Kreislaufwirtschaft beginnt zu laufen
Impact-Investments im Ernährungssektor. Roundtable zu Kreislaufwirtschaft von portfolio institutionell.
Vorreiter der Nachhaltigkeit sind bei Impact Investments angelangt. Impact-Möglichkeiten bezüglich Umwelt, insbesondere Ernährung und Konsumgüterindustrie, bietet die Kreislaufwirtschaft. Strategien, die auf Re-Use, Recycling, Reduktion und Ressourceneffizienz abzielen, eröffnen interessante Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten. Darüber diskutieren Axel-Rainer Hoffmann vom Volkswohl Bund, Martin Seitle, Markus Steinhauser und Holger Stromberg von Organic Garden, Venture Capitalist Michael Brandkamp sowie die Berater Reinhard Liebing und Detlef Mackewicz mit Patrick Eisele.
Was ist Ihr Verständnis von Kreislaufwirtschaft, Herr Brandkamp? Durch den ¬European Circular Bioeconomy Fund (ECBF) haben Sie den breitesten Horizont.
Dr. Michael Brandkamp: Im Wesentlichen eben, dass Materialströme im Kreis geführt werden und nicht mehr linear aus dem Boden geholt, verbraucht und nachher auf der Müllkippe landen oder thermisch verwertet werden – und damit 95 Prozent der Wertschöpfung innerhalb einer Nutzung verlieren. Der ECBF zielt vor allem auf die biobasierte Kreislaufwirtschaft ab, bei der es primär um Abfallströme geht, die man wieder einer Nutzung zuführt, oder darum, fossile durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Die Materialströme im Kreis zu führen, erfordert neue Geschäftsmodelle und ein neues Wirtschaften. Das ist für mich letztendlich die große Herausforderung, die mit der Kreislaufwirtschaft in Verbindung steht.
Erst seit 200 Jahren holt die Menschheit regelmäßig alle Dinge aus dem Boden und verbraucht sie. Zuvor waren wir Teil der Natur und haben uns damit zufrieden gegeben, was uns die Natur gegeben hat. Da müssen wir wieder hin – aber trotzdem einen hohen Lebensstandard erhalten.
Also Re-Use und Recycling? Wobei Re-Use nur eine Nutzungsverlängerung ist.
Brandkamp: Wir müssen schrittweise vorgehen. Zunächst geht es darum, Dinge länger im Kreislauf zu halten. Statt den 95 Prozent Vernichtung auf eine Halbierung zu kommen, wäre ein gewaltiger Schritt. Diese Transformation ist wie gesagt eine große Herausforderung, führt aber auch zu vielen neuen Geschäftsmöglichkeiten.
Dr. Markus Steinhauser: Kreislaufwirtschaft hat mit Sicherheit ihren Ursprung im Recycling. Auf diesem Gebiet ist Deutschland schon seit Jahrzehnten ein Vorreiter. Die Entwicklung ist nun, dass man nicht mehr ein einzelnes Gut betrachtet, sondern sich um die komplette Wertschöpfungskette und deren Modifizierung kümmert. Dies beinhaltet, dass man den Abfall eines Produktes als Rohstoff für die Erzeugung eines neuen Produktes nutzt – und so von einem -linearen zu einem zirkulären System kommt.
Axel-Rainer Hoffmann: Bezüglich Kreislaufwirtschaft allgemein besteht das Zielbild, dass am Ende eines Prozesses, idealerweise CO₂-neutral, genauso viele Ressourcen wie am Anfang da sind. Wichtige Schritte auf dem Weg dahin sind die Abfallvermeidung und die Langlebigkeit von Produkten. Der Verbraucher sollte verstehen, dass es sinnvoller sein kann, hochwertigere Produkte zu erwerben, die man auch reparieren kann. Konsumverhalten sollte bewusster sein, Zusammenhänge besser verstanden werden.
Als Sie sich Ihren ersten Stern erkocht haben, Herr Stromberg, haben Sie sich da schon mit Kreislaufwirtschaft befasst?
Holger Stromberg: In einer Sterneküche wird in der Regel nichts weggeschmissen. Das ist aber noch keine aktive Beschäftigung mit einer wirklichen Kreislaufwirtschaft, die sich aus der Natur ableitet. Heute, auch weil wir immer mehr Menschen werden, merken wir verstärkt, dass manche Dinge endlich sind. Corona ist quasi nur ein „Amuse-gueule“ für eine Zukunft mit knapper werdenden Ressourcen und den Folgen.
Auch Wasser ist endlich und es gilt jetzt, wirklich jeden Tropfen zu sparen und auch zu recyceln. Wasserverbrauchende Lebensmittel wie Gurken, ¬Tomaten, Avocados, Mangos oder Papaya müssen wir außerhalb der Saison oder aufgrund der langen Lieferwege unter Glas herstellen können oder aufhören, sie zu essen. Darum brauchen wir leistungsfähige Systeme, in denen wir Wissen und Technologie nutzen – darum Organic Garden, darum Kreislaufwirtschaft.
Ökologie muss aber auch endlich sexy sein. Den geschmackstechnischen Aspekt sehe ich als meine Aufgabe an. Damit es mit der Menschheit noch möglichst lange weitergeht, braucht es eine „Umbegeisterung“ der Verbraucher in Bezug auf die Wahl ihrer Lebensmittel, auch mittels Role Models.
Wir können die Menschheit nicht von heute auf morgen auf Algenöl trimmen, müssen aber vermitteln, was man eigentlich zur Ernährung benötigt. Und jeder sollte so viel von Ernährung verstehen, dass man nicht nur nach Preis und lächerlichen Tierwohlkennzeichnungen entscheidet, sondern weiß, was wirklich gut für sich und die Umwelt ist. Seit Jahrzehnten ist Gemüse doch nur da, um die Teller bunt zu gestalten.
Wasser sparen lässt sich bei der Lachszucht mit dem Recirculating Aquaculture System, die der Volkswohl Bund finanziert.
Axel-Rainer Hoffmann: Passend zu Überlegungen zur Kreislaufwirtschaft kamen wir zur landbasierten Lachsaufzucht, die uns von Anfang an begeistert hat. Uns war zu Beginn nicht klar, mit welch großem CO₂-Footprint eben auch der Lachs verbunden ist, den wir konsumieren. Der Transport zum Verbraucher erfolgt aus Norwegen oder gar aus Chile. Auch wird das Meer verschmutzt, es bestehen Parasiten- und in der Folge Antibiotikaprobleme. Zudem können die Lachse auch in die Natur entweichen, wo diese Raubfische zumindest in Chile auf natürlichem Wege gar nicht vorkommen. Für Verbraucher bedenklich ist auch, dass die Lachse Mikroplastik schlucken, welches die Meere verschmutzt.
Alle diese Probleme lassen sich durch die landbasierte Lachsaufzucht vermeiden. Bei unserer Unternehmung Pure Salmon steuern und kontrollieren wir Wasser- und Nahrungszufuhr und können Exkremente als Dünger oder Biomasse weiterverwenden.
Handelt es sich um ein 100-prozentiges Kreislaufsystem?
Hoffmann: Nein. Das Wasser wird zwar ständig gefiltert und ¬gereinigt, aber da Wasser verdunstet, braucht es immer wieder etwas Frischwasserzufuhr. Naturschonend ist aber vor allem – Stichwort CO₂-Abdruck – dass wir näher am Verbraucher sind.
Unsere erste Anlage steht in der Nähe von Warschau und dient uns als Entwicklungs- und Research-Center. Nun beginnen wir mit dem Bau der ersten großen Anlagen in den USA, in Japan und in Europa in der Normandie. Dann lassen sich in einem relativ überschaubaren Umkreis die Abnehmer erreichen, ohne Schiffe oder Flugzeuge zu benötigen. Das passt nicht nur zu unseren Nachhaltigkeitszielen, sondern hat auch den positiven wirtschaftlichen Nebeneffekt, preiswerter als die übliche offshore-Käfigzucht produzieren zu können.
Findet sich der Gedanke der Kreislaufwirtschaft auch an anderer Stelle im Portfolio?
Hoffmann: Es ist nicht einfach, Investitionen mit überschaubarem Risiko und auskömmlicher Rendite zu finden, die tatsächlich nachhaltig sind. Wir investieren zwar seit langem in Erneuerbare Energien, haben aber ein zur Lachsaufzucht vergleichbares Investment noch nicht gefunden. Wir sind aber auf der Suche. Man muss jedoch sehr aufpassen, nicht auf ein Greenwashing hereinzufallen. Bei der landbasierten Lachsaufzucht sind wir aber nach reiflicher Überlegung zum Schluss gekommen, dass diese dem Zielbild wirklich sehr nahekommt.
Auf der liquiden Seite sind Anleihen und Aktien von Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, meist die interessanteren Papiere für uns. Wir fangen aber auch bei uns selbst an: Wir wollen in unseren ¬Büros auf Papier- und Wasserbrauch besser achten und Solarpanels installieren.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Juni-Ausgabe von portfolio institutionell. Diese erscheint am 24. Juni.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren
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