Index-Nähe kann Alpha-Spielraum schaffen
Viele Investoren setzen neben aktiven Strategien gezielt auf günstige Indexfonds und börsengehandelte ETFs. Oft schaffen sich Anleger mit solchen Indexanlagen und Low-Discretion-Strategien zudem zusätzlichen Spielraum für dezidierte Alpha-Ansätze. Dies zeigt: Die Aktiv-Passiv-Debatte ist noch lange nicht ausdiskutiert.
Passive Anlagen liegen auch bei institutionellen Investoren im Trend. Sie punkten gegenüber aktiven Ansätzen meist mit Kostenvorteilen und dem weitgehenden Ausschluss von Tracking Errors gegenüber der Benchmark. Bei Aktienstrategien an den Standardmärkten spricht oft auch die durchwachsene Erfolgsbilanz und Unbeständigkeit aktiver Ansätze für passive Lösungen. Verlässliche Vergleichszahlen sind kaum verfügbar, von der steigenden Nachfrage nach passiven Strategien profitieren die börsengehandelten Indexfonds (ETFs) sicher zum Teil, einen wohl deutlich größeren Marktanteil gerade bei größeren Anlagevolumina nehmen aber Mandate und Spezialfonds im Low- und Zero-Discretion-Bereich ein, bei denen die Asset Manager die Benchmark mehr oder weniger exakt replizieren. In ihrer Asset Allocation nutzen Investoren die passiven Strategien auch, um auf der anderen Seite Allokationen in wirklich aktive Komponenten mit klarem Schwerpunkt auf Alpha-Generierung einzugehen.
Trend zu passiv auch in der institutionellen Anlage
Als „tiefgreifendsten Trend im Asset Management“ bezeichnete vor kurzem der Anlagechef von JP Morgan Asset Management, George Gatch, das Wachstum der ETF-Industrie. Auch zahlreiche institutionelle Asset Owner nutzen die börsengehandelten Indexfonds: So setzt etwa die Pensionskasse Rundfunk (PKR) ETFs in der Taktischen wie auch der Strategischen Asset Allocation ein – und das sowohl in den Bereichen Aktien als auch Fixed Income. Bei der PKR sieht man ETFs in der Gesamtbetrachtung oft als kostengünstige Möglichkeit, um ein gewünschtes Exposure aufzubauen.
Wie die Allokatoren der Pensionskasse Rundfunk nutzen zahlreiche institutionelle Anleger ETFs. Bei JP Morgan AM verzeichnet man ETF-Nachfrage sowohl von Versicherungen als auch Pensionskassen, erklärt Ivan Durdevic, Leiter des ETF-Vertriebs für die DACH-Region. Dass ETFs inzwischen von verschiedensten institutionellen Investorengruppen breit genutzt werden, berichtet auch Oliver Trienes, der den institutionellen Vertrieb passiver Anlagen bei der DWS in Deutschland leitet. Dabei muss es nicht immer eine eigenständige Strategie sein, erklärt Trienes: „Auch in Spezialfonds werden ETFs zur Beimischung von Regionen, Ländern, Faktor-Strategien und Themen eingesetzt.“ Oft nutzen zudem institutionelle Anleger mit kleineren Anlagesummen ETFs in Nischenmärkten. Das bietet sich etwa an, wenn das Volumen zu klein ist, um einen dezidierten Spezialfonds aufzulegen, oder wenn es sich um eine rein taktische Anlageentscheidung handelt.
Doch bei weitem nicht alle Großanleger setzen ETFs ein: So geben Investoren wie etwa die Hannover Rück auf Nachfrage an, dass sie derzeit keine ETFs als dezidiertes Vehikel im Rahmen ihrer Anlagepolitik verwenden. Investoren ziehen demnach zwar in der Regel die börsennotierten Indexfonds als eines von mehreren möglichen Anlagevehikeln des passiven Investierens in Betracht. Dabei konkurrieren ETFs innerhalb des Investmentspektrums aber mit nicht börsennotierten Index- und Low-Discretion-Strategien im Spezialfondsmantel. Hier ist die Konkurrenz nicht nur zwischen den zahlreichen Anbietern, sondern auch zwischen den Anlagevehikeln groß.
Wo das aktive Potenzial und die entsprechenden Management-Kosten entfallen, entscheiden bei der Selektion am Ende oftmals wenige Basispunkte über Anbieter und Produkt. Und je nach Anlagestrategie und Volumen sind dabei ETFs nicht immer die erste Wahl. „In der Regel ist es so, dass institutionelle Anleger ihre passiven Anlageziele deutlich kostengünstiger mit Indexfonds erreichen können“, sagt etwa Tobias Bockholt, Leiter des deutschen Investment Consultings bei WTW. Das liege auch an der Art der Produktverpackung. Denn ETFs seien bereits auf Grund der mit der Börsennotierung einhergehenden Kosten mit tendenziell höheren Fees verbunden. Dazu kommt: Die wichtigen Vorteile der ETFs wie intratäglicher Handel sind für die meisten klassischen institutionellen Anleger nicht entscheidend.
Wo aktives Management punktet, und wo passiv vorne liegt
Wo aktives und wo passives Management besondere Vorteile bieten, unterscheidet sich nach Anlageklasse und Markt, erklärt WTW-Berater Bockholt. Potenzial für passive Investments sieht er vor allem bei Aktien in den Standardwerten und -märkten wie etwa dem Russell 1000. Hier ist das Outperformance-Resultat aktiver Manager oft beschränkt, wie zahlreiche Untersuchungen zeigen. „Es gibt hier nur sehr wenige Manager, die wirklich konsistent Alpha generieren“, so Bockholt. Hier kann ein passives Engagement als umfassende Allokation in Frage kommen.
Anders ist das bei Aktien in regionalen Nischenmärkten, bei Emerging Markets und bestimmten Anlagesegmenten wie Small Caps. Gerade in diesen Nischen, die weniger gut von Analysten abgedeckt werden, können eigenes Research und Analyse zu guten Ergebnissen führen. „Hier sehen wir durchaus Manager, die in der Lage sind, kontinuierlich Alpha zu erzielen“, sagt Bockholt. Als Paradebeispiel für aktives Management gelten die Anleihemärkte: Mit aktiver Durations-Steuerung und Selektion im Bereich Investment-Grade- und High-Yield-Credit können zahlreiche Asset Manager hier über längere Zeiträume einen deutlichen Mehrertrag vorweisen. „Hier raten wir in der Regel immer zu aktiven Ansätzen“, sagt WTW-Experte.
Strategischer Split von aktiv und passiv
Ob bei ETFs oder Indexfonds: Die Entscheidung zwischen aktiv und passiv ist nicht nur eine Markt-, sondern auch immer eine Kostenfrage. Und gerade da lohnt es sich, auf das Outperformance-Potenzial zu achten, erklärt Bockholt an einem Beispiel: „Wenn ein aktiver Publikumsfonds nur 20 Prozent Active Share hat, dann bezahlt der Investor am Ende 80 Prozent seiner Fees für die reine Indexabbildung mit einer Fee für aktives Management.“ Das gelte es bei der Kostenbetrachtung immer zu berücksichtigen. Denn je näher am Index gemanagt wird, umso geringer ist die Möglichkeit, aktiven Mehrertrag zu erzielen.
Dabei muss es nicht gleich so extrem sein wie in den Fällen des „Closet Indexing“, bei dem vor einigen Jahren zahlreiche als aktiv vermarktete Fonds mit minimalem Active Share für Schlagzeilen sorgten. Wenn also aktiv, dann auch richtig, so der Kehrschluss. Unter Umständen kann es sich daher lohnen, etwa bei einem Aktienbestand einen Großteil in kostengünstigen passiven Anlagen zu investieren und dafür einen aktiven Manager mit hohem Active Share für die Alpha Generierung zu mandatieren. „Diese strategische Aufteilung in passiv und aktiv beobachten wir bei Investoren durchaus“, sagt Bockholt.
Herantasten an Nachhaltigkeits-Benchmarks
Benchmark-Entscheidungen spielen vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsziele ebenfalls eine zunehmend wichtige Rolle: Auf der passiven Seite bieten ETFs – ähnlich wie Publikumsfonds – Investoren zahlreiche Abstufungen bei der Wahl der Benchmark wie Paris-aligned (PAB) bis Carbon Transition (CTB). Auf der anderen Seite haben Anleger bei den gepoolten Vehikeln keine Möglichkeit, weitergehende individuell definierte Nachhaltigkeitskriterien zu integrieren. Aber auch bei der Nachfrage nach nachhaltigen Benchmarks zögern die meisten Anleger noch. Ein Grund könnte in der Unsicherheit hinsichtlich der künftigen regulatorischen Anforderungen liegen. Bei indexnahen Spezialfondsmandaten lassen sich die individuellen Vorgaben dagegen deutlich leichter umsetzen.
Neben Nachhaltigkeits-Benchmarks spielen aber auch offenbar Klumpenrisiken eine zunehmende Rolle, seit das Gewicht von US-Aktien im MSCI World Index und auch die Tech-Lastigkeit des US-Aktienmarktes deutlich gestiegen sind. DWS-Experte Trienes sagt: „Wir merken, dass Diversifikation bei Investoren wieder ein größeres Thema ist wegen gestiegener Konzentrationsrisiken.“ In der Folge sieht er mehr Nachfrage nach gleichgewichteten Indizes sowie nach gezielten Ergänzungen in Form von Satellitenmärkten, die geringeres Gewicht in den globalen Indizes haben.
Gleitende Übergänge
Während beim Trend zu passiv Kostenaspekte immer stärker in den Fokus treten und inzwischen auch passive Aktien-ETFs mit sieben Basispunkten Gebühr keine Seltenheit sind, setzen auf der anderen Seite zahlreiche ETF-Anbieter auch stärker auf aktive ETFs. So berichtet etwa JP-Morgan-Vertriebsleiter Durdevic, dass aktive ETFs auch vermehrt von institutionellen Investoren als Ersatz oder Ergänzung für rein passive Lösungen genutzt werden, wenn es etwa um US-Aktien- oder globale Aktieninvestments geht. Bei rund 25 bis 30 Basispunkten liegen aktive Aktien-ETFs zwar deutlich über passiven ETFs und Spezialfonds, sind aber in der Regel weit günstiger als institutionelle Anteilsklassen entsprechender Publikumsfonds. Gerade für Investoren, für die Spezialfonds keine Option sind, bringt der steigende Konkurrenzdruck eine zunehmende Auswahl und Flexibilität – bei passiv wie auch aktiv.
Autoren: Jochen HägeleSchlagworte: Aktien | Aktiv vs. Passiv | ETFs
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