Mit gutem Gewissen in Schwellenländer investieren
Emerging Markets und Nachhaltigkeit sind zwei Themen, die nicht unbedingt intuitiv miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Eine Zusatzversorgungskasse und eine Ruhegehaltskasse berichten aus der Praxis, wie beide Seiten zueinander finden.
Bereits 1998 investierte die KZVK erstmals in Wertpapiere der Emerging Markets. 2017 waren es bereits knapp 17 Prozent in Form von 700 Millionen Euro in Aktien und 1,3 Milliarden Euro in Anleihen. Wolfram Gerdes: „Das ist ein größerer Anteil als bei anderen Investoren, aber weniger als es der Weltwirtschaft entspricht.“ Auch wenn 2017 die Quote im Nachhinein gern hätte kleiner gewesen sein dürfen, hat sich die EM-Allokation sehr gut entwickelt: „Seit 2001 war die in den Schwellenländern erzielte Rendite im Schnitt doppelt so groß wie die Rendite in den entwickelten Ländern.“
Als kirchlicher Anleger orientiert sich die Zusatzversorgungskasse an dem vom Arbeitskreis kirchliche Investments (AKI) veröffentlichten Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche. „Der Leitfaden stellt Nachhaltigkeit bewusst in die Mitte des Anlagedreiecks, nicht übergeordnet“, so Gerdes, der hinzufügte, dass mindestens 90 Prozent der elf Milliarden Euro an Assets der Zusatzversorgungskasse dem Leitfaden entsprechen.
In der Praxis werden zum Beispiel Investments in Staatsanleihen durch den Leitfaden sehr erschwert, da dieser Ausschlüsse für die Todesstrafe praktizierende Staaten vorsieht. „Da die Todesstrafe weit verbreitet ist, bleibt fast nur noch Europa“, sagte Gerdes. Für Unternehmen bleiben die Investitionsmöglichkeiten dagegen nahezu komplett erhalten. „2017 waren 24 der 823 im MSCI EM Index enthaltenen Unternehmen mit dem EKD-Leitfaden nicht konform“, so Gerdes. Als Teilerklärung für diese geringe Anzahl führt Gerdes an, dass Unternehmen, die in für kirchliche Anleger problematischen Geschäftsfeldern operieren, wie beispielsweise Rüstung oder Gentechnik, eher in den entwickelten Märkten ansässig sind.
Für zukunftsträchtiger als Ausschlüsse hält Gerdes, auch wenn dann die Komplexität steigt, Best-Practice-Ansätze. „Viele nachhaltige Themen wie Korruption, Klimaschutz oder Unfreiheiten sind eben nicht schwarz oder weiß, sondern grau“. Spätestens hier wird klar: Für nachhaltige Investoren ist Transparenz eine entscheidende Größe. „Ansonsten lässt es sich nicht überprüfen, wo man beim Thema Nachhaltigkeit steht“, erläuterte der KZVK-Vorstand. „Mit wachsender Industrie wächst die Durchschau und es werden mehr Verstöße sichtbar.“ Die Zusatzversorgungskasse überwacht und bewertet mittels eines ESG-Ratings von MSCI die Nachhaltigkeit aller Fonds, auch die der EM-Manager, hinterfragt kritische Portfoliowerte in den Anlageausschüssen und geht in den Dialog mit den Verwaltern, um
Der vom Anleger zu leistende Ressourceneinsatz ist in den Schwellenländern höher. Der Grund liegt auf der Hand: Unternehmen der Emerging Markets werden typischerweise als Nachzügler in Sachen Nachhaltigkeit wahrgenommen. Generell sei das ESG-Interesse dieser Unternehmen schwächer als das von Unternehmen in Europa oder den USA, notiert Hermes Investment Management. Der Asset Manager der Pensionsgelder der British Telecom, bei dem im April Federated Investors zum Mehrheitseigner aufstieg, verweist zur Begründung auf Statistiken der Weltbank, die den Emerging im Vergleich mit den Developed Markets Schwächen bezüglich Rechtssicherheit, Regulatorik und Korruption attestieren.
Dass die Schwellenländer bezüglich Nachhaltigkeit noch Aufholpotential haben, ergab dieses Jahr auch eine Umfrage unter Analysten von Fidelity bezüglich der ESG-Fortschritte der von den Branchenexperten gecoverten Unternehmen. Aus der Umfrage geht hervor, dass der Prozentsatz der Analysten, bei denen ein Großteil der Unternehmen seine ESG-Anstrengungen intensiviert hat, von 13 Prozent auf 30 Prozent hochgeschnellt ist. Die Zahl der Unternehmen, die sich ernsthaft mit ESG befassen, ist also im Wachsen begriffen. Hierzu tragen aber eher Unternehmen aus den entwickelten Märkten bei. Im asiatischen Raum entwickelt sich offenbar viel in Japan.
Martin Dropkin, Leiter des Anleihe-Research bei Fidelity International: „Im asiatischen Raum geht Japan mit gutem Beispiel voran. Die positiven Einschätzungen unserer Analysten zeigen, dass die von Premierminister Abe angestoßene Reform der Unternehmensführung erste Früchte trägt.“ Auch im asiatisch-pazifischen Raum ohne Japan sowie in Europa und den USA seien große Fortschritte in Sachen ESG zu verzeichnen. China, die EMEA-Region und Lateinamerika hinken jedoch hinterher. Faktisch sind in diesen drei letztgenannten Schwellenländer-Regionen sogar Rückschritte zu verzeichnen. ESG-Fortschritte bei Unternehmen aus der EMEA-Ländern und Lateinamerika sehen nur 46 Prozent der Analysten. Im Vorjahr waren es noch 55 Prozent. In China waren es 33 Prozent in diesem Jahr und 35 Prozent im vergangenen Jahr.
Aus den Defiziten der Schwellenländer leiten sich zwei Fragen ab: Wie lässt sich mit aktivem Management ein nachhaltigeres Portfolio als per Indexinvestment erstellen? Und: Welche Kriterien sollten bei Anlageentscheidungen angelegt werden, um guten Gewissens in den Emerging Markets zu investieren? Erschwert wird die Beantwortung letzterer Frage dadurch, dass die Probleme der Menschen vor Ort sich in den entwickelten und in den Schwellenländern unterscheiden. „Dies war der Anlass für unsere Studie zu ethisch-nachhaltigen Geldanlagen in Emerging Markets“, sagt Klaus Bernshausen, Vorstand der Evangelischen Ruhegehaltskasse in Darmstadt, ERK. „Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass sich die Probleme der Menschen vor Ort auch innerhalb der Emerging Markets in manchen Punkten unterscheiden und somit in den nachhaltigen Investmentansätzen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden müssen.“
Spezifische Emerging-Markets-Kriterien gefragt
Zu den weiteren Hauptergebnissen der umfangreichen Studie zählen, dass – Stichwort Transparenz – eine hohe Abhängigkeit von Informationen vor Ort besteht und Mikrofinanz kritisch zu betrachten ist. Zwar birgt Mikrofinanz Erfolgsstorys. Die Diskursanalyse hält jedoch fest, dass kommerzielle Mikrofinanz vor allem dann auszuschließen ist, wenn es sich überwiegend um Konsumkredite handelt, wenn die Zinsraten im Verhältnis zur Inflationsrate (zu) hoch sind, wenn keine ausreichende Überprüfung der Kreditfähigkeit stattfindet oder wenn repressive und ausgelagerte Maßnahmen der Eintreibung von Rückständen existieren. Problematisch ist diese Thematik derzeit vor allem in Indien.
Als weitere länderspezifische Probleme ermittelte die Studie, die sich um Unterschiede herauszuarbeiten auf fünf relevante Emerging Markets fokussierte, beispielsweise Landgrabbing in Brasilien, Kolumbien und Südafrika, ein Mangel an Mindeststandards in der Produktion und schwere Menschenrechtsverletzungen in China sowie Diskriminierung von Frauen in Indien. Entsprechende Kriterien sollten zur jeweiligen Beurteilung der Unternehmen in diesen Ländern berücksichtigt werden.
Wichtig, um nachhaltige Investments in Emerging Markets zu fördern, ist für Klaus Bernshausen die Informationsgewinnung. „Es braucht ein stärkeres, internationales Netzwerk.“ Ein Ansatzpunkt könne beispielsweise ein verbesserter Austausch zwischen den weltweit tätigen kirchlichen Hilfsorganisationen und den kirchlich geprägten Finanzinvestoren sein. „Gerade für Engagements wäre es auch hilfreich, konfessionsübergreifend oder auch mit Anlegern ohne kirchlichen Hintergrund zu agieren“, so Bernshausen. Im letzteren Fall wäre man als kirchliche Investoren nicht nur eine Wertemacht sondern auch eine Marktmacht. Eine bereits bestehende Vernetzung besteht zur in Großbritannien ansässigen Church Investor Group.
Interessanterweise führen die Engagements auch zu Vernetzungen von Unternehmen. Wie Hermes Investment Management berichtet, habe man einen Dialog zwischen der russischen Sberbank und der Banco Bradesco in Brasilien initiiert. Die beiden Banken sollen sich nun über ihre Erfahrungen bei der Entwicklung eines Rahmens für soziales und ökologisches Risikomanagement austauschen. Hermes weist zudem aber auch darauf hin, dass es nicht die Unternehmensebene allein ist, wo der ESG-Hebel angesetzt werden kann. Da viele Nachhaltigkeitsaspekte nicht unternehmensspezifisch seien, sollten diese insbesondere in den Schwellenländern bei Gesetzgebern und Branchenverbänden adressiert werden. Dies ist laut Hermes insbesondere in den Schwellenländern wichtig, wo Standards wie Veröffentlichungspflichten, Umwelt- oder Sicherheitsvorschriften hinter denjenigen in den entwickelten Ländern zurückfallen. „Unsere Rolle als aktive Eigentümer ist, dazu beizutragen, diese Lücke zu schließen“, so der britische Asset Manager.
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