Traditionelle Anlagen
11. Juni 2018

JAHRESKONFERENZ 2018 – Satelliten im Festzins-Universum

Festverzinsliche Wertpapiere spielen bei institutionellen Investoren weiterhin eine große, für manche sogar die entscheidende Rolle. Gleichwohl beschreiten sie neue Wege für Fixed Income. Kapitalsammelstellen suchen mehr denn je nach Aktiva, die bei überschaubarem Risiko noch eine auskömmliche Rendite generieren.

Der Trend ist unübersehbar: Alternative Anlagen gewinnen an Bedeutung. Gleichwohl stellen festverzinsliche Wertpapiere weiterhin den großen Block in institutionellen Portfolios dar. Denn Renten passen nun einmal ganz hervorragend zu den Verbindlichkeiten vieler institutioneller Investoren, was man von Alternatives nicht immer behaupten kann; außerdem kann und will sich nicht jeder mit Alternativen wie direkt gehaltenen Immobilien einschließlich dem Mietrecht auseinandersetzen. Im Rahmen der Jahreskonferenz erörterten fünf Experten während einer Session, welche festverzinslichen Anlagen ihre Unternehmen bevorzugt kaufen respektive anbieten. Dazu bot die Session „Neue Wege für Fixed Income: unbeschränkte Strategien und Bond-Proxys” den idealen Rahmen.

Moderator Tobias Bürger begrüßte auf dem Podium in Berlin zunächst Silke Stremlau. Sie leitet die Unternehmensentwicklung und Kommunikation bei den Hannoverschen Kassen. Zuvor war sie als Generalbevollmächtigte bei der Bank im Bistum Essen tätig. Die Hannoverschen Kassen sind in der Branche bislang recht unbekannt, was sich aber schon bald ändern dürfte, denn man tritt nun vermehrt in der Öffentlichkeit auf. Das war früher kaum denkbar: Vor mehr als 30 Jahren als Selbsthilfe-Einrichtung für Waldorfschullehrer als eigenes Versorgungswerk außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gegründet, sind die Hannoverschen Kassen heute ein ethisch-sozial orientierter Unternehmensverbund mit einer Vielzahl von Angeboten, Projekten und Dienstleistungen rund um die betriebliche Altersversorgung. 80 Prozent aller Waldorfschulen sind Mitglied der Hannoverschen Kassen.

Da der Markt endlich ist, hat man sich für soziale, gemeinnützige und Pflegeeinrichtungen sowie Betriebe aus der ökologischen Landwirtschaft geöffnet. Zu dem Unternehmensverbund gehören unter anderem eine Pensionskasse, eine Alterskasse und eine Unterstützungskasse. Ihre Kapitalanlagen werden parallel und gemeinsam verwaltet. Den Mitgliedern möchte man die Gewissheit geben, dass mit den anvertrauten Versicherungsgeldern verlässlich, ökologisch und sozial nachhaltig gearbeitet werde. Darauf sei die Kapitalanlagestrategie ausgerichtet, so Stremlau.

Neben Silke Stremlau war auch Dr. Klaus-Michael Menz, Leiter Credits/Drittmandate bei der Gothaer Asset Management in Köln, zur Jahreskonferenz in die Bundeshauptstadt gereist. Der Credit-Bereich und alles, was die Gothaer extern managen lässt, fallen in seinen Verantwortungsbereich. Aus Sicht der drei anwesenden Asset Manager ergriffen Mahmoud El-Shaer (Vice President und Portfoliomanager bei Wellington Management), Gregory A. Gizzi (Senior Portfolio Manager, Macquarie Investment Management) und Robert Tipp (Managing Director von PGIM im Bereich Fixed Income) das Wort. Alle drei Häuser verwalten viele Milliarden Dollar für Kunden.

Fünf Blickrichtungen auf ein Ziel
Zum Einstieg in die Gesprächsrunde erfuhren die Besucher, welche Anlagen die vor etwa 190 Jahren gegründeten Gothaer Versicherungen heute im Festzinsbereich neben Staatsanleihen und Pfandbriefen erwerben. Dazu muss man wissen, dass es sich bei der Gothaer um einen mittelgroßen Versicherer handelt. Die Gothaer Asset Management verwaltet Kapitalanlagen in Höhe von circa 30 Milliarden Euro für den Gothaer-Konzern und betreut seit 1980 Publikumsfonds. Die Geschäftspolitik richtet sich nach Angaben von Dr. Klaus-Michael Menz nicht am schnellen Erfolg aus, sondern sei langfristig ausgelegt. Werte wie Kontinuität und Verlässlichkeit bildeten auch die Basis für die Kapitalanlage der Gothaer.

Aber auch dort muss man mit der Zeit Schritt halten. Für die hauseigenen Versicherungen wurde die Allokation in den vergangenen Jahren in Richtung illiquiderer Assets weiterentwickelt, wie das bei anderen Anlegern ebenfalls der Fall ist, zum Beispiel Emerging Market oder High Yield. Ein komplexeres Thema ist die Exportkreditfinanzierung, an dem die Gothaer seit Monaten intensiv arbeitet, um es sich auf der Anlageseite zugänglich zu machen. Banken ziehen sich aus dem für sie traditionellen Geschäft zurück – allerdings nicht komplett –, vielmehr unterstützen sie nun institutionelle Investoren, die hier nach Rendite suchen. Kreditinstitute sind stärker reguliert als Versicherungen und müssen je nach geschäftlicher Aktivität viel Eigenkapital vorhalten. Wegen „Basel“ stellen Geschäftsbanken bestimmte Aktivitäten ein, die sich unter Berücksichtigung der Eigenkapitalunterlegung für sie nicht mehr lohnen. Die Banken können ihre Expertise aber weiterhin einbringen; von dieser Konstruktion profitieren beide, Bank und Versicherung. Die Geldinstitute können mit ihren Kunden in Kontakt bleiben, der Versicherer kommt an attraktive, auskömmlich verzinste Aktiva.

Auf der anderen Seite engagiert sich die Gothaer auch in der kurzfristigen Handelsfinanzierung. Entsprechende Forderungen werden über einen externen Manager angekauft. Die Gothaer sucht aber nicht nur nach Ersatz für Staatsanleihen, sondern auch für Covered Bonds. Als Anlagealternative haben die Kölner vor drei Jahren zum Beispiel US-Kommunalanleihen beziehungsweise Municipal Bonds für sich entdeckt. Menz spricht nach den gemachten Erfahrungen von einer sehr ertragreichen Anlage. Weil das Aufsichtsregime Solvency II für offene Währungspositionen eine zusätzliche Belastung von 25 Prozent vorsieht, engagiert sich die Gothaer im Fixed-Income-Bereich weitgehend abgesichert im US-Dollar, um die erhöhten Solvenzkapitalanforderungen (SCR) zu vermeiden.

Absicherungskosten schlagen stärker zu Buche
Mit Municipal Bonds habe die Gothaer nach Abzug der Hedging-Kosten bei ihrem Einstieg rund vier Prozent Rendite eingekauft. Wenn man diese Rechnung heute vor dem Hintergrund der stark angestiegenen Zinsdifferenz und der daraus resultierenden höheren Hedging-Kosten aufmacht, bleiben nach Abzug der Absicherungskosten über den Daumen gepeilt noch 100 Basispunkte Rendite hängen. Und wenn die Absicherungskosten durch eine sich 2019 voraussichtlich weiter ausdehnende Zinsdifferenz zwischen Euroland und den USA steigen, dürfte man eines Tages zur Einsicht gelangen, dass eine voll abgesicherte Anlage in US-Kommunalanleihen ökonomisch keinen Sinn mehr macht.

Kommunen im Portfolio
Anschließend ergriff Gregory A. Gizzi das Wort. Gizzi verfügt über mehr als 20 Jahre Handelserfahrung mit kommunalen Wertpapieren. Von der US-Metropole Philadelphia aus befasst sich das Mitglied des Portfoliomanagementteams für festverzinsliche Wertpapiere bei Macquarie Investment Management (MIM) regelmäßig mit kommunalen Anleihenfonds. In Berlin erörterte er die Eigenschaften der von Gebietskörperschaften emittierten Bonds – keine leichte Aufgabe, eine im US-Dollar verankerte Anlage zu proklamieren, während der US-Dollar als volatile Variable an Wert verliert. Ein wesentliches Merkmal des Municipal-Bonds-Marktes besteht darin, dass rund 90 Prozent der ausstehenden US-Kommunalanleihen beziehungsweise die daraus resultierenden Kuponzahlungen für Anleger, die der US-Einkommensteuer 1unterliegen, steuerbefreit und daher besonders gefragt sind.Investoren aus den Vereinigten Staaten haben US-Municipal-Bonds seit geraumer Zeit genutzt, um ihr Portfolio abseits der bestehenden US-Credit-Allokation zu diversifizieren. Auch bei Großanlegern in Europa stieß diese Anlageklasse in den vergangenen zwei Jahren auf Interesse, wie nicht nur das Beispiel der Gothaer zeigt. Als im Laufe dieser Dekade die Rendite im Anleihenuniversum auf breiter Front in den negativen Bereich rutschte, hat sich das Interesse an US-Kommunalanleihen „dramatisch“ erhöht, erinnert sich Gizzi. Speziell für Anleger mit langem Anlagehorizont und Asset-Liability-Ansatz wie Pensionseinrichtungen seien US-Kommunalanleihen geradezu ideale Anlageinstrumente, meint er.

Mancher Beobachter kann sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass hierzulande bei der adressierten Kundschaft noch eine gewisse Scheu besteht, sich intensiver mit US-Kommunalanleihen zu befassen. Ein Grund dafür dürfte neben der Komplexität der Anlageklasse und ihrer Vielfalt auch in der Schwäche der US-Währung zu finden sein, die europäischen Anlegern ohne Hedging-Strategie in den vergangenen zwölf Monaten den Schlaf raubte.

Robert Tipp von PGIM zeigte sich in Berlin trotz des Niedrigzinsumfelds und regulierungsbedingter Herausforderungen für deutsche institutionelle Investoren überzeugt, dass es zahlreiche Opportunitäten im Markt für festverzinsliche Wertpapiere gibt, ungeachtet des Zinsanhebungszyklus, den die EZB voraussichtlich 2019 einläutet. Aktive Manager seien in der Lage, Wert zu generieren, unabhängig vom Ausblick auf die Zinsentwicklung, bekundete Tipp. Investoren sollten nach seiner Einschätzung breit diversifizieren und die bestehenden Möglichkeiten nutzen, die sich aus „unbeschränkten“ Ansätzen ergeben, etwa Strategien entlang der Renditestrukturkurve oder auf Grundlage des Kreditzyklus. Tipp managt globale Portfolios, dabei betrachtet er immer auch Opportunitäten, die sich lokal ergeben; in Europa seien das derzeit attraktive Spreads für Emerging Market Sovereigns und die europäische Peripherie, im gleichen Atemzug erwähnte er auch Collateralized Loan Obligations (CLOs).

Wenn der Direktbestand schmilzt
Mahmoud El-Shaer griff die Liste möglicher Anlagegelegenheiten seines Vorredners auf und zeigte weitere Renditequellen bei Zinsträgern. El-Shaer arbeitet im Fixed Income Credit Team bei Wellington Management. Dort konzentriert sich der Rentenportfoliomanager auf die Betreuung von Credit-Portfolien mit kundenspezifischen Anforderungen, niedrigeren Transaktionsvolumina und dem Fokus auf der Deckung von Verbindlichkeiten. Sein eigener Fokus liegt auf europäischen Unternehmensanleihen. In Berlin sagte er, dass die Kunden mehr denn je maßgeschneiderte Investmentansätze im gesamten Kreditbereich nachfragten. Ein Beispiel seien US-Kommunalanleihen, ein anderes High Yields.

Ansätze wie diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich weg von der Benchmark orientieren, teilweise auch ohne Benchmark agieren. Diese „Total-Return-Mandate“ orientieren sich vielmehr an Rendite- oder Spread-Zielen. Der Rahmen für solche Mandate sei dadurch charakterisiert, dass der Anleger eine Vielzahl von Investmentzielen verfolgt. Neben der Maximierung der Gesamtrendite gebe es auch Ziele in Bezug auf die Duration, Sektoren, Cashflows und die Minimierung von Transaktionskosten. Ein mit diesem Aufgabenspektrum mandatierter Portfoliomanager strebe einen niedrigeren Umschlag im Portfolio an, was sich in Form minimierter Transaktionskosten widerspiegelt.

Auch das Portfolio der Hannoverschen Kassen kommt nicht ohne festverzinsliche Wertpapiere aus. Angefangen bei Unternehmensüber Bank- bis hin zu Staatsanleihen ist alles dabei – und mit Nachhaltigkeitsfilter selektiert. Auf der Anlageseite wurde in der jüngeren Vergangenheit die Immobilienquote erhöht. Ausschlaggebend dafür seien Rendite- und Sicherheitsgründe gewesen, wie Silke Stremlau erläuterte, aber auch aus dem eigenen ethischen Auftrag heraus habe man hier den Hebel angesetzt. Konkret greifen die Niedersachsen auf eine Kooperation mit der Stiftung Trias zurück. Diese wurde aus ethischen Gesichtspunkten ins Leben gerufen: Hier geht es darum, Grund und Boden der Spekulation zu entziehen. Damit unterscheiden sich die Hannoveraner von anderen institutionellen Investoren. Aber natürlich sind auch sie auf die Rendite angewiesen. Mit dem Erbpachtzins haben die Hannoverschen Kassen sich eine gute und konstante Größe gesichert. Mehr darüber finden Sie in der portfolio institutionell Ausgabe vom März 2018.

Nachhaltigkeit nachhaltig gefragt
Im Rahmen der Fixed-Income-Gesprächsrunde adressierte Silke Stremlau die von Investoren zunehmend geforderte nachhaltige Kapitalanlage. Für die Hannoverschen Kassen spielen Nachhaltigkeitskriterien in allen Asset-Klassen seit Jahren eine Rolle und wurden präzise definiert. Die Steuerung erfolgt über Ausschlusskriterien, wie Stremlau mit Bedauern sagte. Damit vermeide man zwar Schlechtes, müsse sich aber die Frage gefallen lassen, was man mit der eigenen Geldanlage überhaupt bewirke. Stremlau sagte, die Hannoverschen Kassen hätten sehr engagierte Mitglieder, die sich brennend dafür interessierten, was mit ihrem Geld angestellt wird und wo sich das Unternehmen für eine nachhaltigere Wirtschaft einsetzt. Das war nun der Auslöser, sich näher mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals (SDGs)) zu beschäftigen, weil sie Nachhaltigkeit konkretisieren und greifbar machen und weil sie die Richtung vorgeben, wo das Geld hinwandern muss, um langfristig Rendite zu erwirtschaften, Probleme der Menschheit zu lösen und den eigenen Mitgliedern zu zeigen, was man als Treuhänder mit ihrem Geld anstelle.

Bei den Hannoverschen Kassen begreift man die SDGs, die während der Jahreskonferenz übrigens auch in der Nachhaltigkeits-Session thematisiert wurden (siehe S. 34), als Weiterentwicklung der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie. Bei deren Implementierung stehe man aber noch am Anfang. Bei den SDGs handelt es sich um politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, die der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen sollen, darunter zum Beispiel das Thema „Bildung“. Die Ziele wurden in Anlehnung an den Entwicklungsprozess der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) entworfen und traten Anfang Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren in Kraft. Als Investor müsse man nun alle Anlagen auf SDG-Kompatibilität abklopfen, erläuterte Stremlau. Dies sei im Fixed-Income-Bereich kein leichtes Unterfangen.

portfolio institutionell, Ausgabe 5/2018

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