Mit Stadtwerken in die Glasfaser-Werkstatt
Kommunen suchen Kapital, um dringende Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, und Altersvorsorgeeinrichtungen suchen Investitionsmöglichkeiten. Am Beispiel von Glasfaser diskutieren Stadtwerke und Investoren, wie solche Public Private Partnerships funktionieren können. Über Motive und Erfahrungen sprechen Sven Gaukel von der EZVK, Dieter Schorr von ZF, Daniel Wolter von den Stadtwerken Garbsen, Michael Böddeker von den Stadtwerken Neumünster und Timo Poppe von Palladio Partners mit Patrick Eisele.
Herr Gaukel, wo steht die EZVK beim Thema Infrastruktur und speziell bei Glasfaser?
Sven Gaukel: Von unserem gesamten Vermögen von ungefähr 13 Milliarden Euro entfallen auf die alternativen Assets vier Milliarden Euro. Davon wiederum entfallen rund drei Milliarden auf Immobilien und eine Milliarde auf Infrastruktur zusammen mit Private Equity. Als ich vor sechs Jahren zur Evangelischen Zusatzversorgungskasse kam, bestand das Infrastruktur-Portfolio aus zwei Club Deals sowie einem Mehranlegerfonds. Das Ziel musste darum sein, die Diversifikation zu erhöhen.
Wir arbeiteten mit Palladio Partners zusammen am Ausbau des Portfolios und haben mittlerweile mehr als zehn Zielfonds gezeichnet, die vor allem in Europa und Nordamerika unterwegs sind. Dabei sind wir auch in Glasfaser, speziell auch hier in Deutschland, investiert.
Und ZF, Herr Schorr?
Dieter Schorr: Wir sind ebenfalls Investor in diesem Glasfaserfonds. Neben Palladio Partners haben wir aber noch zwei weitere Anbieter. Aus Gründen der Diversifikation haben wir drei Häuser gewählt, die bezüglich Laufzeiten, Größen, Geografie oder Sektoren aber auch Risikoprofilen verschieden unterwegs sind. So kommen wir insgesamt auf eine globale Abdeckung. Gerade in diesem Jahr hätte ich bei illiquiden Assets aber gerne noch mehr Volumen und Diversifikation. Begonnen haben wir mit Infrastruktur im Jahr 2015. Heute hat Infrastruktur-Equity Immobilien als unsere bislang größte alternative Asset-Klasse abgelöst.
In welchen Infrastruktur-Sektoren sind die Pensionsgelder investiert?
Schorr: Dominierend ist die Verkehrsinfrastruktur. In diesem Segment sind es vielleicht nicht die meisten Projekte, aber die größten. Infrastrukturprojekte aus der digitalen Welt sind dagegen eher kleinteilig.
Auf ein großes Einzelvolumen kommt beispielsweise ein Flughafen. An diesem hatten wir in der Pandemie keine große Freude. Deshalb ist es wichtig, dass wir insgesamt auf knapp 40 Projekte kommen.
Ist Diversifikation bei Infrastruktur besonders wichtig?
Gaukel: Die Laufzeiten betragen bei Infrastruktur 15 Jahre und mehr. Wir glauben, dass ein gut gestreutes Portfolio über einen solch langen Zeitraum viel tragfähiger und stabiler ist. Wir sehen in der Diversifikation sehr viel Potenzial.
Der regulierte Bereich funktioniert immer noch gut. Generell müssen beispielsweise die Netze, allen voran das Stromnetz, weiter ausgebaut werden. Das Ganze kostet Milliarden. Wir müssen aber – obwohl wir eine wachsende Kasse sind – Klumpenrisiken vermeiden. Dies spricht ebenfalls für mehr Diversifikation.
Wie unterscheiden sich die einzelnen Infrastruktur-Segmente?
Schorr: Ein wesentlicher Unterscheidungsfaktor ist die Regulierung. Ob ein Asset reguliert ist oder nicht, beeinflusst dann auch Renditen und Laufzeiten. Wir haben Infrastrukturfonds mit einer Duration von bis zu 25 Jahren. Das passt zu unseren Pensionsverbindlichkeiten, die auf etwa 20 bis 22 Jahre kommen. Die Laufzeiten unserer Value-add-Fonds kommen hingegen eher auf acht bis zehn Jahre.
Von der Regulierung hängen auch unsere IRR-Anforderungen ab. Die fangen im regulierten Bereich bei fünf Prozent an, wie beispielsweise Glasfaserprojekte in Deutschland, und gehen bis zu 15 Prozent bei Value-add. Diese große Spanne zeigt die Diversifikationsmöglichkeiten und die Granularität innerhalb der Asset-Klasse Infrastruktur.
Aufpassen muss man aber mit Blick auf die mittlerweile stark gestiegene Anbieterzahl, dass man bei den Renditeanforderungen nicht zu niedrig geht. Schließlich bestehen die Risiken nach wie vor fort.
Was macht aus Ihrer Sicht digitale Infrastruktur besonders?
Gaukel: Für uns als regulierter Anleger ist die Abgrenzung nicht ganz einfach. Ist zum Beispiel ein Rechenzentrum nun Infrastruktur, eine Immobilie oder doch Private Equity? Die Funktürme könnte man auch über Reits abbilden, und dann wäre die Aktienkategorie ebenfalls eine Option.
Zudem sind Glasfaser, Funktürme und Rechenzentren noch relativ junge Themen, bei denen man auch heute viel mehr Nutzungsmöglichkeiten als früher sieht. Weiter braucht digitale Infrastruktur zu Beginn viel Geld und hat beispielsweise im Vergleich zu einem Wasserkraftwerk eher kurze Zyklen. Diesen Charakteristika muss man Rechnung tragen.
Was ist für die Stadtwerke Garbsen und Neumünster an Glasfaser spannend?
Daniel Wolter: Garbsen ist mit knapp 70.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt der Region Hannover. Für uns ist Standortattraktivität von großer Bedeutung – und damit auch Glasfaser. Jüngere Leute zieht es häufig in größere Metropolen, Unternehmen achten bei einer Standortwahl sehr genau auf die Infrastruktur. Und bei der Infrastruktur wird als erstes nach Glasfaser gefragt.
Glasfaser sind für Garbsen also sehr wichtig. Aktuell sind erst zwei Prozent der Gebäude in Garbsen mit Glasfaser direkt erschlossen.
Michael Böddeker: Die Stadtwerke Neumünster betreiben das Glasfasergeschäft bereits seit etwa zehn Jahren und versorgen rund 270 Gemeinden in Schleswig-Holstein. Dieses Geschäft nahmen wir bislang im Wesentlichen auf die eigene Bilanz.
Wie konnten die Stadtwerke die Bürger in Neumünster für einen Glasfaseranschluss begeistern?
Böddeker: Unser Angebot ist preislich wettbewerbsfähig. Ein Wettbewerbsvorteil ist sicherlich auch das Vertrauen gegenüber dem Stadtwerk, das sich über Jahrzehnte in der Neumünsteraner Bürgerschaft aufgebaut hat.
Außerdem ist unseren Kommunen klar, dass Glasfaser bezüglich Ansiedlungen ein Vorteil sind. Besonders hoch war die Nachfrage nach Glasfaser in der Pandemie.
Glasfaser erfordern aber Investitionen. Wie ist es denn um die Finanzierungsmöglichkeiten der Kommunen bestellt?
Timo Poppe: Kommunen stehen vor immensen Investitionsaufgaben – und zwar nicht nur für Glasfaser. Das Strom-Verteilnetz braucht zum Beispiel Erweiterungsinvestitionen, da dieses nicht auf immer mehr Dach-PV ausgelegt ist. Auch die Mobilitätswende erfordert mehr Strom und damit höhere Netzkapazitäten. Noch höher ist der Finanzierungsaufwand für die Wärmewende, wenn wir auf russisches Erdgas verzichten wollen. Dringend zu erneuern ist auch die Infrastruktur, die wir für Wasser und Abwasser benötigen.
Das muss alles bezahlt werden. Offensichtlich ist jedoch, dass das Equity der kommunalen Unternehmen dafür nicht ausreicht. Darum erwarte ich, dass wir in Deutschland andere Finanzierungsformen sehen werden. Es wird darum gehen, privates Kapital deutscher Altersversorgungseinrichtungen mit kommunalem Vermögen zu kombinieren.
Neu sind Public Private Partnerships nicht und die Erfahrungen waren nicht immer positiv.
Poppe: Gerade in den 90er-Jahren lief in Deutschland einiges schief. Darum ist es elementar, dass sich beide Seiten wohlfühlen. Es gilt deshalb gerade für die Kommunen Modelle zu finden, mit denen diese vertraut sind. Statt einer komplexen Limited-Struktur auf den Bahamas ist eine deutsche GmbH zu bevorzugen.
Für entsprechende Modelle haben wir Ende 2020 die Palladio Kommunal GmbH gegründet. Die Entwicklungen und Trends, die wir damals erwarteten, haben sich nun bestätigt.
Wie funktioniert denn der Glasfaser-Fonds?
Poppe: Bei diesem Fonds finanzieren vereinfacht gesagt Palladio Partners und eine Kommune gemeinsam ein Glasfasernetz, wobei die Kommune mit 51 Prozent die Mehrheit behält. Fertiggestellt, werden die Glasfaser zum Beispiel an die Deutsche Telekom verpachtet.
Bis vor drei, vier Jahren war die Strategie der Telekom eher, das finanziell goldene Ende ihrer Kupfer-Infrastruktur abzuschöpfen. Nun steht das Unternehmen Kooperationen mit Kommunen und uns sehr offen gegenüber. Ohne Kooperationen wäre auch für eine Deutsche Telekom ein zügiger Ausbau über ganz Deutschland schwierig zu stemmen.
Wie viel Geld wird für Glasfaser in Deutschland wie lange benötigt?
Poppe: Vor etwa zwei Jahren haben Studien einen Bedarf von ungefähr 100 Milliarden Euro an Eigenkapital ermittelt. Ich gehe davon aus, dass der Glasfaserausbau um das Jahr 2028 herum abgeschlossen sein wird. Es gibt verschiedene in- und ausländische Kapitalgeber, die für den Ausbau bereitstehen. Knackpunkt sind eher die Baukapazitäten.
Viele Bürger haben auch einen Anlagenotstand. Könnten diese nicht auch Finanzierungspartner sein?
Böddeker: Aus Sicht der SWN Stadtwerke Neumünster stellt eine Finanzierung über Bürgerinvestitionen keine Alternative dar, da ein solches Vorhaben zu viel Zeit und Administration erfordert. Vielmehr sind die jeweiligen politischen Gremien gefragt. Zielführend ist es hierbei, eine saubere Struktur mit klarer Aufgabenverteilung zu entwickeln und diese dann in der Aufsichtsrats- oder Gemeinderatssitzung vorzustellen.
Gaukel: Einzelne Bürger können die Risiken oftmals weniger gut einschätzen und weniger gut diversifizieren. Auch kostet die Verwaltung von kleineren Beträgen viel Geld. Große Kapitalsammelstellen sind eher geeignet.
Poppe: Über die treuhänderischen Kapitalsammelstellen ist Max Müller indirekt beteiligt. Das kann dann ja auch Geld aus der Region sein. Direkt Bürger einzubinden ist utopisch.
Und wie geeignet sind Glasfaser-Finanzierungen für Institutionelle? Welche Risiken sind zu nehmen? Was ist eine Glasfaser in fünf oder in 20 Jahren wert?
Poppe: Zunächst einmal ist Glasfaser ein sehr nachhaltiges Thema und zahlt auf viele der 17 SDGs ein. Auch verbrauchen Glasfaser deutlich weniger Strom als Kupferkabel. Was Glasfaser in fünf oder in 20 Jahren wert sind, weiß ich nicht. Aber wenn man nun auf unsere Kinder schaut, und egal ob sich autonomes Fahren oder Virtual Reality durchsetzt: Definitiv werden Daten einen Wert haben und Glasfaser werden die Datenautobahn sein.
Ich sehe das ein wenig wie den Strompreis. Wir haben in der Vergangenheit schlauen Leuten viel Geld bezahlt, um den Strompreis von heute zu erfahren. Strom kostet heute deutlich mehr als jede Prognose ermittelte. So ähnlich erwarte ich es für Glasfaser auch. Ohne Glasfaser wird es nicht funktionieren.
Die Verlegung von Glasfaser ist eine bewährte Technik. Allerdings sehen wir hier in Teilen Kostensteigerungen. Andererseits sind Glasfaser auch ein natürlicher Hedge, weil die erzielbare Pacht auch auf den Preisen basiert, die der Pächter aufruft. Hauptpächter in Garbsen ist beispielsweise die Deutsche Telekom.
Ich kann nicht ausschließen, dass es einmal eine alternative Technologie gibt. Relativ sicher bin ich mir aber, dass dies nicht in den nächsten 20, 25 Jahren sein wird. Diese müsste ja auch schneller sein als Licht und da ist mir nicht viel bekannt.
Was ist mit Funkmasten als Alternative zu Kabeln?
Wolter: Die Glasfaser wird in der Breite heute im Wesentlichen für die (IP-)Telefonie, das Internet sowie (IP-)TV eingesetzt. Uns fehlt derzeit noch die Fantasie, wofür die Glasfaser darüber hinaus noch verwendet werden kann. Ich bin davon überzeugt, dass sich noch viele weitere Produkte und Dienstleistungen entwickeln werden, von denen wir heute noch keine Vorstellung haben.
Alles wird nicht über Funk realisierbar sein. Die Voraussetzung für Funk wird die Fähigkeit zur Übertragung großer Datenmengen sein, was eine deutliche Erhöhung der Anzahl der Funkmaste erforderlich macht, die mit Glasfaser angebunden sind. So oder so wird die Glasfaser gebraucht. Funk funktioniert nur, wenn es eine Glasfaseranbindung gibt.
Hier mögen wir noch über 5G sprechen. In China gibt es aber bereits erste Umsetzungen für 6G. Dafür braucht es die nötige Infrastruktur.
Schorr: Neue Technologien sollte man nicht unterschätzen, nur weil man vielleicht bei Beginn der Investition noch keine überlegene Technologie sieht. Auch die Glasfaser sieht heute konkurrenzlos aus. Aber wenn man für die anfängliche Investition mit Rückflüssen über 20 Jahren kalkulieren muss, könnten während der sehr langen Laufzeit neue Technologien aufkommen und sich eventuell als Konkurrenz etablieren.
Außerdem sehe ich noch eine weitere Gefahr: Je cooler, im Sinne von überzeugender, die Story – und Glasfaser ist sehr cool – desto höher ist das Risiko, dass zu viel Geld in die Technologie fließt, und die Yields zusammenschmelzen. Wir brauchen allerdings für unsere Rentner eine attraktive Risikoprämie.
Für Kapitalnehmer ist es hingegen natürlich legitim den günstigsten Investor zu wählen. Das könnten dann auch Fonds der Marktführer mit sehr hohen Kapitalzusagen sein.
Böddeker: Uns geht es nicht darum, den billigsten Kapitalgeber zu bekommen, sondern es geht aus meiner Sicht um eine langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit! Ansonsten kann es relativ schnell zu Problemen kommen.
Zum technologischen Aspekt: Irgendwann muss man sich für eine bestimmte Technologie entscheiden, bei der nicht klar ist, ob diese in 20 Jahren noch führend ist. Aber wir werden mit Glasfaser etwas haben, was langfristig am Markt sein wird. Aus Sicht der Stadtwerke Neumünster sind Glasfaser kein Risiko. Glasfaser werden mindestens noch 30 Jahre lang funktionieren und am Markt sein.
Wovon hängen die Rückflüsse ab und wann kommen diese?
Poppe: Wir haben zum Beispiel ein Projekt im Landkreis Diepholz. Der Erfolg dieses Projekts hängt stark von den Baukosten ab und wie viel der angeschlossenen Haushalte dann in welchem Zeitraum auf Glasfaser umsteigen. In manchen Gebieten geht das schnell, in anderen ist es zäh. Aber wer von der Generation Y jetzt eine Wohnung nimmt, entscheidet sich nicht für VDSL, sondern für Glasfaser. Im europäischen Ausland sind die Glasfaserquoten auch viel höher, was uns weiter optimistisch stimmt.
Bezüglich der Rückflüsse: Wir bauen Teilabschnitte, nehmen uns also Straße für Straße vor. Das dauert jeweils grob drei Monate und ab dann ist mit den ersten Buchungen und Zahlungen zu rechnen. Diese Gelder reinvestieren wir aber in den Bau der nächsten Abschnitte.
Wolter: In Garbsen schließen wir 90 Prozent aller Haushalte an und planen dafür insgesamt mit sechs Jahren.
Böddeker: Die Vermarktungsphase beläuft sich auf vier oder auch fünf Monate. Für den Bau braucht es, wenn Kapazitäten gegeben und Genehmigungen vorliegen, weitere zwölf Monate. Dann gibt es Rückflüsse.
Wie dauerhaft könnten die
Finanzierungspartnerschaften von institutionellen Anlegern mit Kommunen sein? Was kommt nach 2028?
Poppe: Am Ende dieses Jahrzehnts werden andere Infrastrukturthemen dominieren. Zum Beispiel die Erneuerung der Abwasser-Infrastruktur – und hier liegt der Wiederbeschaffungswert bei 600 Milliarden Euro. Auch die Wärmewende wird ein immer größeres Thema. Aber hier habe ich keine Zahl. Anzunehmen ist aber, dass diese noch höher liegt.
Wolter: Wir werden umfangreich in Infrastrukturen investieren müssen. Eine der größten Herausforderungen wird die Wärmewende. Wir müssen zunächst einmal die Investitionen in die Gasinfrastruktur hinterfragen. Dann machen mir die benötigten Ressourcen an Handwerkern und Tiefbauern aber auch an finanziellen Mitteln Sorge.
Zu beachten ist, dass die große Herausforderung der Wärmewende im Bestand liegt. Denn es gilt nicht nur, Bestandsbauten zu isolieren. Viel mehr stehen uns Kernsanierungen bevor: Denn Fußbodenheizungen werden ja nicht nur wegen des Komforts eingebaut, sondern weil wir wegen der geringeren Temperaturen der Wärmepumpen und anderer innovativer Wärmenetze aus Erneuerbaren Energien eine größere Heizfläche brauchen. Wie sollen wir das finanziell allein bewältigen?
Dafür braucht es Partnerschaften?
Wolter: Eine Glasfaser-Infrastruktur hätten wir im Zweifel noch alleine stemmen können. Jetzt verproben wir diese Partnerschaft mit Finanzinvestoren bei der Glasfaser-Infrastruktur. Wir wollen nicht nur Glasfaser abhaken, sondern in live die Zusammenarbeit mit Blick auf die Herausforderungen mit weiteren dringenden Infrastrukturprojekten erfahren.
Böddeker: Die Wahrnehmung eines Stadtwerks mag nicht besonders sexy sein. Das Selbstverständnis sollte doch aber sein, dass man ein Dienstleister ist, der einer Region Lebensqualität beschert. Dann stellt man aber auch schnell fest, dass man auf vielen Feldern – Glasfaser-Bau, Wasser- und Stromnetze erweitern, Wärmewende gestalten – anders als früher nicht mehr alles selbst machen muss. Die Kunst ist, sich mit kompetenten Partnern zu verbünden und mit Palladio arbeiten wir für die Finanzierung gern zusammen.
Herr Schorr, ZF gehört einer Stiftung, die die Stadt Friedrichshafen verwaltet. Kommunale Denkmuster sind Ihnen also vielleicht nicht ganz fremd. Ist Ihnen darum dieses Modell zugänglicher?
Schorr: Ich habe sogar einmal bei einem Energieversorger gearbeitet. Also sind uns solche Institutionen nicht unbekannt. Aber unsere Investitionsentscheidungen sind nicht durch unsere Eignerstruktur geprägt, sondern durch Risiko- und Ertragsschätzungen, die wir so diversifizieren wollen, dass wir auf einen auskömmlichen Zielertrag kommen.
Wenn Sie aber diese Welten kennen: Wo sehen Sie Unterschiede?
Schorr: Nach meiner Erfahrung treffen Kommunen oder Stadtwerke vielleicht nicht immer Entscheidungen mit höchster Geschwindigkeit. Das trifft aber ehrlicherweise auch auf uns zu. Und das muss gar nicht schlecht sein. Wichtiger ist die Konsequenz, mit der Entscheidungen durchgeführt werden.
Poppe: Die Kulturen von Altersvorsorgeeinrichtungen und Kommunalwirtschaft passen sehr gut zusammen. Davon sind wir auch in unserer Initiative deutsche Infrastruktur überzeugt.
Beide mögen nicht die schnellsten sein. Beide sind aber sehr verlässlich und solide. Das ist für eine langfristige Partnerschaft sehr relevant.
Böddeker: Unterschätzen Sie bitte nicht die Geschwindigkeit, mit der die Stadtwerke Neumünster Entscheidungen treffen. Bei wichtigen Dingen tauschen wir uns auch noch am späten Abend aus. Wir haben mit Nonoxx, unserer Komplettlösung zum Thema E-Mobilität, innerhalb von eineinhalb Jahren ein Geschäftsfeld aus dem Nichts heraus aufgebaut.
Ich setze gerne auf junge Leute und Leute, die nicht gelernte Stadtwerker sind. Verstaubt ist eigentlich nur noch das Image von Stadtwerken.
Wolter: Das Image von Stadtwerken spiegelt nicht mehr unbedingt die Realität wider. Nichtsdestotrotz müssen wir dazulernen und wir müssen dafür neue Netzwerke bilden.
Dieses Joint Venture mit Palladio Partners bedeutet uns auch mehr, als nur einen reinen Kapitalgeber an Bord geholt zu haben. Der Beginn lief gut und ich sehe für die Zukunft noch viele weitere Möglichkeiten für eine solche Zusammenarbeit.
Im Fibre-Fieber
Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hängt auch an der Digitalisierung. Doch was schnelle digitale Leitungen betrifft, hinkt die Bundesrepublik hinterher. Laut Statista lag vor einem Jahr der Anteil von Glasfaseranschlüssen an allen stationären Breitbandanschlüssen in den OECD-Ländern im Schnitt bei 32,1 Prozent. Deutschland kommt auf lediglich 6,4 Prozent und rangiert damit auf Platz 34. Führend ist in dieser Statistik mit knapp 86 Prozent Südkorea vor Japan. Danach folgen die europäischen Staaten Litauen, Spanien und Schweden mit etwa 77 bis 76 Prozent. Dabei bezieht sich Glasfaser auf FTTH (Fibre-to-the-Home) und FTTB (Fibre-to-the-Building).
Positiv betrachtet: In Deutschland besteht viel Potenzial für Investoren, die sich für die Verbesserung der digitalen Infrastruktur finanziell engagieren möchten. Für eine gewisse Rückendeckung sorgt auch der Bund mit seiner im März vorgestellten Gigabitstrategie. Ziel der Bundesregierung ist, bis Ende 2025 die Glasfaseranschlüsse zu verdreifachen und bis zum Jahr 2030 sollen Glasfaser und die neuesten Mobilfunkstandards bis in jedes Haus gehen. Mindestens die Hälfte der Haushalte und Unternehmen sollen mit Glasfaserleitung bis in das Gebäude / Haus versorgt sein. Zur Zielerreichung tragen neben den von der Palladio Kommunal GmbH initiierten Partnerschaften noch weitere verschiedene Kooperationen von Infrastrukturunternehmen und Finanzinvestoren bei. So co-investiert die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe gemeinsam mit dem kanadischen Pensionsfonds Omers und EQT in das Unternehmen Deutsche Glasfaser. Allianz und Telefónica gründeten 2020 ein Joint Venture zur Glasfaser-Verlegung.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Glasfaser | Infrastruktur
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