Pension Management
19. Februar 2024

Mühsames Andocken bei Sozialpartnermodellen

Die scheinbar spannendsten bAV-Entwicklungen vollziehen sich aktuell bei der reinen Beitragszusage. Nachdem die ersten beiden Sozialpartnermodelle aufgegleist sind, griff die IG-Metall-Basis in die Speichen – doch das Rad dreht sich weiter. Nun zog der Bankensektor nach. Es gibt aber auch gegenläufige Entwicklungen.

In der Praxis tun sich Tarifpartner mit der seit 2018 erlaubten ­reinen Beitragszusage im sogenannten Sozialpartnermodell (SPM) ­immer noch sehr schwer. So läuft zwar seit 1. Januar 2023 der Tarifvertrag für das Energie-SPM, vorgelegt von Verdi, IGBCE, dem Energieversorger Uniper, dem Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen AVEW sowie der Arbeitgebervereinigung Bayerischer Energieversorger AGV Bayern (siehe Ausgabe 11/2022). Doch auf große Teilnehmerzahlen können die Protagonisten noch nicht verweisen (siehe Ausgabe 4/2023).

Nach schwerer Geburt des bundesweit ersten SPM ist „das Kind mit ­einem Jahr nun aus dem Gröbsten raus“, urteilte Martin Eisele, ­Vizepräsident Pension Asset & Liability bei Uniper, kürzlich auf ­einer Handelsblatt-bAV-Fachtagung. Auf Arbeitnehmer-Wunsch hin habe Uniper es als offenes Modell konstruiert, AG-finanziert mit der Möglichkeit zu zusätzlicher Entgeltumwandlung. Bestands­mitarbeiter haben die einmalige Wahl zwischen dem alten System (IQ-Beitragsplan mit Garantie) und der reinen Beitragszusage (rBZ) per aktivem Opting-in. Neue Arbeitnehmer bekommen prinzipiell die rBZ, können aber binnen eines Monats in den alten ­Beitragsplan wechseln (aktives Opting-out). „Es gibt großes fachliches Interesse anderer Unternehmen am Uniper-SPM, aber ­wenig Initiative zur Installation eigener SPM. Interessant scheint eher eine Möglichkeit zum Andocken“, hat Eisele beobachtet.

Dies bestätigte Christian Remke, Vorstandssprecher des Metzler Sozialpartner Pensionsfonds. Er rechnet 2024 durch gesetzliche Neuerungen mit leichterem Andocken an bestehende Tarifverträge und mit leichterer Modellnutzung durch nichttarifgebundene ­Arbeitgeber. Zum Andocken beschrieb Remke auf der Fachtagung dieses Szenario: Der Arbeitgeber fällt in den Organisationsbereich einer Gewerkschaft, die bereits Vertragspartei eines oder mehrerer Tarifverträge zum SPM ist. Dann wählt der Arbeitgeber einen SPM-Tarifvertrag aus, die Gewerkschaft (und/oder Sozialpartnerbeirat) und Metzler entscheiden dann über die Aufnahme. Der ­Arbeitgeber vereinbart mit Betriebsrat/Arbeitnehmern die Einschlägigkeit des SPM-Tarifvertrages auf betrieblicher Ebene und schließlich zahlt der Arbeitgeber Beiträge, ohne sich an Durchführung und Steuerung zu beteiligen. Remke: „Der Sicherungsbeitrag muss immer gleich bleiben für alle, da der Puffer kollektiv gebildet wird.“

Seit November 2022 gilt der Flächentarifvertrag für das Chemie-SPM, organisiert über den Chemie-Pensionsfonds (siehe Ausgabe 10/22). Im Blickpunkt steht die Entgeltumwandlung, die mit ­Arbeitgeber-Beiträgen aufgestockt wird. Nutznießer sind ­zunächst ebenfalls neue Tarifbeschäftigte. Auch hier erlaubt die ­Konstruktion eine gewisse Öffnung. 2024 ist eine Ausweitung des SPM auf ­weitere BCE-Bereiche und Branchen geplant, zu denen Glas, ­Papier, Keramik und Bergbau zählen, so Elvira Wittke, Tarif­juristin der IGBCE, auf der Handelsblatt-Tagung. Bisher seien mehr als 50 Firmen im Boot. „Die Keramikbranche hat ihren ­Flächen-Tarifvertrag schon für das SPM geöffnet, die Glasindustrie gestaltet gerade ­ihren Tarifvertrag in dieser Richtung aus“, so Wittke. Die BGE Bundesgesellschaft für Endlagerung nutzt inzwischen das Chemie-SPM. Basis sei ein Haus-Tarifvertrag für 2.500 Mitarbeiter.

Das Problem der Einschlägigkeit von Tarifverträgen, muss jedoch noch gelöst werden, weiß Christian Remke. Der Knackpunkt: Laut Gesetz können nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeit­nehmer die Anwendung einer einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren (Paragraf 24 BetrAVG). „Einschlägig ist ein Tarifvertrag dann, wenn er auch für Nichttarifgebundene räumlich, zeitlich, fachlich und persönlich anwendbar wäre“, erklärt Klaus Stiefermann. „Diese eng gefasste Vorschrift hemmt die Verbreitung von Sozialpartnermodellen sehr stark“, so der Geschäftsführer der ­Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Beispiel: Angenommen, in Baden-Württemberg würde man ein SPM gegen den Beschluss des Gewerkschaftstages der IG Metall regional einrichten, dann könnten Metaller aus Nordrhein-Westfalen mangels räumlicher Geltung des Tarifvertrages daran nicht teilnehmen.

Aktuell wird diskutiert, ob man von der Einschlägigkeit in diesem engen tarifrechtlichen Sinn abgeht und das SPM grundsätzlich für all diejenigen zugänglich macht, die in den satzungsmäßigen Organisationsbereich eines der beteiligten Sozialpartner fallen. Das würde zum Beispiel beim Uniper-SPM, wo auch Verdi beteiligt ist, bedeuten: Vorausgesetzt, die am SPM beteiligten Sozialpartner würden eine Öffnung für Dritte zulassen, könnten potenzielle ­Verdi-Mitglieder dieses SPM nutzen, etwa aus den Bereichen ­Handel oder Pflege. Das ginge so lange, wie es nicht ein SPM für deren einschlägigen Tarifbereich gibt. „Würde Verdi also für den Bereich Pflege ein eigenes Modell schaffen, käme von dort niemand mehr in das Uniper-SPM hinein, selbst wenn die Beteiligten das Uniper-SPM für Dritte geöffnet hätten“, so Stiefermann.

Inzwischen gibt es auch ein SPM für Privatbanken und Finanzdienstleister. Seit 1. Dezember 2023 läuft der entsprechende ­Tarifvertrag, vereinbart vom Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes, Verdi und dem Deutschen Bankangestellten-Verband – Gewerkschaft der Finanzdienstleister. Für die organisatorische ­Abwicklung ist der BVV Pensionsfonds des Bankgewerbes exklusiv zuständig. Er bietet das Produkt in zwei Varianten an: einer ­chancen- und einer sicherheitsorientierten. In letzterer Variante werden Rückdeckungsversicherungen des BVV Versicherungs­vereins (Pensionskasse) als Kapitalanlage genutzt, in der chancen­orientierten renditestarke Asset-Klassen, wie Aktien, Private Equity und Infrastruktur.

Wer wird das nächste SPM an den Start bringen? Das Projekt des Versicherers Talanx und von Verdi schien zunächst am weitesten zu sein. Die Protagonisten hatten bereits den 1. Juli 2021 als Starttermin für ein SPM mit Haustarifvertrag für rund 11.000 Talanx-­Beschäftigte genannt (siehe Ausgabe 6/2021). Doch die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bafin ist bis heute nicht erteilt. Noch immer scheinen Differenzen zur Einräumung von Sonderkondi­tionen für Gewerkschaftsmitglieder und von bestandswirksamen Änderungen des Pensionsplans bei Änderungen des Tarifvertrages zu bestehen. Letzteres erlaubt die Bafin nicht. Auf Nachfrage bei Talanx hieß es nun, dass man die im „Fachdialog Betriebsrente“ avisierten Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für das SPM abwarten wolle, um sie im weiteren Vorgehen bezüglich des Haustarifvertrages berücksichtigen zu können.

Wie die Handelsblatt-Fachkonferenz zeigte, gibt es in ­Einrichtungen der bAV auch alternative Ansätze für zeitgemäße Betriebsrenten. So geht man bei der tariflichen Altersversorgung im Chemie­unternehmen Covestro de facto auf eine Art wertpapiergebundene Versorgungszusage. Der Chemie-Tarifvertag „Einmalzahlungen & Altersvorsorge“ erlaubt seit November 2022 neben dem SPM auch eine unveränderte Regelung mit Arbeitgeberhaftung, erinnerte Marcus Müller, innerhalb von Human Resources verantwortlich für die betriebliche Altersversorgung bei Covestro. Bereits 2021 sei ein Pensionsplan über eine Direktzusage eingeführt worden – weg von der Rente hin zur Kapital-/Ratenzahlung (15 Raten) mit einem Kapitalkontenplan im Lebenszyklusmodell, 100 Prozent aus­finanziert (CTA) über eigene Spezialfonds. Seit 1. Januar 2024 ­können auch tariflich bezahlte Mitarbeiter die Konditionen dieses Pensionsplans nutzen, der für Außertarifliche bereits 2023 startete. Die personalpolitischen Ziele seien erreicht: „Wir bieten die ­gleichen Leistungen in allen bAV-Programmen und haben zugleich die Abkehr von Rentenzusagen in allen bAV-Modellen vollendet“, erläutert Marcus Müller.

Gleichwohl präferiert die Politik das SPM als zukunftsträchtigen Weg zeitgemäßer bAV. „Wir halten am Ziel fest, das SPM für ­möglichst viele Unternehmen und Beschäftigte nutzbar zu ­machen“, sagte BMAS-Staatssekretär Rolf Schmachtenberg auf der bAV-Handelsblatt-Tagung in Berlin. Er spielte damit auch auf den Beschluss des IG-Metall-Gewerkschaftstages an, der gegen die Ein­führung eines SPM entschieden hatte. „Hauptbeweggrund scheint die Ablehnung des Prinzips der rBZ gewesen zu sein“, meinte Schmachtenberg. Dies sei bedauerlich. Er selbst sieht sachlich ­keine echte Alternative zum SPM und ist von der Qualität dieses Modells weiterhin überzeugt.

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