Kreditversorgung ja, Stromversorgung nein
Die Transnet-Transaktion war auch im Sparkassensektor begehrt. Eine große Mehrheit der baden-württembergischen Institute entschloss sich zur Zeichnung. Immerhin 18 Sparkassen entschieden sich aber dagegen. Gegen das Konsortium sprach für diese nicht zuletzt das Volumen.
Das Transnet-Asset war in Baden-Württembergs Sparkassensektor begehrt. Von der Bundesnetzagentur garantiert etwas mehr als fünf Prozent zu bekommen, als Teil eines Konsortiums im Kielwasser und Sog eines Lead Investors zu schwimmen und einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit sowie auch zur Produktionssicherheit der Firmenkunden leisten zu können, klingt attraktiv. In diesem Sinne teilt die zum Südwest-Konsortium zählende Sparkasse Zollernalb mit: „Ziel der Investition ist (jedoch) nicht nur eine stabile und attraktive Rendite, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zum Ausbau der deutschen Energie-Infrastruktur und zum Gelingen der Energiewende.“
Denn schließlich ermögliche der Ausbau der Übertragungsnetze den Transport von grüner Energie vom Norden in den Süden Deutschlands. „Als ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Investment passt der Anteilserwerb an TransnetBW optimal in die Anlagestrategie der Sparkasse Zollernalb“, so die in Balingen ansässige Sparkasse.
Die Sparkasse Zollernalb zitiert in der bereits im Mai veröffentlichten Mitteilung auch Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg: „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat allen vor Augen geführt, wie wichtig eine sichere Energieversorgung ist. Dies gilt auch für das Strom-Übertragungsnetz. Mit der Investoren-Gruppe aus Baden-Württemberg unter der Führung der SV Sparkassen-Versicherung können wir aus Baden-Württemberg heraus die nötigen Investitionen tätigen. Dies ist für die Sparkassen-Finanzgruppe Teil ihres öffentlichen Auftrags”, wird Schneider zitiert.
Dieser Argumentation folgen aber immerhin 18 der 50 Sparkassen in Baden-Württemberg nicht. „Zum öffentlichen Auftrag zählt die Kreditversorgung und nicht die Stromversorgung!“, widerspricht ein Treasurer einer großen Sparkasse. Wesentliche Gründe, zur Transnet-Transaktion Abstand zu halten, liegen für diese Sparkasse an der Konstruktion des Konsortiums und am Asset. „Wir tun uns schwer damit, dass jemand anderes für uns den Lead-Investor macht. Zumal unsere Stimmrechte in einem Konsortium kein großes Gewicht haben“, erklärt der Treasury-Mitarbeiter, der hinzufügt, dass das Konsortium mit knapp 25 Prozent auch keine Sperrminorität habe.
„Ein weiterer Grund für uns, sich nicht an Transnet zu beteiligen, waren aber interessante Renditealternativen. Wir sind beispielsweise in einen Energieinfrastruktur-Fonds allokiert, der europaweit in Netze investiert und ein Renditeziel von sieben bis acht Prozent verfolgt. Dessen Rendite ist zwar weniger sicher, was jedoch für uns durch den Aufschlag, die breitere Diversifikation des Fonds und dadurch, dass dessen Return nicht gedeckelt ist, kompensiert wird.“
Regulatorik macht Fonds anspruchsvoll
Was portfoliotheoretisch völlig stimmig ist, hat jedoch in der Praxis von Kreditinstituten noch einen anderen, regulatorischen Kontext – gerade auch mit Blick auf die Umsetzung und Reportinganforderungen für die Capital Requirements Regulation, CRR, MaRisk und Großkreditmeldungen. Dies betont Alexander Beigel. Leiter der Abteilung Analyse und Fondscontrolling (Risikocontrolling Alternatives) der LBBW-AM: „Fonds und insbesondere Dachfonds können für Kreditinstitute in der Administration viel komplexer als ein Einzel-Asset sein.“
Dass die administrative Verarbeitung geschlossener Fonds in den Systemlandschaften für Sparkassen alles andere als trivial ist, ist auch von einer kleineren Sparkasse zu erfahren, die bei Transnet ebenfalls abstinent bleibt. „Transnet ist aus meiner Sicht ein attraktives Asset“, so ein Depot-A-Mitarbeiter. „Unser Vorstand hat sich aber dagegen entschieden. Damit kann ich gut leben, weil die Einbindung neuer Produkte, die nicht von unseren üblichen Anbietern stammen und keine klassischen Wertpapiere sind, sehr viel Zeit kostet. Das wäre bei Transnet auch der Fall gewesen.“
Für Beigel ist die „Mundgerechtigkeit“ ein wichtiger Punkt. „Viele Teilnehmer des Konsortiums investieren zum ersten Mal in Infrastruktur. Mit einer Investment-KG haben wir eine deutsche Struktur geschaffen, die den Ansprüchen von Sparkassen und Versicherungen bezüglich CRR II, CRR III, Solvency II und Anlageverordnung gerecht wird.“ Dafür wurde auch einiges an Arbeit geleistet. Beigel: „Um die Struktur und den Deal auf- beziehungsweise umzusetzen waren zeitweise mehr als 20 Rechtsanwälte von Kanzleien und Firmen beteiligt. Zudem gibt die LBBW und LBBW Asset Management Investment mbH als Vertriebsstelle auch noch viele weitere Hilfestellungen nach der Investition“, so Beigel.
„Staat muss Finanzierung neu denken“
Für erfahrene Infrastruktur-Anleger dürfte es auch gewöhnungsbedürftig gewesen sein, dass es zunächst bezüglich der Transparenz der Transaktion bezogen auf das Bieterverfahren nicht besonders in die Tiefe ging. Dies begründet sich damit, dass mit Blick auf Gremien-Verflechtungen im öffentlich-rechtlichen Raum eine gewisse Zurückhaltung mit Informationen zunächst angebracht war, um jegliche politische Diskussion erst gar nicht aufkommen zu lassen. Gerade mit Blick auf die zu investierenden Summen hätte sich aber die bereits erwähnte größere Sparkasse mehr Transparenz gewünscht. „Unsere Ticketgröße hätte deutlich über unserem internen Wohlfühl-Einzeladressrisiko-Limit gelegen.“
Anzunehmen ist, dass diese Grenze bei anderen Sparkassen gerissen wurde. Dass die von den Sparkassen zu investierenden Volumina ziemlich hoch sind, lässt sich auch von einem Aktien- und einem Infrastruktur-Manager erfahren. Die beiden berichten, dass es wenig Sinn macht, in den nächsten Monaten bei den Mitgliedern des Konsortiums mit ihren Anlagestrategien vorstellig zu werden.
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Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Energieversorger | Energiewende | Infrastruktur | Sparkassen | Titelstory
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