 16 Prozent. Im zweitschlechtesten Jahr, 1999, waren es „nur“ minus fünf Prozent.
Alex Veroude: Niemand von denjenigen, die heute im Fixed Income tätig sind, erlebte je eine Zeit, in der Inflation ein Problem ist und Zinsen steigen. Wir hatten 30 Jahre, in denen Zinsen von sechs auf null Prozent fielen. Es brauchte aber nur ein Jahr für ­einen Zinsanstieg von null auf vier Prozent.
In der Theorie kannten wir die Folgen eines Zinsanstiegs. Die tatsächlichen Konsequenzen wird uns aber erst die Praxis lehren.

Dafür gibt es nun wieder Opportunitäten. Finden sich diese eher am kurzen oder am langen Ende der Zinsstrukturkurve?

Veroude: Die Form der Kurve ist sehr ­speziell. Diese befindet sich im Spannungsfeld zwischen Markt und Wissenschaft. Die Kurve spiegelt die Erwartung wider, dass die Inflation schon in den nächsten neun bis zwölf Monaten auf zwei Prozent sinkt. ­Eigentlich alle Ökonomen – und auch die Fed – halten es aber für sehr schwierig, die Inflation so schnell zu senken.
Natürlich ist nun interessant, dass die ­Zinsen am langen Ende viel höher sind als sie es lange Zeit waren. Gleichzeitig ist aber die Erwartung eingepreist, dass die ­Inflation schnell sinken wird. Wer jetzt investiert, muss dieses Spannungsfeld für sich klären.

Das ALM spricht für das lange Ende.

Postler: Viele Marktteilnehmer erwarten ­einen schnellen Rückgang der Inflation und damit auch der Renditen. Aber: „From ten to two in two, seems to be too good to be true!“ Wir gehen nicht davon aus, dass wir in ­Europa in zwei Jahren bei zwei Prozent ­Inflation sind, sondern eher davon, dass wir bei der Inflationsrate in diesem Jahr bei um die sechs Prozent im Mittel rauslaufen. Für 2024 rechnen wir noch mit einer Inflationsrate von um die drei Prozent. Wir gehen ­also schon von einem deutlichen Inflationsrückgang aus, allerdings nicht linear und vor allem nicht so schnell und stark, wie im Moment vom Markt erwartet. Die Inflation könnte sich als hartnäckiger erweisen.
Aus absoluter Sicht sind Kurzläufer wegen der Inversität der Zinskurve fraglos eine interessante Opportunität. In der relativen Asset-Liability-Betrachtung kann man es anders sehen: Nämlich, dass man nun die Chance hat, mit Langläufern nicht nur eine gute Rendite, sondern gleichzeitig noch ­eine hohe ALM-Absicherung zu erzielen.
Die meisten Altersvorsorgeeinrichtungen stimmen ihre Kapitalanlage eng auf die Verbindlichkeiten ab. Erhöht sich der Gleichlauf von Assets und Liabilities, reduzieren sich aus Sicht des Trägerunternehmens, in unserem Fall eine Bank, unter IFRS die Schwankungen im Eigenkapital über das OCI (Other Comprehensive Income). Der Schutz des Eigenkapitals hat insbesondere für Banken eine hohe Priorität.
Wir hatten im Niedrigzinsumfeld der letzten Jahre noch eine vergleichsweise geringe Hedge-Quote auf der Zinsseite von um die 40 Prozent. Durch den massiven Zinsanstieg in 2022 hat sich mit dem höheren Rechnungszins unter IFRS der Barwert der Verpflichtungen enorm reduziert, so dass wir in ein Overfunding kamen. In der ­aktuellen Situation können wir aus einer ­relativen Sichtweise Assets zu Liabilities her­aus Risikominimierung betreiben, indem wir die Assets stärker entlang der Struktur der Verpflichtungen investieren. Unsere Verbindlichkeiten sind relativ lang, so dass wir auch unser Bond-Exposure bei den langen Laufzeiten ausbauen. Endeffekt ist, dass sich die Duration unseres Anleiheportfolios deutlich verlängert und die Hedging-Quote steigt. Zum Jahresende lag diese auf der Zinsseite bei über 80 Prozent.
Veroude: Vielleicht sind die Ökonomen in ihren Kurvenanalysen zu stark auf die Inflationserwartung trainiert. Möglicherweise ist es einfach dieses Gewicht der Nachfrage nach langlaufenden Assets, das die Zins­kurve nach unten drückt. Gerade in den USA fuhren sehr viele Versicherungen und Pensionskassen ein Hedge-Ratio von 40 bis 60 Prozent und sind dank des Zinsanstiegs nun in einer viel besseren Position. Damit diese ALM-Gewinne nicht nur vor­über­gehend sind, positionieren sich diese Anleger nun neu am langen Ende.
Postler: Die Attraktivität von Anleihen ist deutlich gestiegen. Darum ist der Appetit auf renditestarke Assets wie Aktien und Private Markets derzeit vielleicht weniger stark als auf Bonds. Weiter nach vorne geschaut, werden aber Return Seeking Assets weiter eine wichtige Rolle spielen. Schließlich geht es nicht nur kurzfristig um die Reduzierung der Funding-Volatitlität, sondern es gilt auch ein auskömmliches Funding-Level über die Zukunft zu erzielen, das sich nicht über die Zinsseite komplett absichern lässt.

Gibt es ein optimales Funding-Level?

Veroude: Hier zu generalisieren ist sehr schwierig. Je nach Region und Anlegertyp sind die Funding-Level sehr ­unterschiedlich. Unsere Kunden hatten schon vor dem Zinsanstieg ein Funding-Level von etwa 85 bis 95 Prozent. Unser Fokus ist das De-Risking.

Dann war es in 2022 gut, nicht Kunde bei Insight gewesen zu sein?

Veroude: Unsere Strategie und unsere Empfehlung an die Kunden ist das De-Risking. Bei einem Hedge-Ratio von 50 Prozent oder noch weniger ist das ALM-Risiko wahn­sinnig groß im Vergleich zu den anderen Risiken, die Anleger eingehen. Und trotz der Aktien-Hausse seit der Finanzkrise stieg das Funding-Ratio nur ganz langsam. Wir wollen den Kunden helfen, unabhängiger von den Zinsentwicklungen zu sein.

Die stillen Reserven wurden auf dem ALM-Altar geopfert. War es das wert?

Postler: Es ist auf den ersten Blick nicht ­intuitiv, das 2022 mit allen Kursrückgängen ger­ade bei Anleihen aus einer relativen Sichtweise von Assets und Liabilities ein sehr gutes Jahr war. Im Endeffekt stehen viele AV-Einrichtungen nun stabiler da. Der wesentliche Punkt ist, dass die Bedeckung der Verpflichtungen unter IFRS gestiegen ist. Langfristig ist es für AV-Einrichtungen wichtig, über ein vernünftiges Funding-­Level zu verfügen. Insofern ist bei einem hohem Funding-Level ein gewisser Gleichlauf von Assets und Liabilities vorteilhaft.
Man könnte zwar jetzt einwenden, dass es besser gewesen wäre, sich nicht um das Funding-Level zu kümmern. Wer die Asset-Duration kurz hielt, hat nun eine stark verbesserte Funding-Situation. Dafür gingen jahrelang die Liabilities durch die ­Decke. Wer jedoch schon länger eine hohe Interest Rate Hedge Ratio hatte, der hatte auch in den vergangenen Jahren des Niedrigzins­niveaus auf der Liability-Seite keine großen Zinsrückgangs-Schmerzen zu erleiden und damit letztlich keine wirklichen Probleme. Es geht also um eine kombinierte Betrachtung von Anlagen und Verpflichtungen.
Veroude: Grob gesagt ist das Funding Ratio bei unseren Kunden in den vergangenen zehn, 15 Jahren von etwa 85 Prozent jährlich um etwa einen Prozentpunkt gestiegen. ­Aktien liefen, Credit Spreads engten sich ein und es waren keine Ausfälle zu ­beklagen. 2022 ging die Ratio dann um zwei, drei ­Prozentpunkte auf knapp über 100 Prozent hoch. Das war insgesamt eine sehr lineare Bewegung und gut vorhersehbar. Das ist das Prinzip eines guten ALM.

Teil des ALM ist die Diskontierung der Liabilities auf Basis der AA-Corporate-Kurve. Wie kommt man zu dieser Kurve?

Postler: Das ist relativ komplex. Vereinfacht gesagt, basiert das Ganze in unserem Fall auf einem Basket aus über 300 Unter­nehmensanleihen mit AA-Rating aus der Eurozone. Da endet der liquide Punkt bei ­etwa 15 Jahren. Es gibt nur wenige länger laufende Corporates. Unsere Verpflichtungs­seite ist aber viel länger. Um die längeren Laufzeiten abzubilden, erfolgt eine Extrapolation über eine Euro-AA-Staatsanleihen-Kurve. Diese verlängert quasi die Zins­struktur der Corporates ans lange Ende.
Die modellierte Verlängerung hat interessante Effekte: So ist die Discount-Kurve ­beispielsweise derzeit nicht invers wie die Swap- oder Bund-Kurve. Das bedeutet aber auch – und das ist die Herausforderung für uns und unsere LDI-Manager – dass die Discount-Kurve per se nicht replizierbar ist. Würde man nur Corporates kaufen und ­wäre also vorrangig am kurzen ­Ende unterwegs, bekäme man nicht die nötige Rendite für die gesuchten Discount Rates und viel zu wenig Zinssensitivität. Würde man nur die liquiden Staatsanleihen kaufen, hätte man zwar auch sehr lange Laufzeiten, käme aber trotzdem nicht auf die nötige Discount Rate, weil der Spread fehlt.
Darum nutzen wir einen Mix aus diversen Instrumenten. Neben Corporates aus dem Euro-Raum und Staatsanleihen nutzen wir zins- und währungsgesichert Anleihen in Fremdwährungen, Pfandbriefe, SSAs (Sov­ereigns, Supranationals, Agencies) und ­Derivate, um über die Laufzeitenverteilung der Verpflichtungen einen möglichst guten Match auf der Kurve zu bekommen. Es geht nicht nur darum, einen gewissen Punkt auf der Duration zu treffen, sondern auch, die Kurve möglichst sauber abzubilden.
Veroude: Das sind auch die Herausforder­ungen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir wollen den Kunden helfen, der Discount Rate so nah wie möglich zu kommen. Was noch hinzu kommt: das Downgrade-Risiko. Gerade in Krisen können Unternehmen ihr AA-Rating verlieren und dieser Index verkauft alle Emissionen. Dadurch entstehen Transaktionskosten, die über zehn, 20 Jahre für weitere zehn bis 15 Basispunkte an Yield Differential sorgen. In der Praxis haben die meisten Investoren Probleme, an die Yield näher als 25 Basispunkte zu kommen. Auf 20 Jahre entsteht eine große Differenz.

Wie löst man dieses Problem?

Veroude: Eine mögliche Lösung ist nicht ­irgendeinen Benchmark zu haben, der schlussendlich nicht investierbar ist. Was eine Lösung sein könnte: Wenn man ein vernünftiges Matching-Portfolio gebaut und ein Accountant diesem seinen Stempel ­gegeben hat, dann sollte man die Discount Rate dieses Portfolios nutzen dürfen und dann den Barwert berechnen. Dann gäbe es per Definition kein Problem.
Das wäre für alle viel vernünftiger als die jetzige Situation, wo alle versuchen, durch ein ganz kleines Türchen bei den 15 Jahren zu gehen. Siehe Großbritannien: Da haben etwa 200 Pensionseinrichtungen versucht, ein ganz enges Türchen zu benutzen.

Inwiefern ist für die HVB-Einrichtungen auch Inflation ein Thema?

Postler: Definitiv ist Inflation gerade aktuell ein Thema. Viele Jahre haben wir eher über Deflationsrisiken gesprochen. Unser ­Aktuar berücksichtigt bei der Ermittlung der Höhe der Verpflichtungen verschiedene Parameter. Die wichtigsten sind Rechnungszins, Langlebigkeit und Inflation. Auch die Inflation hat eine hohe Sensitivität.
Der Aktuar arbeitet bei seiner Einschätzung der künftigen Rentenanpassungen auf ­Basis einer mittel- bis längerfristigen ­Annahme der Inflation. Dieser Wert wurde 2022 auf 2,25 Prozent angehoben. Die kurzfristigen Inflationserwartungen im Markt haben bei der Ermittlung des Barwerts der Verpflichtungen keinen Einfluss.
Anders sieht es mit der realisierten ­Inflation bei den laufenden Rentenzahlungen aus. Nach Betriebsrentengesetz werden regelmäßig Anpassungen mit Blick auf die deutsche realisierte Inflation vorgenommen. Da wir annehmen, dass die Inflation noch mindestens nächstes Jahr deutlich über 2,25 Prozent liegt, wird es hier zu Erhöhungen der Verpflichtungsseite kommen. Dies ­sollte uns aber nach unserer Hochrechnung wegen der guten Funding-Situation nicht allzu stark belasten. Zudem kann eine ­Berücksichtigung von Instrumenten in der Kapitalanlage, die eine gewisse Inflationsabsicherung bieten, förderlich sein. Man kann über die Asset-Seite dagegensteuern.

Wie kann man auf der Asset-Seite der Inflation beikommen?

Veroude: Je nach Region wird das Inflationsthema sehr unterschiedlich behandelt. In Großbritannien kommt das Inflationsrisiko zwar nach dem Zins aber noch vor dem der Langlebigkeit. Das Problem der Absicherung ist aber noch größer als bei der ­Diskontierung, da es noch weniger Material gibt. Inflationsanleihen gibt es eigentlich nur von Staaten und sind nicht besonders ­liquide, weil sie fast nur von ­Pensionskassen gekauft werden. In Großbritannien ist ­deren Nachfrage so groß, dass die Linker 100 Basispunkte weniger Rendite bringen.
Kritisch ist auch, dass es nur wenige große Emittenten unter den Staaten gibt. Darum halten niederländische Pensionskassen sehr viele französische Linker. Frankreichs Inflation ist aber nicht die der Niederlande.
Postler: Wenn man, gerade bei der jetzt noch vergleichsweise hohen Break-even-­Inflation, Linker als Hedge kauft, könnten sich diese möglicherweise als eine Quelle für unerwartete Volatilität entpuppen. Die Kurse dieser Anleihen können belastet werden, wenn die Inflationserwartung sinkt.

Ist im Hedge-Portfolio ein Buy and Maintain der Ansatz der Wahl?

Postler: Aus unserer Sicht ist eher Manager- und Strategie-Diversifikation der Ansatz der Wahl. Eine Buy-and-Maintain-Philosophie in der Anleihen-Selektion kann in einem langfristig orientierten LDI-Mandat eine Rolle spielen. Schließlich geht es dabei ­darum, einen großen Wert auf die Stabilität künftiger Cashflows und die Reduzierung von Ausfall- und Downgrade-Risiken zu ­legen. Wir entschieden uns jedoch bewusst für mehrere Manager und Ansätze. Darunter sind auch aktivere Portfolio- und Credit-Manager. Gemein haben diese Mandate ­alle, dass es maßgeschneiderte Lösungen für uns sind. Dieser Ansatz ermöglicht uns auch eine flexible taktische Anpassung im Rahmen der bestehenden SAA. Die Benchmark der Manager ist die Discount-Kurve. An dieser sind die Manager, im Rahmen des Möglichen, in der Regel eng dran. Freiheitsgrade bestehen eher bezüglich Segmenten, Sektoren oder Einzeltitel, wobei wir als Pensionsfonds einer Bank eine Obergrenze für Financials haben. Natürlich gibt es auch Ausschlusskriterien aus ESG-Vorgaben. Grundsätzlich haben die Manager genug Freiheiten für zielorientierte Umsetzungen.

Sind die Kosten bei aktiven Bond-Mandaten nicht schmerzhaft?

Postler: Der Markt ist sehr kompetitiv. Natür­lich kostet ein aktives Mandat trotzdem etwas mehr als ein passives. Aber die Vor­teile flexibler ­Anpassungsmöglichkeiten, auch Durationen und Segmente betreffend, überwiegen für uns. Jüngst erhöhten wir unser Corporate Bond Exposure und ein ­aktiver Manager kann eine solche Änderung in die Portfoliooptimierung ebenso einarbeiten wie beispielsweise unsere Wünsche und Vorgaben zum Thema Nachhaltigkeit.
Veroude: Unser Ziel bei einem aktiven Mandat ist, 100 Basispunkte oder mehr über der liquiden Benchmark zu erzielen. Die höheren Gebühren machen sich also wirklich bezahlt. Bei LDI oder Buy-and-Maintain-plus-Mandaten wollen wir 30 bis 50 Basispunkte über der customized Benchmark liegen.

Fahren Sie auch einen Eigenbestand?

Postler: In jedem unserer beiden Spezialfonds gibt es ein Mandat, welches wir ­insbesondere zur Liquiditätssteuerung, beispielsweise mit Blick auf Rentenzahlungen, sowie auch der taktischen Durationssteuer­ung nutzen. Es besteht aus Staatsanleihen, SSAs und Covered Bonds. Diese Portfolien nutzten wir aber auch in den vergangenen zwei Jahren, um eine ESG-Allokation aufzubauen. Wir haben uns bei Emissionen von Green und Social Bonds beteiligt und dafür weniger nachhaltige Anleihen reduziert.

Hat man als Bondholder vielleicht sogar mehr Macht als ein Aktionär, Unternehmen auf den Pfad der ESG-Tugend zu führen?

Veroude: Ein Bondholder hat mehr Macht. Insbesondere im privaten Bereich hat ein Kreditgeber sogar ganz viel Macht. Er entscheidet, ob ein Projekt finanziert wird oder nicht. Ohne Fremdkapital kein Leverage, keine PV-Parks, keine Energiewende.

Wie macht ein Bondholder ohne ­Stimmrechte Votings?

Postler: Bondholder haben über die Summe ihres Kapitals durchaus Einfluss. Gerade die großen Investoren können über ihre massiven Volumina Wirkung erzielen.
Wir selbst gehen auch bewusst in Green und Social Bonds. Über diese Anleihen kann man gut den Beitrag zu den SDGs ­bewerten. Es gibt auch interessante Emissionen wie die der Nederlandse Waterschapsbank, die mit einem Water Bond Deiche ­finanziert und explizit auf die SDGs sauberes Wasser und Leben im Wasser einzahlt.

Man kann aber davon ausgehen, dass etwas so Elementares wie der ­Küstenschutz so oder so finanziert wird. Die Zusätzlichkeit ist nicht gegeben.

Postler: Ich kann in diesem Fall aber schon auch gut nachvollziehen, was mit dem investierten Kapital passiert.
Veroude: Man muss auch sehen, dass sich der Emittent über das Greenium günstiger finanziert. Seine Kosten liegen für nachhaltige Projekte 15 Basispunkte niedriger. Und diese 15 Basispunkte können wieder für weitere nachhaltige Ziele eingesetzt werden.
Ein sehr interessantes Habitat für ESG-­Strategien ist Private Debt. Warum sollten Investoren nicht das gleiche Kreditrisiko im illiquiden Bereich nehmen und die Liquidität gegen eine Mehrrendite von 50 bis 100 Basispunkte eintauschen? Wenn das Port­folio auf die Verbindlichkeiten abgestimmt ist, muss man ja auch nicht mehr verkaufen können und die Extrarendite hilft, die ­bereits erwähnten Risiken abzudecken. ­Diese Extrarendite gibt einem Investor aber auch die Möglichkeit, gutes Verhalten mit einem ­Rabatt zu belohnen – ohne selbst ­etwas zu verlieren.

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