Pensionskassen
8. Mai 2020

Konzentriert und kleinteilig

Die umstrittene Sozialversicherungsreform in Österreich lässt das Pensionssystem weitgehend unangetastet. Dennoch ist in den vergangenen Jahren in der betrieblichen Altersvorsorge viel passiert.

Viele der kleineren Pensionskassen wurden von ihren größeren, überbetrieblichen Pendants übernommen. Mehr und mehr an ­Bedeutung gewinnt Nachhaltigkeit.

Weniger ist mehr, denkt man sich manchmal. Ob das auch für die Sozialversicherungsreform in Österreich gilt, bleibt abzuwarten. Wesentliches Ziel der Reform ist eine Zusammenlegung der zuvor 21 Träger der Sozialversicherung aus Pensionsversicherung, Krankenversicherung und Unfallversicherung auf nunmehr fünf, wobei die Zusammenlegungen in erster Linie die Krankenversicherung betreffen. Die Pensionsversicherung und auch die Unfallversicherung bleiben bestehen. Der Hauptverband der Sozialversicherung wird auf einen Dachverband geschrumpft.

Doch könnte sie sich als weniger tiefgreifend erweisen, als ihre ­Erfinder aus der konservativ-rechtsaußen-Koalition zwischen ÖVP und FPÖ es vorhatten. Sie versprachen Kosteneinsparungen in Form einer „Patientenmilliarde“ und eine Verschlankung des Verwaltungsapparats. Trotz erheblicher Kritik, die Reform würde vor allem die Arbeitnehmervertreter in den Gremien entmachten und, entgegen des Versprechens, nicht zu wesentlichen Kostenein­sparungen führen, wurde die vom Nationalrat 2018 beschlossene Reform nach dem Bruch der Koalition im Zuge der Ibiza-Affäre umgesetzt. Die Rechtmäßigkeit der Fusionspläne als Kern der ­Sozialversicherungsreform hat dann Ende 2019 auch der Ver­fassungsgerichtshof ­bestätigt. Dagegen kassierte er Teile der ­Reform wieder ein, zum Beispiel die neuen staatlichen Aufsichtsmöglichkeiten in der Sozial­versicherung, die dem ­Sozialministerium weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in die Selbstverwaltung hätten einräumen sollen.

Auch wenn die aktuelle Reform die Pensionsversicherung unangetastet lässt, denkt man in Österreich inzwischen in Expertenkreisen über eine Anhebung des Renteneintrittsalters nach. Das Land, das von etwa neun Millionen Einwohnern durch die Verrentung der Babyboomer-Generation bald 2,5 Millionen Pensionisten hat und in dem auch Selbstständige und Beamte in die staatliche Pensionsversicherung einzahlen müssen, leistet sich bisher einen Luxus. Das Pensionseintrittsalter liegt für Frauen noch bei 60 und für Männer bei 65 Jahren. In Österreich liegt der Rentenbeitrag mit 22,8 Prozent auch etwas höher als in Deutschland, die ausgezahlte Rente dafür im Schnitt etwa 40 Prozent über der Durchschnittsrente in Deutschland. Tu felix Austria!

Pensionskassen: Nur drei große Player

Im System der betrieblichen Altersvorsorge ist viel in Bewegung. Das Ergebnis ist eine gewisse Marktkonsolidierung beziehungsweise Konzentration. Das derzeitige System besteht seit 1990. In diesem gibt es fünf Haupt-Durchführungswege, darunter ­Pensions- und Vorsorgekassen. Die Zahl der Pensionskassen sank in den vergangenen Jahren stetig. So hat sich ihre Zahl von 21 in 2006 auf mittlerweile acht verkleinert. Maßgebliche Player sind in Österreich aber nur drei Pensionskassen. Österreichs größte ­Pensionskasse, die VBV, gab im September bekannt, die Porsche Pensionskasse rückwirkend zum 1. Januar 2019 zu übernehmen. Hier zeigt sich, dass viele kleine Pensionskassen häufig sehr klein sind. Zu klein um den Verwaltungsaufwand durch die gestiegene Regulatorik, auch auf EU-Ebene, noch zu stemmen. Die Porsche Pensionskasse hatte circa 1.200 Berechtigte und ein Vermögen von gerade mal 100 Millionen Euro. Anlässlich der Übernahme teilte die VBV mit, man habe allein in den vergangenen drei Jahren „durch Zukäufe, Ausschreibungen und an die Pensionskasse ­erfolgte Auslagerungen um 450 Millionen Euro wachsen“ können. Zu den Zukäufen gehörte in 2017 auch die Pensionskasse des ­Energieversorgers EVN, deren Vermögen damals rund 170 Millionen Euro betrug. Zudem mandatierte Bosch Österreich die VBV ­Anfang 2019 für die neu eingeführte betriebliche Altersvorsorge.

Neben den Pensionskassen existieren noch acht Vorsorgekassen, wobei die Unternehmens-Gruppen Bonus, Valida, VBV, APK und Allianz neben ihren Pensionskassen auch noch eigene Vorsorgekassen ­haben. Nach Angaben des Fachverbands der Pensionskassen in ­Österreich gibt es seit der „Porsche-Übernahme“ derzeit nur noch drei betriebliche Pensionskassen. Das sind Bundespensionskasse, Sozialversicherungspensionskasse und IBM Pensionskasse. Die fünf weiteren, VBV, Allianz Pensionskasse, APK, Bonus Pensionskasse und Valida sind dagegen überbetriebliche Pensionskassen und mit einer Marktabdeckung von 91 Prozent die wichtigeren im System. Zu den Marktführern zählen im Nachbarland drei ­Pensionskassen: Die VBV-Pensionskasse ist die größte mit in 2019 7,66 Milliarden an Assets under Management. Auf sie folgt die ­Valida Pensionskasse mit etwa 6,5 Milliarden verwaltetem Vermögen (Ende Dezember 2018). Drittgrößte Pensionskasse ist die APK Pensionskasse mit etwa 5,5 Milliarden Euro Assets under Management (Stand: April 2019). Anspruch auf eine Firmenpension haben nach Angaben des Fachverbandes der Pensionskassen 976.000 Österreicher oder 23 Prozent der Arbeitnehmer (Stand 2019).

Die österreichischen Pensionskassen verwalten zusammen 24,5 Milliarden Euro, die durchschnittliche Aktienquote lag im zweiten Quartal 2019 bei 32 Prozent, zu 47 Prozent waren die ­Pensionskassen in Anleihen investiert. High Yield erscheint hier offenbar eine ­beliebte Beimischung zu sein: „Durch Veranlagung in Non-Investment-Grade-Staats- und Unternehmensanleihen in Höhe von sechs bis 16 Prozent der Gesamtallokation werden durch höheres Kreditrisiko zusätzliche Erträge erwirtschaftet. Das Zinsrisiko wird oft taktisch über Derivate gesteuert“, heißt es im Bericht der Finanzaufsichtsbehörde FMA zur Lage der Pensionskassen vom ­September 2019. Die Quote für Alternatives – Immobilien werden separat ­ausgewiesen und belaufen sich im Durchschnitt auf unter fünf Prozent Anlagevolumen – ist noch niedrig, wächst aber schnell. Seit Ende 2015 bis Ende Juni 2019 hatten sich Investments in ­Private Markets auf über 2,3 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.

Was auf den ersten Blick übersichtlich erscheint, stellt sich auf den zweiten als äußerst kompliziert heraus. Denn die Kapitalanlage der einzelnen überbetrieblichen Pensionskassen ist in vielen Portfolien organisiert, den so genannten VRGn, den Veranlagungs- und Risiko­gemeinschaften. Nach dem Pensionskassengesetz muss eine überbetriebliche Kasse für Kunden mit mehr als 1.000 ­Mitarbeitern verschiedene Risikoprofile anbieten, wie zum Beispiel ein Lebenszyklusmodell oder ein Wertpapier-Rentenportfolio mit einem ­extrem niedrigen Diskontsatz, der von der FMA festgelegt wird, um eine bestimmte Höhe der Rentenauszahlung bei minimalem Risiko zu garantieren. Wie es im FMA-Bericht von 2019 heißt, gab es Ende 2018 ganze 105 solcher VRGn, wobei 80 Prozent des ­verwalteten Vermögens bei den drei größten Pensionskassen lag.

Was die Renditen angeht, so war das vergangene Jahr für Austrias Pensionskassen ein sehr gutes Jahr. Wie die Oesterreichische ­Kontrollbank im Februar mitteilte, erzielten die Pensionskassen im Durchschnitt eine Performance von 11,6 Prozent. Spitzenreiter war hier die APK Pensionskasse mit 14,24 Prozent Rendite für 2019. „Besonders erfreulich ist, dass alle 18 VRGn mit ihrer Performance über dem Marktdurchschnitt liegen und eine Performance ­zwischen 12,7 Prozent und 16 Prozent aufweisen“, teilte die Kasse im ­Februar mit. Die größere VBV-Pensionskasse kam in 2019 auf 11,7 Prozent, das „beste Ergebnis seit 1993“, so die Kasse. Im europäischen ­Vergleich liegen die österreichischen Pensionskassen im Zeitraum von 2008 bis 2018 meist im Mittelfeld. Die langfristige durchschnittliche Rendite über zehn Jahre liegt bei den überbetrieb­lichen Pensionskassen und deren VRGn mit defensiver Ausrichtung bei 3,23 Prozent, bei dynamischer Veranlagung bei 4,98 Prozent.

Renditestarkes Jahr 2019

Auch das Thema Nachhaltigkeit wird von den österreichischen Pensionskassen immer ernster genommen. Gemäß der IORP-II-Richtlinie (in Deutschland EbAV-II genannt) müssen auch sie Nachhaltigkeitsfaktoren in ihrem Risikomanagement berücksichtigen. Einige Kassen versuchen auch, mit Nachhaltigkeit gezielt bei Kunden zu punkten und besonders innovativ zu sein. So hat die VBV Pensionskasse sich als erste Pensionskasse im deutschsprachigen Raum schon 2015 verpflichtet, den CO2-Fussabdruck ihrer Kapitalanlage jährlich zu messen, zu veröffentlichen und schrittweise zu reduzieren. „2015 wurden zunächst die Aktieninvestments auf ihre CO2-Intensität hin bewertet. 2016 kam auch die Berechnung der Anleihen mit dazu“, schreibt die Kasse auf ihrer Website. Außerdem habe man bereits in 2015 in Abstimmung mit dem ­eigenen Ethik-Beirat beschlossen, sich aus Unternehmen völlig ­zurückzuziehen, die mindestens fünf Prozent ihres Umsatzes mit dem Abbau von Kohle erwirtschaften. 2016 sei dieser Divestment-Prozess abgeschlossen gewesen.

So viel Transparenz bringt aber auch Risiken, wie die jüngsten ­Zahlen zeigen: Nachdem der CO2-Fussabdruck des ­Aktienportfolios zunächst deutlich reduziert werden konnte, lag er zuletzt per 31.12.2019 bei 79,2 tCO2e / EUR 1 Million invested, also 79 Tonnen des Carbon Dioxide Equivalent pro Million Euro an investiertem Kapital und damit leicht über dem Wert vom Mai 2019 mit 76 tCO2e. Damit liegt das Portfolio aber immer noch deutlich unter dem Vergleichswert des MSCI-Welt-Portfolios mit 129,3 tCO2e / EUR 1 Million invested.

Die betriebliche Altersvorsorge in Österreich ist kompliziert. Stark ist das Rentensystem im Nachbarland vor allem wegen des staat­lichen Pensionsversicherungssystems im Umlageverfahren. Wo ­alle Erwerbstätigen einzahlen, lassen sich bessere Renten erzielen. Dieser Sachverhalt könnte auch für Deutschlands ­Rentendiskussion eines Tages interessant werden.

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