Alternative Anlagen
23. August 2019

Infrastrukturwandel

Infrastruktur hat bereits einen langen Weg hinter sich gebracht – und noch einen langen Weg vor sich. Die Pionierphase darf endgültig als überwunden angesehen werden. Wegbegleiter ist für Investoren ein stetiger Wandel. Erkennbar ist ein Trend hin zu neuen Segmenten, größeren Volumina und zu mehr Value-add-Strategien.

Sollten Historiker einmal nach dem Infrastruktur-Urknall für deutsche Finanzinvestoren forschen, dürften sie in einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit dem damaligen Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann fündig werden. Anno 2010 gab Diekmann zu Protokoll, dass die Versicherung „verstärkt in alternative Investments wie Immobilien, Private Equity und Infrastruktur im weitesten Sinne“ investiere. „Beispielsweise haben wir einen Vertrag mit Chicago abgeschlossen, wo wir zusammen mit verschiedenen Konsortialpartnern über eine Milliarde Dollar in Parkuhren investieren und dafür über Jahrzehnte stabile Einnahmen erhalten.“ Verpartnert hat sich die Allianz für dieses Investment mit Morgan Stanley und der Abu Dhabi Investment Authority (Adia). Diekmann bezeichnete die Parkometer in dem Interview als „ein ideales Investment“. Ideal fällt vor allem die Rendite aus. „Die Verzinsung liegt zwischen sieben und zehn Prozent“, so Diekmann. Dieses Level dürfte vor allem an dem Monopol- und Pioniercharakter liegen.

Mindestens zehn Jahre vor der Allianz haben aber bereits Pensionsfonds aus Übersee Infrastruktur als Asset-Klasse für sich entdeckt. Einer der ersten Investoren war Omers aus Kanada, zu dessen ersten Investments Straßen in Ontario zählten. Heute hat Omers etwa 18 Milliarden Dollar beziehungsweise grob ein Fünftel der gesamten Assets in Infrastruktur investiert. „In der Vergangenheit gab es nur sehr wenige Marktteilnehmer“, erinnerte sich Ralph Berg, Omers Global Head of Infrastructure, auf dem diesjährigen Infrastructure Summit in Berlin. Nun sei die Asset-Klasse aber gerade auf der Anbieterseite in hohem Tempo gereift. Reifeprozesse sind aber auch auf der Nachfrageseite zu beobachten: Berg leitet ein Team von 78 Mitarbeitern, darunter 17 Experten für Legal & Finance. In Deutschland ist Omers – zusammen mit der Allianz, Meag und Adia – seit 2015 an Tank & Rast beteiligt. Im Juni gab der leistungsorientierte Vorsorgeplan für Angestellte der kanadischen Provinz Ontario bekannt, dass man sich mit einem Anteil in Höhe von 25 Prozent indirekt an der VTG AG beteiligt hat. VTG ist das größte Waggonvermietungs- und Schienenlogistikunternehmen in Europa. „Wir freuen uns, dass wir unser zweites großes Infrastrukturinvestment in Europa abgeschlossen haben. VTG ist eine starke Ergänzung für unserer internationales Portfolio. Das Unternehmen passt gut zu unserer Strategie, in branchenweit führende Infrastrukturunternehmen mit einem robusten Geschäftsmodell zu investieren und sie aktiv zu unterstützen, um so wiederum unsere langfristigen Pensionsverbindlichkeiten zu erfüllen“, wird Ralph Berg in einer Pressemitteilung zitiert.

Die Asset-Klasse Infrastruktur ist auf Grund ihres Rendite-Risiko-Profils heute hierzulande auch bei mittelgroßen Versicherungen und bei Pensionskassen und Versorgungswerken beliebt. Direkt investiert sind beispielsweise die Gothaer und die Alte Leipziger, beide Eigner von Offshore-Windparks, oder der Volkswohl-Bund, der sich an einem Leasing-Unternehmen für Elektrolokomotiven beteiligt hat. Auch kleinere Häuser weisen teils hohe Quoten auf. So hat beispielsweise die Bayerische allein über ihre „Nachhaltigkeitstochter“ Pangaea Life 120 Millionen  Euro mit Aquila Capital in Renewables investiert und kann sich einen Ausbau auf bis zu 200 Millionen Euro vorstellen.

Daten von Preqin lassen jedoch darauf schließen, dass es vor allem die Großanleger sind, die den Markt dominieren. Für Unlisted Infrastructure in Europa konstatierte der Datenspezialist für 2018 mit 119 Milliarden Euro zum dritten Mal ein Deal-Gesamtvolumen, das über der 100 Milliarden-Euro-Grenze liegt. Allerdings sank die Anzahl der im vergangenen Jahr komplettierten Deals im Vergleich zu 2017 um 26 Prozent auf 948. Der Trend zu großvolumigen Deals zeigt sich auch darin, dass der Anteil der Deals mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro 13 Prozent ausmacht. Diese Quote wurde seit 2012 nicht mehr erreicht. „Die durch einen sehr kompetitiven Markt inflationierten Bewertungen erwiesen sich offenbar für manche Manager als Barriere“, kommentierte Preqin die unter der Überschrift „Mega Deals Drive Record Infrastructure Investment“ erschienene Analyse. Für durch Großanleger gebildete Konsortien dürfte diese Barriere weniger relevant sein.

Allianz, Meag und Talanx

Die großen deutschen Versicherungen haben auf jeden Fall bereits einige Milliarden Euro über hauseigene Teams investiert. Auf über elf Milliarden Euro Assets under Management an Eigenkapital in Infrastruktur kommt Allianz Capital Partners, das bereits seit 2007 ein dediziertes Infrastrukturteam hat. Hinzu kommen bei der Allianz auf der Debt-Seite Assets, die von AGI gemanagt werden. Auffällig ist an dem Eigenkapital-Infrastruktur-Portfolio die Vorliebe der Allianz für Gasleitungen. Über entsprechende Assets verfügt die Allianz in Großbritannien, Norwegen, Finnland, Tschechien, Österreich, Rumänien und Spanien. Jüngeren Datums sind Investments, die zwei neue Markttrends widerspiegeln, nämlich Digitalisierung und Emerging Markets. So investieren Versicherungstöchter der Allianz in Frankreich und wohl bald in Österreich in Glasfasernetze sowie in Indien in Mautstraßen. Für eine neue Epoche bei den Renewables, in die die Allianz nun über 4,5 Milliarden Euro investiert hat, stehen zwei Photovoltaik-Parks in Portugal, die in den vergangenen Monaten erworben wurden. Diese kommen nämlich ohne staatliche Fördermittel aus. Power Purchase Agreements sichern in beiden Fällen Strompreisschwankungen ab. Einer der Parks wurde auch vor Fertigstellung erworben. Auffällig am Renewables-Portfolio der Allianz ist zudem, dass dieses zwar acht Staaten umfasst, nicht aber Spanien. Dafür ist die Allianz jedoch unter anderem in Madrid und Barcelona in Metros investiert.

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