Mehr Renditechancen für Pensionskassen
Zu wenig Risiko in der Kapitalanlage bedeutet zu viel Risiko für Pensionskassen und Trägerunternehmen. Zur Erfüllung der Garantieziele braucht es die Zielrenditen von Aktien. Die dauerhafte Nachschussgefahr ist bei Staatsanleihen sogar höher.
Auch die Aufsicht sensibilisiert seit geraumer Zeit für die Problematik der Pensionskassen. Auf der Jahrespressekonferenz der Bafin informierte Versicherungsaufseher Dr. Frank Grund, dass Pensionskassen noch mehr als die Lebensversicherer unter dem niedrigen Zinsniveau litten. Einzelne könnten bald möglicherweise nicht mehr aus eigener Kraft ihre Leistungen in voller Höhe erbringen. „Mit ihnen besprechen wir aktuell, wie es weitergehen kann“, so Grund damals. Die Pensionsberechtigten stünden aber nicht ohne Schutzmechanismen da. Diese würden möglicherweise bald einem Praxistest unterzogen. Im Mai 2018 warnte die Bafin, dass einige Pensionskassen bald nicht mehr ihre vollen Rentenzusagen erbringen können, wenn sie kein Kapital von außen erhalten.
Ende des vergangenen Jahres kamen dann die Hiobsbotschaften aus Köln und Bonn: Bei der Kölner Pensionskasse und bei der Pensionskasse der Caritas steht „eine Herabsetzung der Leistungen im Raum“. Dabei handelt es sich laut Marktkennern um Herabsetzungen im Past Service. Sämtliche Maßnahmen der beiden Kassen werden nun von der Bafin eng begleitet. Zu diesen Maßnahmen gehört, dass die Bafin der Pensionskasse der Caritas das Neugeschäft untersagt. Dieses Verbot ist verständlich, da frische Einzahlungen bei einer Pensionskasse auch wieder neue Verbindlichkeiten bedeuten.
Bei der in Bonn ansässigen Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG endet eine Online-Übersicht zur Geschäftsentwicklung zum „erfolgreichen Wachstum mit Weitsicht“ im Jahr 2013 mit der Einführung von Unisex-Tarifen. Vergangenen Dezember teilte die Pensionskasse, deren Anlagevolumen eine Milliarde Euro beträgt, ad hoc mit, dass mit dem geänderten Jahresabschluss 2017 festgestellt wurde, dass per 31. Dezember 2017 die Solvabilitätskapitalanforderung nicht mehr bedeckt ist. Zum 31. Dezember 2017 beträgt die Solvabilitätskapitalanforderung knapp 40 Millionen Euro. Die Eigenmittel belaufen sich auf 55,3 Prozent der Solvabilitätskapitalanforderung. 2014 hat die Pensionskasse nachrangige Schuldverschreibungen im Gesamtnennbetrag von zehn Millionen Euro mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einer jährlichen Verzinsung mit 4,375 Prozent begeben und gelistet. Belastend wirkt zudem, dass – im Gegensatz zur Solvabilität – die Vergütung des Vorstandsduos von 317.000 Euro in 2016 auf 324.000 Euro in 2017 gestiegen ist. Gegenüber portfolio institutionell schwieg sich die Pensionskasse zur Geschäftsentwicklung aus.
Vermuten konnte man, dass der Schritt des BVV als Branchenprimus auch als ein ermutigendes Signal für kleinere Pensionskassen zu deuten ist, eine Senkung zumindest der künftigen Verbindlichkeiten als Möglichkeit zu betrachten. Dieses Signal blieb offenbar nicht unbeachtet. Die FAZ berichtete vergangenen März über eine entsprechende Anfrage der Grünen im Bundestag. Diese ergab, dass Pensionskassen in zunehmendem Maße seit 2014 ihre Verrentungsfaktoren senken. Im vergangenen Jahrzehnt baten Pensionskassen demnach in 27 Fällen ihre Versicherten darum, für künftige Beiträge einen geringeren Rentenfaktor anzusetzen. Dabei waren es von 2007 bis 2013 zehn Fälle, seit 2014 aber bereits 17 Fälle. Insgesamt gibt es 134 Pensionskassen. Eine Absenkung des Future Service erfolgt also mit steigender Tendenz. Verstärkt wurde das BVV-Signal noch durch die bereits erwähnte Pressekonferenz der Bafin vom Mai 2018, in der Versicherungsaufseher Frank Grund anmahnte, dass es Kapital von außen brauche. Etwa ein Drittel der 137 Pensionskassen befinde sich bereits unter strenger Beobachtung. Grund, der sich „erhebliche Sorgen“ macht, appellierte an die betroffenen Pensionskassen, „bei ihren Trägern oder Aktionären rechtzeitig Unterstützung einzufordern“. Rechtzeitige Unterstützung könnte sinnvollerweise bedeuten, nicht nur erst dann nachzuschießen, wenn man dringend Solvenzkapitalanforderungen nachkommen muss und Leistungskürzungen vermeiden will. „Kassen, die über eine entsprechende Kapitalausstattung verfügen, können auch höhere Risiken in der Kapitalanlage eingehen. Das wiederum bedeutet höhere Ertragschancen, was den Kassen hilft, ihre eingegangenen Zinsverpflichtungen zu erfüllen“, erläutert Heubecks Friedemann Lucius. „Insofern ist frisches Eigenkapital sicherlich eine geeignete Maßnahme, um angeschlagenen Pensionskassen wieder auf die Beine zu helfen.“
Sich auf stützende Maßnahmen zu verständigen ist bei einer geringen Zahl an Trägerunternehmen einfacher. Auch für den bAV-Berater Longial dürften reine Firmen-Pensionskassen, die Altersversorgungsleistungen ausschließlich für Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe erbringen, einen etwas besseren Stand haben. Reine Firmenpensionskassen sind meist integraler Bestandteil der bAV-Policy des Unternehmens, sodass dort die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung tendenziell höher ausfällt, so Longial. Für überbetriebliche Kassen ist es eine größere Herausforderung, Einigkeit zu erzielen. Dem BVV kam entgegen, dass die Trägerschaft sehr homogen ist. Auf der Mitgliederversammlung stimmten über 90 Prozent für die Tarifkürzung. Nötig gewesen wären 75 Prozent.
PK Berolina mit hoher Risikokapitalquote
Der Idealfall dürfte aber – auch im Sinne der Beitragszahler und Rentner – ein Trägerunternehmen sein, das hinter einer offensiveren Kapitalanlage steht. Beispiel Unilever: Deren Firmenpensionskasse Berolina, die das Herzstück der betrieblichen Altersversorgung für die Unilever Deutschland Gruppe ist, strebte für das Jahr 2018 inklusive der Öffnungsklausel eine Risikokapitalquote von etwa 35 Prozent an. Trotz rückgehender Werte bei der Anzahl der Beitragspflichtigen und beim Anlagevolumen (etwa 965 Millionen Euro in 2017) hat die Pensionskasse seit 2014 ziemlich konstant etwa 330 Millionen Euro vornehmlich in Aktienfonds investiert. Eine solche Strategie macht sich langfristig bezahlt. Berolina-Vorstand Michael Hahn verweist auf das „Glück der Trägergarantie“, welches nur wenigen Pensionskassen hold sei. „Somit können wir bei der aus der ALM abgeleiteten strategischen Asset-Allokation auch ohne hohes Eigenkapital stärker in risikobehaftetere Assets investieren.“ Eine solche risikoaffine Allokation innerhalb eines versicherungsförmigen Durchführungsweges bedarf jedoch der langfristigen Betrachtung. Es gibt einzelne Jahre, wo dies nicht als optimal bezeichnet werden kann und bei jedem Trägerunternehmen dürfte die „Freude an Einschüssen“ zur obligatorischen Bedeckung der Solvabilitätskapitalanforderung begrenzt sein. Einen Rechnungszins von circa 3,5 Prozent mit Staatsanleihen zu finanzieren, wäre momentan nicht nur schwierig, sondern unmöglich. Die Zahl der Einschüsse hält sich aber in Grenzen. Unilever musste zur Sicherstellung der Bedeckung das letzte Mal vor etwa zehn Jahren zur Finanzkrise einschießen. „Alle bisherigen Einschüsse hat die Kasse auch schon längst wieder aus übermäßigen Erträgen zurückgezahlt“, erklärt Michael Hahn.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Aktien | Niedrigzinsphase | Rentensystem | Strategische Asset Allocation (SAA) | Zielrente / Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)
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