Investoren
30. November 2022

Kanada lockt Auswanderer und Anleger

Der kanadische Immobilienmarkt ist voller Chancen, insbesondere für Großanleger aus Deutschland. Und das beliebte Einwanderungsland gilt gerade jetzt als sehr gute Investment-Option.

Das aktuelle Anlagejahr haben viele Kapitalmarktteilnehmer schon lange abgehakt. Manche sagen, es sei geradezu Stillstand eingetreten im Vertrieb. Das ist verständlich. Vielen ist nach teils zweistelligen Verlusten mit Aktien und Anleihen die Lust am Investieren vergangen. Neue Engagements wurden auf Eis gelegt.

Das betrifft sogar die lange Zeit sehr gefragte Anlageklasse Real Estate, wie die Bestandshalterin LEG, mit rund 166.000 Mietwohnungen ein bedeutendes Wohnungsunternehmen in Deutschland, berichtet. Die LEG will derzeit mehr als 5.000 Wohnungen verkaufen. Doch der Prozess gestalte sich „aufgrund der abwartenden Haltung eines Großteils der Investoren“ sehr aufwändig, berichtet das Unternehmen. Anders als früher seien derzeit keine großen Pakete gefragt, sondern vornehmlich kleine Losgrößen bis hin zu einzelnen Gebäuden, beklagt die LEG.

Zu den Großanlegern, die Investments verschieben und die weitere Entwicklung von Zinsen, Immobilienpreisen und Renditen abwarten, gehört zum Beispiel Melanie Kümmel, Vorstandschefin der TK Pensionsfonds AG in Hamburg. Ursprünglich wollte ­Kümmels Team in diesem Jahr seinen Immobilienbestand aufstocken. Doch man habe die Entscheidung getroffen, den Aufbau der Quote zu stoppen, sagte sie im November bei einer Konferenz in Frankfurt. Für den TK Pensionsfonds ist das ein Rückschlag, schließlich befindet sich der im Jahr 2020 gestartete Fonds in der Aufbauphase und müsste nun eigentlich mehr und mehr mit Assets bestückt werden.

Ob sich das Warten lohnt? Angesichts der aggressivsten Leitzinserhöhungen seit Jahrzehnten ziehen sich von Sydney über Stockholm bis Seattle Käufer vom Erwerb von Wohnimmobilien zurück, meldete die „Börsen-Zeitung“. Und Volkswirte gehen davon aus, dass der globale Abwärtstrend erst begonnen hat.

Krisen sind auch Chancen

Ins Blickfeld rückt aktuell das bei Auswanderern beliebte Kanada, die neuntgrößte Volkswirtschaft und das nach Russland zweitgrößte Land der Erde. Was viele nicht wissen: Vancouver und Toronto verzeichneten in den Jahren 2020 und 2021 zusammen das stärkste High-Tech-Jobwachstum auf dem amerikanischen Kontinent. Die beiden kanadischen Metropolen überholten damit sogar das aufstrebende Austin im US-Bundesstaat Texas – das im Tech-30-Bericht des Immobiliendienstleisters CBRE den dritten Platz belegte.

Der Boom hat aber auch eine Kehrseite: Immobilien im Zentrum von Toronto sind überteuert, wie der UBS Global Real Estate Bubble Index der Schweizer Großbank UBS zeigt. In dem Index, der die höchsten Preise für Häuser und Wohnungen in 25 Großstädten vergleicht, liegt die Hauptstadt der kanadischen Provinz Ontario an erster Stelle. „Die Aussichten für die kanadische Wirtschaft sind in nächster Zeit düster“, analysiert Kanada-Experte Tony Stillo von Oxford Economics. Ebenso wie zahlreiche andere Notenbanken hebt auch die Bank of Canada (BoC) die Zinsen an. Sie treffen auf einen überhitzten Immobilienmarkt. „Die rasche Straffung der Geld­politik durch die BoC zusammen mit einer sich verschärfenden Immobilienkorrektur, einer erhöhten Inflation und einer schwächeren Auslandsnachfrage wird Kanada im Herbst in eine moderate Rezession stürzen“, prognostiziert Tony Stillo.

Fondsmanager suchen für die BVK nach Objekten

Die Bayerische Versorgungskammer (BVK) investiert allerdings ­gerade jetzt mit Unterstützung durch La Salle Investment Management am kanadischen Immobilienmarkt. Der Partner sucht für die BVK, mit Assets im Marktwert von 107,3 Milliarden Euro (Stand: Januar 2022) eine der mächtigsten Kapitalsammelstellen Deutschlands, Immobilien der risikoaffinen Kategorie „Value-add“ und bündelt sie im neuen La Salle BVK Canada Advantage Fund.

Der Immobilienfonds wurde im Dezember 2021 mit einem Zeichnungsvolumen von rund 220 Millionen Euro im Auftrag der Versorgungskammer geschlossen. Sein Anlagefokus richtet sich auf die wirtschaftsstärksten und liquidesten Investmentmärkte des Landes mit der Drei-Millionen-Einwohner-Stadt Toronto im Osten sowie Vancouver im Westen. Im Umkehrschluss heißt das, dass der Fonds in keine Standorte und Nutzungsarten mit unangemessen hohen Exit- oder Vermietungsrisiken investiert.

Erst kürzlich konnte La Salle Investment Management die ersten Gebäude in Toronto für den Immobilienfonds der BVK erwerben: Logistikimmobilien und ein sogenanntes Multi-Family-Objekt. John McKinlay, CEO von La Salle Canada, sagt: „Wir sehen in Toronto einen der führenden Immobilienmärkte, und zwar nicht nur in Nordamerika, sondern weltweit. Die anhaltende positive demografische Entwicklung, die wirtschaftliche Stärke und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Grundstücken bieten Chancen für in- und ausländische Investoren über das gesamte Risikospektrum hinweg.“ Selbst in einem Umfeld steigender Zinsen ergäben sich immer noch Optionen, mit wertsteigernden Akquisitionen Rendite zu erzielen, ist McKinlay überzeugt. Laut CBRE leben mehr als 8,6 Millionen Menschen im Umkreis von 80 Kilometer um Toronto. Die Stadt ist nach Los Angeles und Chicago der drittgrößte ­Logistikmarkt Nordamerikas. Und die Region weist die höchste Bevölkerungskonzentration in Kanada mit seinen insgesamt rund 37 Millionen Einwohnern auf.

Die logistischen Eigenschaften Torontos sind hervorragend angesichts von sieben Hauptautobahnen, die Zugang zu ganz Kanada und zu den US-Grenzübergängen bieten. Auch das Schienennetz ist engmaschig: Der Markt wird sowohl von der Canadian National als auch von der Canadian Pacific Railway bedient. Der Toronto Pearson International Airport wickelt mehr als 45 Prozent der kanadischen Luftfracht ab und bedient 175 internationale Ziele.

Ein strategisch relevanter Immobilienmarkt

Die BVK ist im Rahmen eines globalen Individualmandates seit 2013 und mittels Mehranleger-Zielfonds seit 2016 in Kanada aktiv. Der neue La Salle BVK Canada Advantage Fund ist das erste BVK-Individualmandat, das sich exklusiv auf kanadische Immobilien konzentriert, wie die Versorgungskammer betont. Analog zur wirtschaft­lichen Bedeutung des Landes sei auch der Immobilienmarkt im globalen Maßstab strategisch relevant – wenn er auch etwas kleiner ist, so die BVK.

Ein langjähriger Kenner des kanadischen Immobilienmarktes ist Sven J. Matten, Partner beim Anlageberater Recan Global mit ­Managementteams in Kanada, Deutschland und Luxemburg. Das Unternehmen hat zwei auf zehn Jahre befristete Teilfonds für Investitionen in kanadische Gewerbe- und Mehrfamilienimmo­bilien aufgelegt. Die Spezialisten verfolgen einen konservativen Investmentansatz mit den Kategorien „Core“ und „Core+“ und sammeln derzeit Seed-Kapital bei deutschen Investoren ein. Aber anders als die BVK fokussieren sich Sven J. Matten und seine kanadischen Mitstreiter auf ganz Ostkanada von Ontario bis zur Ostküste mit den Metropolen Toronto, Montreal, Quebec, der Hauptstadt Ottawa sowie Halifax. „Die geografisch näher gelegene Ostküste ist für uns viel interessanter als der Westen“, sagt Matten im Gespräch mit portfolio institutionell.

Einwanderungspolitik sorgt für anhaltende Nachfrage

Doch was spricht jetzt für kanadische Immobilien? „Grundsätzlich muss man hier die Einwanderungspolitik Kanadas sehen“, sagt der gebürtige Münchner. „Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Kanada eine qualifizierte Zuwanderung von 400.000 bis 500.000 Personen pro Jahr. Das ist politisch gewollt und wirtschaftlich notwendig.“ Matten sagt, über 60 Prozent dieser Personen hätten bereits ein festes Einkommen, einen Job. „Sie brauchen Wohnungen und Büros. Das ist ein wichtiger Treiber, insbesondere im Großraum Toronto, aber auch insgesamt in Ostkanada. Das macht es auch so attraktiv.“

Gleichzeitig sei der Bedarf an Immobilien kaum zu stillen. „Kanada kommt nicht hinterher, genügend Wohnungen zu bauen beziehungsweise Büros und Gewerbeimmobilien im Allgemeinen zur Verfügung zu stellen. Das heißt, wir haben hier einen Markt, der auf viele Jahre hinaus sehr stabil sein wird, weil die Nachfrage sehr hoch ist und sehr hoch bleiben wird.“ Matten sagt, Kanada sei eine sehr gute Investment-Option. „Das haben viele bislang nicht auf dem Schirm. Eine zuverlässige Zinspolitik mit dem Ziel, die vergleichsweise geringere Inflationswelle zu brechen, ein starkes Bankensystem, ein energieexportierendes Land mit AAA-Währung und weitgehender wirtschaftlicher Unabhängigkeit von Osteuropa.“

Die BVK wiederum hebt neben „willkommenen Diversifikationseffekten“ die Transparenz und Liquidität des Marktes hervor. Historisch weise Kanada ein im internationalen Vergleich vorteilhaftes Verhältnis zwischen Rendite und Volatilität auf. Und somit risikoadjustiert attraktive Renditen. Neben diesen strategischen Überlegungen bestehe aktuell taktisch aufgrund der jüngeren Marktkorrektur ein günstiger, antizyklischer Einstiegszeitpunkt, argumentiert man bei der BVK. Gleichzeitig sorge nicht zuletzt die hohe politische Stabilität, die hohe Innovationskraft und das ungebrochene, durch hochqualifizierte Einwanderer angetriebene Bevölkerungswachstum mittelfristig für positive Fundamentaldaten und Renditeperspektiven. Vor diesem Hintergrund plant die BVK nun weitere Immobilientransaktionen in dem nordamerikanischen Land – sofern sich risikoadjustiert attraktive Investmentgelegenheiten bieten.

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