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Joe Kaeser und der Klimawandel
Der Börsenriese Siemens, Nummer drei im Dax mit einer Marktkapitalisierung von rund 100 Milliarden Euro, kommt dieser Tage aufgrund der Klimadebatte aus den Schlagzeilen nicht mehr heraus – und so will es offenbar auch Joe Kaeser. Nun warb der Siemens-Chef bei US-Präsident Donald Trump in Davos für eine Debatte um den Klimawandel. Laut Reuters habe Kaeser bei einem gemeinsamen Abendessen einiger Firmenchefs mit Trump auf dem Weltwirtschaftsforum, einen Wunsch vorgebracht: „Der Wunsch war, dass wir alle zusammen den Klimawandel ernst nehmen und die kritischen Stimmen der Jugend hören“, sagte der Siemens-Chef der Nachrichtenagentur am Mittwoch. Er habe beim US-Präsidenten für einen Austausch mit den Klimaschützern geworben. „Wir müssen sie an einen Tisch bringen und sie bei den Lösungen einbinden“, habe er Trump gesagt. Und dem Handelsblatt sagte er: „Ich finde den Einsatz der jungen Generation gegen die Klimakrise richtig. Die Jugend sei „eine relevante Stimme der Gesellschaft und damit ein wichtiger Stakeholder für die Zukunft“. Daher müsse man sie ermutigen, am Entscheidungsprozess teilzunehmen. „Denn nur protestieren verändert nichts und schafft vor allem keine Lösungen.“
Dabei steht Joe Kaeser in der Öffentlichkeit durch die Adani-Affäre zunehmend unter Druck. Nachdem der Konzernlenker der Klimaaktivistin Luisa Neubauer freihändig einen Aufsichtsratsposten bei der Sparte Siemens Energy angeboten hatte, zog er damit nicht nur den Unbill der Aktionäre auf sich. Auch die Anhänger der Fridays-for-Future-Bewegung, die unter anderen Neubauer in Deutschland vertritt, schien das mitnichten zu beeindrucken. Und Neubauer konterte laut ‚Welt‘ frech, sie habe Wichtigeres zu tun.
Ist Joe Kaeser tatsächlich um das Klima besorgt? Liest man die Nachhaltigkeitsinformationen 2019 des Konzerns, so scheint das so: „So hat sich Siemens als erster globaler Industriekonzern öffentlich verpflichtet, bis 2030 ein klimaneutrales Unternehmen zu werden. Allein im Geschäftsjahr 2019 haben wir unseren CO₂-Ausstoß um mehr als zehn Prozent verringert. Seit dem Geschäftsjahr 2014 konnten wir unsere Emissionen um etwa 41 Prozent reduzieren – von 2,2 Millionen Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen CO₂ im Geschäftsjahr 2019. Wir befinden uns damit auf einem guten Weg, um unser Zwischenziel für 2020 zu erreichen, das heißt: unsere CO₂-Emissionen zu halbieren“, heißt es dort im Vorwort.
Adani-Projekt war Thema auf Vorstandssitzung
Das nachhaltige „Ja“ zum umstrittenen 18-Millionen-Auftrag über Signaltechnik für den Zugbetrieb der australischen Kohlemine des indischen Mischkonzerns Adani begründete Kaeser denn auch am Mittwoch gegenüber der Zeitung ‚Welt‘ damit, dass eine „nicht limitierte Schadenersatzpflicht bei einseitiger Kündigung“ bestanden habe. Wörtlich sagte er: „Wäre es vielleicht mein Unternehmen gewesen, mein Geld, meine potenzielle Pleite, hätte ich gesagt, fein, lasse ich es darauf ankommen.“ Er persönlich hätte das Projekt „wahrscheinlich sogar bei 180 Millionen Euro zurückgegeben“, aber er habe eine Verpflichtung gegenüber dem Siemens-Konzern.
Allerding kam die Unterschrift zu dem Projekt im Dezember 2019 zu einem Zeitpunkt, an dem die Proteste gegen Adani und auch der Hashtag StopAdani schon seit geraumer Zeit auf Hochtouren liefen. Diverse Banken waren vor einer Finanzierung der Mine zurückgeschreckt. Bleibt die Frage: Was wusste Kaeser zu welchem Zeitpunkt von dem Auftrag oder hat er das negative Potenzial einfach unterschätzt, dass diese Entscheidung auf die Reputation von Siemens haben würde? Wie das Manager Magazin unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, war die Auftragsvergabe an Adani wohl bei einer Vorstandsitzung am 5. Dezember unter dem Tagesordnungspunkt ‚Sonstiges‘ Thema gewesen – fünf Tage vor der Vertragsunterzeichung. Größere Einwände habe es in der Sitzung nicht gegeben.
Welche Rolle spielt der Bergbau?
Interessant ist dieser Tage auch ein Blick auf die Siemens-Website. Hier wirbt der Konzern in englischer Sprache mit erprobten Lösungen für die Bergbau-Industrie unter anderem in den Bereichen Excavation, Elektrification, Automation und Transportation. Es werden Lösungen für Schaufeln und Schleppleinen, Bergbau-Trucks und Radlader vorgestellt. Sucht man im Geschäftsbericht 2019 nach dem Wort Bergbau, so findet es sich kleingedruckt an lediglich an drei Stellen unter den Punkten ‚Smart Infrastructure‘, ‚Gas and Power‘ und ‚Portfolio Companies‘. Das Wort Klimarisiken sucht man dort vergebens.
Interessant wäre für Investoren vor dem Hintergrund der zunehmenden Offenlegungspflichten in Sachen Klima sicher auch, welchen Anteil am Konzernumsatz Aufträge für Bergbauunternehmen haben. Und welche sich darüber hinaus mit Kohleförderung befassen. Siemens mag bei Nachhaltigkeit Vorreiter in Deutschland sein, die Erreichung der Klimaneutralität bis 2030 in Bezug auf die eigene Produktion und die eigenen Werke und Standorte kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es generell für deutsche Konzerne in Sachen Nachhaltigkeit und deren Umsetzung viele offene Fragen zu beantworten gibt, auch wenn die Firma in diesbezüglichen Ratings bisher gut dasteht.
Interessant scheint auch, dass sich der Konzernlenker Kaeser nachhaltig gegen schlechtere Zeiten abgesichert hat. Mit dem Kauf von mehreren Hundert Hektar Wald im Bayerischen Wald sorgt er für seine persönliche „Downside Protection“, sagte er im Dezember 2018 dem Manager Magazin. Wohlweislich hat er hier ein nachhaltiges und nicht ein Investment in den Kohlebergbau dafür auserkoren, seine persönliche Absicherung zu bilden.
Am 5. Februar ist Hauptversammlung. Da könnte es sich lohnen, abgesichert zu sein.
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Autoren: portfolio institutionellIn Verbindung stehende Artikel:
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