Strategien
27. Juli 2021

Mit Assets für den Gender-Wandel

Traditionelle Familienplanung, Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz: In Sachen Gleichberechtigung liegt in Japan noch ­einiges im Argen. Umso bedeutender, dass sich der japanischen Government Pension Investment Fund (GPIF), der größte­ ­Pensionsfonds der Welt, mittels seiner Kapitalanlage um das ­Thema kümmert. Der Fonds setzt sich dezidiert für mehr Gender Diversity ein. Doch die Performance enttäuschte zuletzt.

Wer dieser Tage die Olympiade in Tokio verfolgt, wird auch mit dem Thema der Frauenrechte im Gastgeberland konfrontiert: ­Medien berichten darüber, wie schwer es Sportlerinnen in dem ­asiatischen Vorzeigeland hatten und noch haben und wie sie sich trotz männlicher Dominanz einen Weg bis ganz nach oben bahnen.­ Doch auch im ganz normalen Berufsalltag sind Frauen in Japan häufig stark benachteiligt und müssen gegen tradierte ­Rollenklischees ankämpfen. Nach dem Global Gender Gap Report vom März 2021 erreicht das Land ein Ranking von 120 aus 156. Zum Vergleich: Deutschland liegt im Ranking auf Platz elf.

Der Government Pension Investment Fund (GPIF), der größte Pensionsfonds der Welt mit umgerechnet etwa 1,4 Billionen Euro Assets under Management, hat sich das Thema Gender Diversity seit 2017 auf die Fahnen geschrieben – einerseits aus der Überzeugung heraus, so mehr Rendite für die japanischen Pensionäre ­erwirtschaften zu können, andererseits aus der Überlegung heraus, dass Frauen, die arbeiten gehen, auch selbst in die Rentenkassen einzahlen und so die Zahl der Beitragszahler, die in den Pensionsfonds einzahlen, ausgeweitet wird. Zunächst lohnt ein Blick auf die fünf Investment-Prinzipien des GPIF. Das erste ist, zur Stabilität des nationalen Rentensystems beizutragen, „indem wir die ­erforderlichen Anlagerenditen mit minimalem Risiko und aus ­einer langfristigen Perspektive zum alleinigen Nutzen der Rentenempfänger sichern.“ Die primäre Anlagestrategie ist dabei die ­Diversifikation nach Anlageklassen, Regionen und Zeitrahmen. Kurzfristige Schwankungen nimmt der GPIF dabei bewusst in Kauf. ­Bemerkenswert ist, dass der Fonds zu rund 50 Prozent in ­Aktien investiert. Dabei hat sich der Fonds kürzlich neue Regeln für die strategische Asset-Allokation gegeben, die nach Equity und Bonds unterteilt ist und nach den Kategorien ­„heimisch“ und „ausländisch“. Demnach beträgt die angestrebte Zielallokation jeweils 25 Prozent und verteilt sich hälftig auf Anleihen und ­Aktien. Laut dem letzten Geschäftsbericht aus 2019 liegt die Verteilung der ­Assets bei etwa 53 Prozent Anleihen und 47 Prozent Aktien.

Wie der Fonds Anfang Juli bekanntgab, hat er im vergangenen ­Geschäftsjahr, das am 31. März 2021 endete, die höchsten jährlichen Anlageerträge in seiner Geschichte eingefahren – 37,79 Billionen Yen, umgerechnet 340 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einer Rendite über das gesamte Kapitalanlageportfolio von 25,15 Prozent. Hauptrenditetreiber war das Aktienportfolio, dessen ausländischer Teil aufgrund der Erholung von der Corona-Krise rund 59 Prozent Rendite brachte, im Vergleich zu einem Verlust von 13,08 Prozent im vergangenen Geschäftsjahr (März 2019 – bis März 2020). Der japanische Teil des Aktienportfolios fuhr eine Rendite von rund 41,55 Prozent ein, gegenüber einem Verlust im Vorjahr von 9,71 Prozent. In welche Unternehmen der GPIF investiert, lässt sich schnell ersehen: Eine Liste der Top-Holdings auf der Unternehmens-Website zeigt, dass der Fonds stark in US-amerikanische ­FAANG-Aktien und Tech-Konzerne wie Alibaba, Tencent oder ­Tesla investiert ist. Diese haben überdurchschnittlich von der Corona-Krise profitiert. In turbulenten Börsenphasen fuhr der Fonds ­aufgrund seiner sehr hohen Aktienquote immer wieder aber auch herbe Verluste ein. Wie volatil Aktieninvestments sind, musste der Fonds in der Corona-Krise im März 2020 erneut ­erfahren: Durch die Krise hatte der GPIF allein in den ersten drei Monaten des ­Jahres insgesamt 164,7 Milliarden Dollar ­verloren, das waren etwa elf Prozent seines Anlagewerts.
Interessant ist auch der starke Home Bias des Fonds. So liegen dem Geschäftsbericht des Jahres 2019 zufolge 23,8 Prozent der Kapitalanlagen in heimischen Anleihen und 22,87 Prozent in Aktien ­japanischer Unternehmen, obwohl zum Beispiel die Gewichtung japanischer Aktien in Indizes nach weltweiter Marktkapitalisierung nur etwa sechs bis sieben Prozent beträgt. Aus Sicht des ehemaligen Aufsichtsratschefs Eiji Hirano gemäß eines Interviews mit Bloomberg im Mai dürfte dieser starke Home Bias in Zukunft ein Diskussionspunkt sein. Das Thema ESG sorgte zuletzt in der ­Presse für ­Kontroversen, nachdem der Fonds, der stark über ­Themeninvestments zum Beispiel in die Felder Gender Diversity und ­Klimaschutz investiert, hier zuletzt Verluste eingefahren hatte.

Themeninvestments passiv umgesetzt

Was 2017 mit dem Investment in den Win-Index (MSCI Japan ­Empowering Women Index) für japanische Unternehmen begann, setzte der Fonds kürzlich fort: Ende 2020 zeichnete er einen ­weiteren Gender-Index, diesmal für internationale Anlagen, ­nämlich den „Morningstar Gender Diversity Index“ (GenDi). ­Zusammen mit dem ESG-Index „MSCI ACWI ESG Universal ­Index“ investierte der GPIF nun insgesamt 12,5 Milliarden US-­Dollar passiv in die beiden Indizes. Masataka Miyazono, Präsident des GPIF, sagte zu dieser Investment-Entscheidung, mit der ­Auswahl eines neuen allgemeinen ESG-Index für ausländische ­Aktien habe der GPIF eine passive Aktienanlage begonnen, die alle Elemente von ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sowohl in den inländischen als auch ausländischen Portfolios ­berücksichtige. „Darüber hinaus weisen zahlreiche empirische ­Untersuchungen darauf hin, dass eine starke Geschlechtervielfalt das Potenzial hat, die Unternehmensperformance zu steigern. Wir sind der Meinung, dass diese beiden Indizes fest mit unserem Ziel übereinstimmen, die langfristigen Renditen durch eine verbesserte Nachhaltigkeit einzelner Emittenten und des Marktes als Ganzes zu verbessern.“

Mit den Themeninvestments zu Gender Diversity will der Fonds nun in inländische und ausländische Unternehmen investieren, die Frauen gezielt fördern. Doch hat sich zum Beispiel der Win-­Index für ­japanische Aktien im Vergleich zum Topix-Index, dem ­Tokyo Stock Exchange Price Index, schlechter entwickelt. Der ­Win-Index hatte in 2020 eine Performance von nur 9,14 Prozent ­erreicht, ­während der Topix um gute 24 Prozent zulegte. Sofort wurden Stimmen laut, die die Gender-Strategie öffentlich anzweifelten, wie zum Beispiel die des ehemaligen Aufsichtsratsvor­sitzenden Eiji ­Hirano, der sich im Bloomberg-Interview auch ­kritisch zu Nachhaltig­keitspolitik insgesamt äußerte und warnte, ESG ­könne sich zur gigantischen Blase entwickeln.

So schrieb denn auch der Nachrichtendienst Bloomberg Intelligence im Mai 2021, ESG sei als solches auch eine zu breite Kategorie:­ „Fonds, die sich auf Umweltthemen konzentrieren, ­können ein ganz anderes Renditeprofil aufweisen als Fonds, die sich auf soziale oder Governance-Themen konzentrieren. In Japan war Geschlechtervielfalt trotz der Womenomics-Rhetorik des ­ehemaligen Premierministers Shinzo Abe einfach keine Gewinnerstrategie.“ Von den Topix-500-Unternehmen hätten diejenigen, die keine Frauen im Unternehmensvorstand hatten, auf Fünfjahres­basis eine Rendite von acht Prozent und damit gut 1,3 Prozentpunkte­ mehr erzielt als Unternehmen mit weiblichen Vorstandsmit­gliedern. „Das bedeutet nicht, dass Frauen keine kompetenten ­Manager sind“, resümiert Bloomberg: „Japans männerdominierte Unternehmenskultur mag Frauen ohne einschlägige Erfahrung nur zu Show- und PR-Zwecken in Führungspositionen gebracht haben. Nichtsdestotrotz erklärt die geringere Kapitalrendite von Unternehmen­ mit Geschlechterdifferenzierung, warum der Win-Index ein Verlustgeschäft war.“

Bekenntnis zu ESG

Die Performance ist für GPIF sehr wichtig: Der Fonds muss ­mindestens eine reale Anlagerendite von 1,7 Prozent erreichen, um Japans demographischen Wandel abzufedern, denn die Bevölkerung altert hier noch schneller als in Deutschland. Jeder vierte ist 65 Jahre alt oder älter. Dennoch ist ESG im GPIF zum integralen Bestandteil geworden. „Wir sind davon überzeugt, dass ein nachhaltiges Wachstum der Unternehmen, in die wir investieren, und des Kapitalmarkts insgesamt entscheidend für die Steigerung der langfristigen Anlagerenditen ist“, heißt es unter Punkt vier der ­Investmentprinzipien des Fonds. „Um solche Renditen für die ­Rentenempfänger zu sichern, fördern wir daher die Einbeziehung von nichtfinanziellen Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) in den Anlageprozess zusätzlich zu den finanziellen Faktoren.“ Im Rahmen seiner Engagement-Politik ist der GPIF Mitglied von PRI, TCFD und der Climate-Action-100+-Initiative und trat der 30-Percent-Coalition bei, einem Bündnis, dass sich für eine ­Frauenquote von 30 Prozent in Vorständen einsetzt. Nachdem er diesem Investorenbündnis in UK und USA bereits vor einigen ­Jahren ­beigetreten war, entschloss sich der Fonds schließlich Ende 2019 auch zu einer Mitgliedschaft in der japanischen 30-Percent-Kampagneneinheit. Zudem habe der GPIF außerdem im Februar 2020 die „Diversity & Inclusion Promotion Group“ ins Leben ­gerufen, um die Vielfalt innerhalb des Fonds selbst zu fördern.

Wie die Ergebnisse dieser Engagements sein werden, lässt sich schwer messen. Es dürfte nicht ausreichen, Frauen in Vorständen zu zählen, um zu erfahren, ob die Lebens- und Arbeitsbedingungen­ für Frauen in Japan und anderswo sich verbessert haben. Und die Frage nach der Effizienz von Unternehmen sollte um den gesamtgesellschaftlichen Nutzen erweitert werden, den Gender ­Diversity bringen kann. Experten verweisen regelmäßig darauf, dass es eben nicht die Effizienz des einzelnen Unternehmens ist, die durch mehr Gender Diversity gesteigert wird, wohl aber deren Innova­tionsfähigkeit und die der Wirtschaft insgesamt.

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