Traditionelle Anlagen
21. April 2023

Kommunalanleihen mit (unterschätztem) Klimarisiko

US-Kommunalanleihen scheinen nicht nur wegen ihrer sehr niedrigen Ausfallraten attraktiv. Doch obwohl es am Markt inzwischen mehr Green Bonds gibt, spiegeln die Renditen der Munis ESG-Risiken oft nur ­unzureichend wider.

Für US-Anleger wegen ihrer Steuervorteile bedeutend, bieten US-Municipal Bonds auch institutionellen Anlegern aus dem hiesigen Raum Chancen. Vom Flight-to-quality infolge der jüngsten US-Bankenpleiten haben Munis offenbar sogar profitiert. Wie das ­Portal ‚The Bond Buyer‘ am 13. März berichtete, waren Kurse von Munis in der Folge der SVB-Pleite gestiegen. Der gesamte Markt für US-Municipals­ umfasst nach Angaben von Insight ­Investment rund vier Billionen Dollar, der Vermögens­verwalter Nuveen beziffert ihn auf aktuell rund 3,7 Billionen Dollar. „Es handelt sich um einen fragmentierten Markt mit rund 56.000 Emittenten aus Städten und Kommunen, aber auch bundesstaatlicher Stellen sowie der ­kommunalen Unternehmen, wie zum Beispiel regionale Energieversorger“, erläutert David McNeil, Head of Responsible ­Investment Research and Innovation bei Insight Investment.

In ­einer Studie vom Dezember 2022 hat McNeil für den Investment­manager unter anderem untersucht, welche ESG-Risiken für US-Kommunalanleihen wesentlich sind. Die Studie identifiziert eine Materialität vor allem der physischen und transitorischen Klima­risiken in der Asset-Klasse der US-Municipal Bonds, die bisher am Markt noch nicht, beziehungsweise unzureichend eingepreist ­würden, so das Hauptergebnis der Studie. „ESG-Risiken sind am Markt weitgehend nicht eingepreist. Das ist ­teilweise bedingt ­dadurch, dass die Markthistorie nicht belegt, dass solche Risiken sich auf die Kreditwürdigkeit der Emittenten ­auswirken, was ­wiederum auch daran liegt, dass meist staatliche Stellen hinter den Emissionen stehen, bei denen Investoren davon ausgehen, dass sie nicht zahlungsunfähig werden“, erläutert McNeil. Dies erkläre, ­warum die Renditen für vergleichbare langlaufende ­Anleihen für große Infrastrukturprojekte unabhängig vom ESG-­Risiko oft fast identisch seien. „Die Renditen sind ­nahezu ­dieselben, ­unabhängig davon, ob die Projekte in Gebieten mit ­hohem physischem Klimarisiko (zum Beispiel Miami) oder mit ­geringerem ­Risiko (zum ­Beispiel Chicago) liegen“, so David McNeil. Insight ­Investment ­zufolge gibt es also bei US-Munis kein „Greenium“ für solche ­Anleihen, die ­niedrigeren ESG-Risiken ausgesetzt sind. Der Studie von Insight Investment zufolge sind ESG-­Risiken vor allem in vier Bereichen tragend, welche in die Analyse der Kreditrisiken ­einbezogen werden sollten: Erstens physische Klimarisiken ­aufgrund von ­Wetterextremen wie Feuer, Überflutungen, Stürmen und Dürren, zweitens steigende Kapitalkosten aufgrund von Anpassungs­maßnahmen an den ­Klimawandel, drittens ­transitorische Klima­risiken und viertens ­demografische ­Veränderungen, wie die der Alterstruktur der Bevölkerung.

Auch Nuveen sieht für manche Segmente der Municipals Demografie-Risiken. Auf die Frage, welche Kredit- oder Bonitätsrisiken in welchen Segmenten tragend sind, antwortet Dan Close, Head of Taxable Municipals bei Nuveen: „Im Hinblick auf breitere Kredit­risiken sehen wir unter anderem kleinere, von Studiengebühren abhängige Privatuniversitäten, die mit dem demografischen Wandel und dem zunehmenden Wettbewerb konfrontiert sind.“ Insgesamt seien die Fundamentaldaten von Kommunal­krediten ­jedoch sehr solide und dürften mittelfristig ­stabil bleiben, ­insbesondere bei Investment-Grade-Kommunalanleihen, schätzt Close. Das ­Besondere an der Asset-Klasse Municipal Bonds ist auch der ­Infrastrukturcharakter vieler Investments, die über ­US-Kommunalanleihen üblicherweise finanziert werden, betont auch Jeffrey Burger, Senior Portfolio Manager Municipal Bonds bei ­Insight Investment: „Municipal Bonds haben einen intrinsischen Nachhaltigkeits- und Impact-Charakter, denn es handelt sich bei den finanzierten Assets hauptsächlich um Infrastruktur und um Unternehmungen mit Monopolcharakter. Es geht um die Finanzierung öffentlicher Güter, um Flughäfen, um ­Anlagen für die ­Wasseraufbereitung, um Schulen, Gesundheits­einrichtungen und um öffentliche Institutionen“, nennt Burger ­Beispiele. Darunter finde sich auch der Bau von Wohnungen und die Planung und ­Errichtung öffentlicher Gebäude. Der Studie von Insight Investment zufolge sind auch die Ausfallraten im ­langfristigen Vergleich sehr viel niedriger als im allgemeinen ­Corporate-Bond-Markt: Zwischen 2012 und 2022 lag, beruhend auf Zahlen der Rating-Agentur Moody‘s, die durchschnittliche ­Ausfallrate bei 0,1 ­Prozent pro Jahr; für globale Corporates betrug sie ­durchschnittlich 7,2 Prozent.

Munis immun gegen Inflation

Zahlen aus den vergangenen Jahren zeigen sogar ein noch nied­rigeres Niveau: So informiert Dan Close von Nuveen: „Nach Zahlen von Moody‘s lagen die Ausfälle in 2020 und 2021 bei etwas über zwei Milliarden Dollar, für 2022 waren Ausfälle von 1,56 Milliarden Dollar zu verzeichnen. In einem Vier-Billionen-Dollar-Markt ­bedeutet das rund 0,05 Prozent an Ausfällen pro Jahr“, so Close. „Diese Ausfälle sind fast ausschließlich in Bereichen des Marktes zu verzeichnen, die eher spekulativ sind und als ‚Below Investment Grade‘ ausgegeben werden. So entfielen beispielsweise in den ­vergangenen drei Jahren über 50 Prozent der Ausfälle auf Pflegeheime. Pflegeheime standen durch die Pandemie vor erheblichen Herausforderungen und waren, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, in der Vergangenheit immer Investitionen unterhalb der Investment-Grade-Kategorie“, erläutert Close die Daten.

Portfoliomanager Jeffrey Burger von Insight Investment zufolge verfügen Municipal Bonds meist über ein Rating von AA oder AA-, sind also mehrheitlich solides Investment Grade. Wie Nuveen auf Basis von Zahlen von Moody‘s berichtet, wurden im vergangenen Jahr knapp dreimal so viele Municipal Bonds (447 Anleihen) im ­Rating hochgestuft, wie heruntergestuft (157 Anleihen) wurden. Das Upgrading entsprach dabei einem Volumen von 387 Milliarden Dollar, das Anleihevolumen bei den Downgrades war nochmal deutlich geringer und lag bei 55 Milliarden Dollar, nach Zahlen von Moody‘s. Nach Meinung von Dan Close von Nuveen sind die Hochstufungen ein Beleg dafür, dass ­Inflationsrisiken die Kommunal­anleihen nur in geringem Ausmaß treffen: „Staatliche und lokale Regierungen generieren Einnahmen durch Einkommenssteuern, Umsatzsteuern, Grundsteuern und andere Steuern, die in den vergangenen zwei Jahren Rekord­zuflüsse produziert ­haben.“ ­Außerhalb der staatlichen und ­kommunalen Verwaltungen handele es sich bei den kommunalen Emittenten überwiegend um Monopole für wesentliche ­Dienstleistungen, wie zum Beispiel Stromversorgungsunternehmen, Wasser- und Abwasserauf­bereitungsanlagen und kritische ­Verkehrsinfrastrukturen, die höhere Kosten an den Endverbraucher weitergeben könnten. „Somit hat die Inflation im Allgemeinen vernachlässigbare Effekte auf Municipal­ Bonds“, folgert Close.

Wichtig ist darüber hinaus die Unterscheidung der beiden Hauptarten von Municipal Bonds: General Obligation Bonds (GO-Bonds) und Revenue Bonds. „Währen die General Obligation Bonds die Zahlungsversprechen einer Kommune an die Erhebung von ­kommunalen Steuern gekoppelt sind, sind die Zahlungsver­sprechen aus einem Revenue Bond mit spezifischen Erlösen aus der Bewirtschaftung eines Assets verbunden“, erklärt Portfolio­manager Jeffrey Burger. Dabei kann es sich zum Beispiel um ­Gebühren für die Nutzung einer Straße oder der gezielten Besteuerung von Verkaufsumsätzen oder Hotelübernachtungen handeln. Mittlerweile spielen Revenue Bonds bei Neuemissionen eine ­immer größere Rolle. So nahmen sie Nuveen zufolge 2021 etwa zwei Drittel des emittierten Anleihevolumens ein. Zudem seien die Credit Spreads von GO-Bonds enger, Revenue Bonds böten also in der Regel einen Renditevorteil. „Zudem verfügen Marktteilnehmer oftmals nicht über die nötigen Research-Ressourcen und so kommt es häufiger zu Fehlbewertungen und Renditen, die im Verhältnis zu den Kreditrisiken attraktiv sind“, sagt Dan Close.

Dem Marktsegment der nachhaltig gelabelten Municipal Bonds widmet sich eine Studie („The thematic ESG approach in US ­Municipal Bonds“) der Principles of Reponsible Investment (PRI) aus dem ­Januar. Diese betrachtet das Marktwachstum von Green, Social und Sustainability Bonds als so genannten Use-of-Proceeds-Bonds gegenüber den Sustainability-Linked-Bonds und stellt fest, dass die gelabelten Bonds oftmals über keine externe Prüfung ­verfügen. Beispielsweise hätten in 2021 nur 64 Prozent der Muni Green Bonds eine solche externe Prüfung vorweisen können. ­Jedoch wächst der Markt gerade schnell. Seit der ersten Green-Bond-Emission durch Massachusetts im Jahr 2013 schätzen die PRI das Volumen an Neuemissionen nachhaltig gelabelter ­Anleihen auf über 60 Milliarden Dollar. Bereits in 2021 seien die Neuemissionen allein für Use-of-Proceeds-Bonds auf rund 46 ­Milliarden Dollar angewachsen, was einem Anteil an den gesamten Muni-Neuemissionen von etwa 9,7 Prozent entspricht. ­Burger von Insight Investment schätzt, dass auch die 391 Milliarden ­Dollar an Klima- und Energieförderung im Rahmen des ­Inflation Reduction Act (IRA) in den kommenden Jahren für einen Schub an ­ökologisch und sozial nachhaltigen Projekten sorgen könnten. Auch die PRI-Studie sieht hier Potenzial­: „Steuergutschriften im Rahmen des IRA können auch Anreize für Municipal-­Emittenten setzen, grüne Projekte durch steuerbefreite Anleihen zu ­finanzieren“, heißt es in der Studie der PRI vom vergangenen Januar.

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