Investoren
16. August 2023

Inside NZAOA

Im Verbund mit anderen geht vieles leichter. Das zeigen auch die Anstrengungen der Großanleger, die sich in der Net-Zero Asset Owner Alliance zusammengeschlossen haben. Was die Investoreninitiative jetzt plant, zeigt unser Blick hinter die Kulissen.

Manchmal müssen institutionelle Investoren auch PR-Spezialisten sein. Denn nur mit guter Öffentlichkeitsarbeit erregt man die Aufmerksamkeit, die man sich erhofft, und findet so im Idealfall auch noch Gleichgesinnte. Seit geraumer Zeit trifft das auf die Risiken des Klimawandels und die von mächtigen Investoren angestrebte Dekarbonisierung der Portfolios zu. Je mehr Akteure hier gegenüber der Realwirtschaft an einem Strang ziehen, umso besser ­fallen die Resultate aus.

Das wurde bereits im September 2019 deutlich. Damals hatten sich die (laut Pressemitteilung) „weltweit größten Pensionsfonds und Versicherer“ in der neuen und von den Vereinten Nationen einberufenen Investoreninitiative „Net-Zero Asset Owner Alliance“ (NZAOA) in New York dazu verpflichtet, ihre Anlageportfolios bis 2050 klimaneutral aufzustellen, die Netto-Treibhausgasemissionen also auf Null zu senken. Das war eine beispiellose Selbstverpflichtung, die weltweit Aufsehen erregt hat.

Der Investorenclub wurde schon Anfang 2019 von Allianz, Caisse des Dépôts, La Caisse de dépôt et placement du Québec, Folksam Group, Pension Danmark und Swiss Re ins Leben gerufen. Kurz darauf folgten die Pensionsfonds Alecta, AMF und Calpers sowie Nordea Life and Pension, Storebrand und Zurich als weitere Gründungsmitglieder.

Auch die Größe der Kapitalanlagen, um die es damals ging, war einzigartig: Die Gründungsmitglieder verwalteten urspünglich ­Assets im Wert von sagenhaften 2,4 Billionen US-Dollar. Die ­Pressemitteilung über den Gründungsakt war aber nicht nur ein Marketingcoup, sondern auch eine klare Ansage an alle Firmen, die auf externes Kapital angewiesen sind, schleunigst auf den Dekarbonisierungspfad einzuschwenken.

Man muss sich das mal ­vorstellen: Wenn ein kritischer Großanleger auf der Hauptversammlung und im Hinterzimmer gegenüber dem Vorstand Druck macht und droht, sein Kapital abzuziehen, was kann dann erst eine Gruppe von Asset Ownern vom Format einer Allianz voranbringen? Und der Druck steigt, da mehr und mehr Kapitalsammelstellen in der Asset Owner Alliance mitziehen.

Weitere deutsche Endanleger im Teilnehmerfeld

Innerhalb weniger Jahre ist das ursprüngliche Starterfeld auf ­beachtliche 85 Asset Owner gewachsen. Zugleich hat sich das von ihnen verwaltete Vermögen auf über elf Billionen US-Dollar vervielfacht. Mit der R+V Versicherung hat sich erst kürzlich eine ­weitere deutsche Versicherungsgruppe darin eingereiht. Laut ­ihres Vorstandsvorsitzenden, Dr. Norbert Rollinger, unterstreicht die R+V mit dem Beitritt zur Net-Zero Asset Owner Alliance, ihre „Selbstverpflichtung, bis zum Jahr 2050 in der Kapitalanlage klimaneutral zu sein. Im Verbund mit großen Versicherern und Pensionskassen setzen wir uns weltweit konsequent für die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ein“, so Rollinger, der auch Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft ist. Die Versicherer in Deutschland sind Kapital­geber für die Finanzierung von Immobilien und Unternehmen, von Banken und der öffentlichen Hand.

Ebenso wie andere Großanleger, die sich für eine klimaneutrale Wirtschaft stark machen (wie zum Beispiel die Provinzial, die seit 2022 in der Asset Owner Alliance mitwirkt), verweist auch die R+V auf ihr immenses Anlagevolumen von zuletzt rund 110 Milliarden Euro. Dieses sei ein großer Hebel. Finanzvorstand Marc Michallet sagt: „Als Unterzeichner der Net-Zero Asset Owner Alliance wollen wir aktiv dazu beitragen, die weltweiten Geldströme bewusst nach Nachhaltigkeitskriterien zu steuern und damit der Klimakrise zu begegnen.“

Die Assets der Bayerischen Versorgungskammer (BVK), die von München aus die Geschäfte von zwölf berufsständischen und kommunalen Altersversorgungseinrichtungen führt, sind mit ihrem Marktwert von 106,8 Milliarden Euro (Stand: Januar 2023) nur unwesentlich kleiner als die R+V. Die BVK ist seit Mai 2021 Teil der Asset Owner Alliance. Ein Jahr länger dabei ist die Church of England. Ihre drei nationalen Investmentgesellschaften bringen zusammen ein Vermögen von circa zwölf Milliarden Pfund (13,8 Milliarden Euro) auf die Waage.

Ambitionen und treuhänderische Pflichten

Investoren wie Allianz, R+V oder BVK, hinter deren Kapitalanlagen Versicherungsverträge oder auch Pensionsansprüche stehen, ­haben treuhänderische Pflichten. Sie müssen Risiken managen und Zielrenditen erreichen. Gleichzeitig verfolgen sie ­ambitionierte Dekarbonisierungspläne. Ein Blick in die Praxis zeigt, wie ein Gründungsmitglied diesen Spagat bewältigt: In ihrer Konzern­strategie zum Klimawandel stützt sich die Allianz auf drei Säulen, durch die sie etwas bewirken könne: Anticipate. Care. Enable. Frei übersetzt geht es dem Großanleger mit diesen drei Begriffen also um Prognosen, Sorgfalt und das Möglichmachen. „Unser Ziel ist es, ein Partner für unsere Kundinnen und Kunden, Beteiligungsunternehmen und verschiedene Branchen beim Übergang zu ­Netto-Null zu sein“, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht.

Ebenso wie bei anderen Clubmitgliedern steht auch bei der Allianz Ende nächsten Jahres ein Zwischenziel an. Bis dahin sollen die Emissionen aus börsennotierten Aktien und handelbaren Unternehmensanleihen im Vergleich zu 2019 um 25 Prozent reduziert werden. Außerdem will die Allianz ihr direkt gehaltenes Immobilienport­folio auf das wissenschaftlich fundierte 1,5°C-Ziel ausrichten. Auch die Bayerische Versorgungskammer verfolgt ambitionierte Ziele. Im Rahmen ihrer NZAOA-Mitgliedschaft will sie die klima­schädlichen Emissionen ihres Portfoliobestandteile bis 2025 um 22 Prozent gegenüber 2021 senken. Dies betrifft zunächst die Asset-Klassen Listed Equity, Corporate Bonds und Real Estate.

Alle Hebel in Bewegung setzen

Damit Anleger den Risiken des Klimawandels begegnen können, müssen sie alle sinnvollen Einflusshebel nutzen. Wie sie dabei ­noch wirksamer vorgehen können, zeigt das aktuelle Diskussionspapier der NZAOA „The Future of Investor Engagement: A Call for Systematic Stewardship to Address Systemic Climate Risk“. Im Mittelpunkt steht das Engagement der Anleger zur Unterstützung des Übergangs zu Netto-Null-Emissionen sowie die Notwendigkeit, neue Formen des Engagements zu erkunden.

Denn es hat sich gezeigt, dass die Anstrengungen institutioneller Anleger im Rahmen von Corporate Engagements nicht immer zum Ziel führen. Bisher konzentrieren sich kritische Asset Owner hauptsächlich auf das Engagement bei börsennotierten Unternehmen unter Einsatz von Instrumenten wie dem Dialog mit Vorständen und die Stimmrechtsvertretung auf Hauptversammlungen (Proxy Voting). Die ­Bemühungen haben nach Einschätzung der Autoren zwar viele ­Erfolge bei der Steigerung der Klimaambitionen in der Geschäftswelt und bei der Sicherstellung von Unternehmensverpflichtungen im Rahmen der aktuellen Rahmenbedingungen gezeigt.

Das unternehmerische Engagement sei jedoch weniger wirksam, wenn der Geschäftsnutzen für die geforderte Maßnahme unpraktisch, ­unwirtschaftlich oder ungewiss ist. Soll heißen: Man muss auch an die Zukunft der Unternehmen denken. Betroffen sind zum Beispiel Bereiche, in denen die geforderte Dekarbonisierung technologisch nicht umsetzbar ist, in denen es an ­wirtschaftlichen Anreizen oder an stabilen, vorhersehbaren und verlässlichen ­politischen Rahmenbedingungen mangelt. Dann werde die Dekarbonisierung nicht allein durch unternehmerisches Engagement in großem Maßstab verwirklicht werden können. In dem Fall sollten Unternehmen andere Anreize erhalten. Die Autoren – selbst Endanleger – raten in einem solchen Fall, den Schwerpunkt ihres Engagements zu verlagern.

Sektorspezifisches Engagement

Das Engagement in Sektoren und Wertschöpfungsketten ist eine Form der direkten Einflussnahme, die Anlegern zur Verfügung steht. Hier steht das Ziel im Mittelpunkt, Sektoren oder Wertschöpfungsketten zu dekarbonisieren. Dazu finden sich Investoren und Stakeholder zusammen – vergleichbare Unternehmen, ­Lieferanten, Regulierungsbehörden und Kunden. Durch die Teilnahme an ­diesen Engagements können Investoren und Firmen die regulatorischen und politischen Hürden für die Erreichung der Netto-Null-Anpassung identifizieren, so der Tipp. Anschließend können sie ihr politisches Engagement ­darauf ausrichten, die Entwicklung notwendiger Anreize und Rahmenbedingungen zu fördern, die die Angleichung an die 1,5°C-Grenze ermöglichen würden.

Ein Beispiel für Branchenengagement ist die Investor Mining and Tailings Safety Initiative im vorigen Jahr. Nach einem Dammbruch in einer Bergbauanlage in Brasilien wandte sich eine Gruppe institutioneller Investoren an über 700 Bergbauunternehmen. Die Konzerne sollten Angaben machen, wie sie den Schlamm, der bei der Aufbereitung von Erzen anfällt, lagern. Das Ergebnis der ­Initiative ist beeindruckend, führte sie doch zu einer einzigartigen globalen Datenbank und einem neuen, weltweit anerkannten ­Sicherheitsstandard für Abraumhalden.

Obwohl dieses Beispiel nicht spezifisch für Netto-Null ist, wie die Autoren einräumen, stellt es eine Fallstudie für ein effektives ­branchenweites Engagement von Investoren dar. Daran wird deutlich, was Asset Owner erreichen können, solange sie an einem Strang ziehen und es ihnen gelingt, Unterstützer zu finden.

Autoren:

Schlagworte: |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert