Alternative Anlagen
8. März 2023

Machtwechsel bei Real Estate Private Debt

Inflation, hohe Zinsen und eine flaue Konjunktur setzen dem Immobilienmarkt heftig zu. Auch Fremdkapital-Investoren sind verunsichert. Während die Risikoprämien unbesicherter Immobilienanleihen wohl noch auf absehbare Zeit unter Druck bleiben, sehen Kreditfonds-Manager deutlich verbesserte Aussichten bei Real Estate Private Debt.

Im vergangenen Jahr kam am Immobilienmarkt so ziemlich alles Negative zusammen. Die Folgen zeigten sich nicht nur bei Eigen- sondern auch bei Fremdkapitalanlagen. So brachen Immobilienanleihen auf breiter Front ein. Von dem phasenweise freien Fall von chinesischen Immobilienentwicklern begebener Papiere ist der deutsche und europäische Markt zwar weit entfernt, doch auch hier gaben selbst die Anleihen von Investment-Grade-Emittenten wie Vonovia teils kräftig nach. Während sich die Spreads zuletzt wieder stabilisierten, bleiben vor allem High Yields und Nachränge unter Druck. Erst im Januar hatte die mit BBB+ geratete Aroundtown eine Hybridanleihe nicht wie erwartet zum Call-Termin getilgt, sondern stattdessen einen kräftigen Zinsaufschlag in Kauf genommen.

Auch am Markt für Real Estate Private Debt, der in den Vorjahren dynamisch gewachsen war, sind Investoren verunsichert. Mit dem Stratos-II-Immobilienfonds und dem 1,2 Milliarden Euro schweren Verius-Immobilienfinanzierungsfonds mussten gleich zwei Fonds in den vergangenen Monaten Wertberechnung und Anteilsrücknahme aussetzen. Beide Fonds investierten offenbar in besonders riskante Marktsegmente. Dabei könnte Real Estate Private Debt auf mittlere Sicht sehr gute Aussichten bieten, denn die Korrektur schafft nach Meinung vieler Experten Chancen.

Kreditfonds füllen die Finanzierungslücke Bis zum Beginn des Krisenjahres 2022 legte der Real-Estate-Private-Debt-Markt dynamisch zu. Laut Inrev Capital Raising Survey stieg der Anteil von Real Estate Private Debt an den Gesamtzuflüssen in europäische Immobilieninvestments von fünf Prozent im Jahr 2019 auf 19 Prozent im Jahr 2021. „Real Estate Private Debt ist einer der Wachstumsmärkte im Asset Management“, konstatiert Harald Rieger, Leiter Institutionelles Geschäft der Union Investment, die seit zwei Jahren in Zusammenarbeit mit Aam2cred Debt Investments in dem Markt expandiert.

Neben dem bis Anfang 2022 anhaltenden Niedrigzinsumfeld profitierte die Anlageklasse vom regulatorisch getriebenen Rückzug der Banken aus der Immobilienfinanzierung. In der Folge suchen Immobilienunternehmen und Projektentwickler stärker private Finanzierungen. Dieser Prozess dürfte sich weiter fortsetzen. PGIM Real Estate schätzt in einer Studie, dass in den nächsten fünf Jahren in Westeuropa Immobilienkredite in Höhe von fast 900 Milliarden Euro fällig werden. Kreditfonds dürften viele der ursprünglich über Banken ausgegebenen Kredite refinanzieren.

Asset-Klasse punktet mit Diversifikation und Regulierung

Institutionellen Investoren bietet Real Estate Private Debt mehrere Vorteile. Alexander Schmitt, Portfoliomanager bei der AGI, sagt: „Real Estate Private Debt kann durch die geringe Korrelation zu traditionellen Anlageklassen eine Diversifikation für Investoren bieten, deren Portfolio noch immer stark in diesen Segmenten verankert ist.“ Manuel Köppel, Geschäftsführer BF Capital, ergänzt: „Real Estate Private Debt fällt als Kreditprodukt nicht in die aufsichtsrechtliche Immobilienquote.“ Angesichts der in den vergangenen Jahren weitgehend ausgeschöpften Immobilienquoten vieler Anleger ist das ein großer Vorteil.

Weiterer Pluspunkt: Die Darlehensnehmer tragen in der Regel die Vorlaufkosten des Darlehensgebers und die Vermittlungsgebühren in Höhe von 0,5 bis zwei Prozent des Anlagebetrags. James Mathias, Portfoliomanager bei PGIM Real Estate, sagt: „So erzielen Anleger vom ersten Tag an Renditen und leiden nicht unter dem in anderen Anlageklassen üblichen J-Kurven-Effekt.“ Kommt es zur vorzeitigen Rückzahlung, zahlt der Kreditnehmer beim „Make Whole“ den Nettogegenwartswert der verbleibenden Kupons zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung. Teils wird auch eine Gewinnbeteiligung vereinbart, von der Anleger profitieren können.

Die Zahl spezialisierter Investment Manager nahm in den vergangenen Jahren deutlich zu. Die als Multi-Manager agierende Helaba Invest zählt derzeit 65 investierbare Strategien von 53 Zielfondsmanagern mit einem angestrebten Zielvolumen von insgesamt 32,9 Milliarden Euro. Davon entfallen 14 Prozent auf das Segment Senior, 35 Prozent auf Whole Loan und 51 Prozent auf Mezzanine. Auch die Plattformen und ihre Ansätze unterscheiden sich teils deutlich. Übliche Finanzierungen im Real-Estate-Private-Debt-Markt bewegen sich in der Regel zwischen 50 und 150 Millionen Euro.

Die Transaktionen erfolgen meist als klassische Darlehen mit fixem Zinssatz oder variablen Kupons, die an einen Referenzsatz wie den 3-Monats-Euribor gekoppelt sind. „Das Cashflow-Profil auf Portfolioebene ähnelt daher dem Anleihebereich“, erklärt PGIM-Experte Mathias. Vereinbarte finanzielle Auflagen werden regelmäßig überprüft. Typische Immobilienkreditportfolios umfassen im Durchschnitt zehn bis 50 Darlehen pro Fonds, die meist mit einer Laufzeit von zwölf bis 60 Monaten teils revolvierend vergeben werden.

Positive Aussichten für Neugeschäft

Nachdem die Ausschüttungsrenditen von Real Estate Private Debt bis Anfang vergangenen Jahres je nach Risiko oft deutlich über fünf Prozent und teils sogar im niedrigen zweistelligen Bereich lagen, hinterließ der abrupte Zins- und Inflationsanstieg 2022 rasch Spuren. BF-Geschäftsführer Köppel beobachtet in den vergangenen Monaten deutliche Veränderungen: „Bei bestehenden Finanzierungen nehmen Prolongationen deutlich zu – meist, weil es zu Bauverzögerungen kommt oder mit dem Bau noch gar nicht begonnen wird.“ Ein anderes Phänomen des letzten Jahres ist die Zunahme von Bridge-Finanzierungen. Diese werden eingesetzt, wenn sich Verkaufspläne verzögern, etwa weil ein Entwickler in absehbarer Zeit mit besseren Verkaufsbedingungen rechnet.

Besonderes Augenmerk der Investmentmanager gilt aktuell den Loan-to-Value-Ratios: Sinkende Buchwerte lassen diese Kennzahl rasch ansteigen. Wenn die vereinbarte Ratio – bei Senior Loans meist um 70 Prozent – überschritten wird, kommt es zum Covenant-Bruch. „Dieser kann entweder durch einen Eigenkapital-Nachschuss oder Freisetzung von Reserven geheilt werden“, sagt Köppel. Reserven bestehen etwa, wenn nicht die gesamte Kreditzusage auf einmal ausgereicht wird. Nach Einschätzung von AGI-Experte Schmitt blieben die Verschuldungsquoten jedoch bislang insgesamt sehr stabil.

Fonds können bessere Konditionen durchsetzen

Die Kreditfondsmanager halten den Ausblick für günstig: Sie können auf Grund der gestiegenen Zinsen und der Finanzierungslücke für neue Transaktionen höhere Renditen durchsetzen. Köppel: „Während die laufende Verzinsung von Whole Loans vor der Krise bei 4,0 bis 6,0 Prozent lag, sehen wir bei neu ausgereichten Darlehen durchaus auch Zinssätze zwischen 7,0 und 8,0 Prozent.“ Darüber hinaus tun sich eine Reihe neuer Finanzierungsmöglichkeiten im gesamten Kapitalbereich auf. Konkurrierten bis vor kurzem noch Kreditfonds um Opportunitäten, so sind die Kapitalgeber nun in einer besseren Position. „Wir sehen, dass der Markt gerade deutlich freundlicher für Kreditgeber ist, die höhere Zinsen und Margen bei oftmals sogar niedrigeren Verschuldungsquoten als noch vor einem Jahr durchsetzen können“, erklärt Schmitt. Auch Köppel erhält immer mehr Anfragen für Immobilienprojekte, „die früher ohne Probleme eine Bankfinanzierung erhalten hätten“.

PGIM-Manager Mathias sieht eine sorgfältige Selektion als wichtigste Voraussetzung für die „positive Kreditmigration“, bei der Einkommensströme und die Qualität der Sicherheiten während der Kreditlaufzeit aktiv und vorhersehbar verbessert werden. Klar scheint aber nach Experten-Einschätzung auch, dass der Markt künftig stärker zwischen verschiedenen Bereichen des Risikospektrums differenzieren wird – und das insbesondere an der Trennlinie von Eigen- zu Fremdkapital. Nach Sektoren betrachtet machen Anlageexperten das größte Potenzial bei Immobilien aus, die von strukturellen Wachstumstreibern im Zusammenhang mit den Megatrends Demographie, Digitalisierung und Dekarbonisierung profitieren können: Dazu zählen etwa Studentenwohnungen, Mietwohnungen und Wohnungen für ältere Menschen.

„Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Neuinvestitionen in Krisenjahren im Rückblick oftmals die attraktivsten Renditen abgeworfen haben“, sagt AGI-Manager Schmitt. Noch halten sich Investoren jedoch bedeckt und Experten schätzen, dass es noch einige Monate dauert, bis Real Estate Private Debt in den Anlagegremien wieder auf mehr Aufgeschlossenheit stößt. Doch die Real-Estate-Private-Debt-Manager sind überzeugt: Wenn es so weit ist, bietet der Markt auf höherem Zinsniveau und mit der gesteigerten Marktmacht der Finanzierer attraktive Konditionen.

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