Alternative Anlagen
31. Januar 2024

In Stromspeichern Geld speichern

Die Energiewende hat viele Facetten und eine immer wiederkehrende heißt Wasserstoff. Sinnvolle Investitions-
möglichkeiten sind bislang allerdings rar. Ein Versorgungswerk hat nun jedoch einen Private-Equity-Fonds ausgemacht, der in Unternehmen und Projekte entlang der H2-Wertschöpfungskette investiert. Was bei der Analyse von Wasserstoff auch klar wird: Bezüglich des Energieträgers der Zukunft wird es keinen bestimmten Gewinner geben, sondern auf einen Mix an Energieträgern hinauslaufen – nicht zuletzt werden Batterien eine große Rolle spielen.

Die in Berlin regierende Fortschrittskoalition hat bekanntlich große Pläne. So zählt zu den Zielbildern der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung für das Jahr 2030, dass Deutschland Leitanbieter für Wasserstofftechnologien wird. Wörtlich heißt es: „Deutsche Anbieter bauen ihre Technologieführerschaft aus und bieten die gesamte Wertschöpfungskette von Wasserstofftechnologien von der Produktion (zum Beispiel Elektrolyseure) bis hin zu den unterschiedlichen Anwendungen (zum Beispiel Brennstoffzellentechnologie) an.“ Die Berliner Ampel steht also auf Grün – loslaufen, um das Ziel zu erreichen, müssen aber andere: Unternehmen, Asset Manager und Investoren.

„Mit Blick auf die Energiewende und das ganze Thema Nachhaltigkeit sehen wir grünen Wasserstoff als wichtigen Baustein. Dieser passt auch gut in unser Portfolio“, erklärt der Geschäftsführer einer im Norden Deutschlands ansässigen berufsständischen Versorgungseinrichtung, die lieber anonym bleiben möchte. Zur Begründung verweist der Investor auf die Suche nach langfristigen Investitionsmöglichkeiten in spannenden Nischen. „Wir fragen uns, welche Megatrends für die Gesellschaft sowie für uns spannend sind, und darum haben wir uns schon vor drei bis vier Jahren mit Wasserstoff beschäftigt. Damals haben wir aber noch keine Investitionsmöglichkeit gesehen.“ Fündig wurde das Versorgungswerk bei Senco Hydrogen Capital und deren erstem Private-Equity-Fonds. Das First Closing des Artikel-8-Fonds, dessen Zielvolumen bei 500 Millionen Euro liegt, soll nun im ersten Quartal stattfinden. Bei Beendigung des Fonds sollen die Investoren einen jährlichen Return von mindestens 20 Prozent erzielt haben. Hinter dem First Timer stehen mit Carsten Schmeding, Oliver Kolbe, Matthias Wargers sowie Wasserstoff- und Industrieexperten erfahrene Partner. Größte Investorenzielgruppe von Senco sind deutsche Investoren. Diese sind jedoch zum Teil noch zögerlich, Gelder in First Timer und neue Marktsegmente zu investieren. „Als Investitionsthema ist Wasserstoff noch so neu, dass es zwangsläufig noch keine dritte Fondsgeneration gibt. Dagegen setzen wir unsere Erfahrung, da wir selbst ja auch nicht mehr direkt von der Uni kommen“, entgegnet Schmeding. Sencos Managing Partner und CEO war zuletzt CEO und CIO der Nord LB Asset Management und der Warburg Invest AG, nachdem er viele Jahre Geschäftsleiter in der Private-Equity-Branche war, Kolbe ist seit über 20 Jahren in der Private-Equity-Branche zu Hause und „Banker“ Wargers war CEO der EAA, Deutschlands erster „Bad Bank“, zu deren Beständen auch ein milliardenschweres Energieportfolio zählte. Ferner sieht Schmeding in Wasserstoff auch weniger eine neue Technologie als vielmehr „eine für das Energiesystem zwingende Technologie“, weshalb er den weiteren Fonds-Vertrieb optimistisch sieht. „Bislang haben wir von vielen Investoren eine extrem positive Resonanz erhalten“, so Schmeding.

Das erwähnte Versorgungswerk gehört auf jeden Fall dazu. „Wasserstoff hat eine gute Zukunft und an der wollen wir partizipieren. Darum passt für uns der Senco-Fonds als Investitionsthema. Der Fonds passt aber auch von den Renditezielen und den handelnden Personen her. Diese haben wir uns genau angeschaut. Sie können auf persönlicher Ebene einen guten Track Record und durch die Zusammensetzung des Partnerteams aus Finanz- und Wasserstoffexperten viel Industrieerfahrung vorweisen“, erklärt der Geschäftsführer. Das Versorgungswerk hat derzeit 15 Prozent in Private Equity investiert und bevorzugt in der General-Partner-Selektion Spezialisten gegenüber Generalisten. „Wir arbeiten lieber mit Menschen zusammen, die von dem, was sie machen, eine umfassende Kenntnis haben. Deswegen setzen wir unser Portfolio lieber aus vielen speziellen Bausteinen zusammen, als in einen generellen Zukunftsfonds zu investieren.“ Für Interesse an dem Fonds dürfte auch dessen Ausrichtung sorgen – auch wenn es keine Beteiligung ist, die primär in der bei Investoren besonders beliebten Asset-Klasse Infrastruktur unterwegs ist. Im Fokus steht vor allem der industrielle Mittelstand in Deutschland, Dealflow sieht Senco aber auch in anderen europäischen Ländern. „Unsere Investitionsstrategie zielt auf kleinere und mittelgroße Unternehmen ab, die mit ihren Technologien, Komponenten und Dienstleistungen den Wasserstoff-Hochlauf ermöglichen“, so Schmeding. Bis zu 30 Prozent darf der Fonds auch in Infrastrukturprojekte investieren. Allerdings sei es unter Rendite-Risiko-Sicht derzeit attraktiver, bereits etablierten Unternehmen Wachstumskapital zur Verfügung zu stellen. Knapp 400 Unternehmen habe man als mögliche Investitionsziele in der Pipeline. Die Gebührenstruktur von 2 + 20 bei einer Hurdle Rate von acht Prozent ist – wie das Renditeziel – ebenfalls mehr Private-Equity-like.

 

Wasserstoff marsch: Carsten Schmeding und SencoHydrogen Capital suchen Private-Equity-Anleger.
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Go for Giga (Batteries): Gesi-CEO Walter Raizner willGroß-Batteriespeicher investierbar machen.
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Skeptiker mögen einwenden, dass bei der Energiewende ob des riesigen Investitionsbedarfs alles auf Konzerne wie Siemens, Bosch oder Eni zuläuft sowie die Produktion dort erfolgt, wo es Sonne und Wind im Überfluss gibt. Und bei beiden Entwicklungen bliebe für Mittelständler kein Platz. Schmeding verweist auf das Beispiel der Automobilindustrie, in der Zulieferer häufig bis zu 80 Prozent der Wertschöpfungskette umfassen und damit eine sehr wichtige Rolle spielen, und sagt: „Wenn Konzerne statt 100 nun 10.000 Brennstoffzellen produzieren wollen, brauchen sie neue Fabriken oder neue Fertigungsstraßen – und hierfür wieder Zulieferer, die diesen Ausbau auch mitgehen. Diese wiederum brauchen dafür viel Kapital, um ihrerseits die Produktion der nun benötigten Bauteile im industriellen Maßstab hochzufahren. Benötigt werden zum Beispiel Messgeräte, Kompressoren oder Dichtungen, die auch wesentlich für die Umrüstung der Pipelines auf Wasserstoff sind“, so Schmeding und ergänzt, dass Fremdkapital vor allem dann von Banken bereitgestellt wird, wenn ein Unternehmen auch frisches Eigenkapital für seine Wachstumspläne bekommt. „Nur zusammen mit der Mobilisierung von privatem Kapital gelingt der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.“ Hinzu kommt, dass deutsche und europäische Unternehmen ihre Bauteile weltweit exportieren können. Schmeding: „Damit schaffen unsere Geldgeber gleichzeitig
Mehrwert für unseren heimatlichen Wirtschaftsstandort, was mehr Charme hat als zum Beispiel in Saudi-Arabien zu investieren.“

Könnte aber der Export von Technologien nicht dazu führen, dass grüner Wasserstoff vor allem aus den Golfstaaten kommt und es in Deutschland keine Elektrolyseure mehr braucht? Mit Blick auf den Wasserstoff-Bedarf ist diese Befürchtung unrealistisch. So verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die heimische Elektrolysekapazität bis 2030 auf mindestens zehn Gigawatt zu erhöhen. Dies wird den Bedarf jedoch allein nicht decken. Somit geht der Bund davon aus, dass 50 bis 70 Prozent des Gesamtbedarfs, auch in Form von Wasserstoff-Derivativen wie Ammoniak und Methanol, importiert werden müssen. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena), ein bundeseigenes deutsches Unternehmen, informiert, dass die Importe in den nächsten Jahren vor allem per Schiff nach Deutschland gelangen werden. Anschließend soll der pipelinebasierte Import von gasförmigem, klimaneutralem Wasserstoff aus anderen europäischen Ländern und gegebenenfalls angrenzenden Regionen ausgebaut werden. Importieren will die Regierung vor allem aus EU-Ländern, eine Chance liege aber auch in der „Kooperation mit sonnen- und windreichen Entwicklungsländern, die ein hohes Potenzial an erneuerbaren Energien haben“.

Für die heimische Produktion bestehen jedoch auch gute Argumente. Zunächst haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre einerseits gelehrt, dass es wichtig ist, geostrategische Abhängigkeiten zu vermeiden. Andererseits, so Schmeding, wollen Teile der heimischen Schwerindustrie die Gefahr von Lieferengpässen reduzieren und sind daher an regionalen Wasserstoff-Angeboten interessiert.“ Eine dezentral-regionale Produktion schätzen auch Kommunen, die mit Wasserstoff ihren öffentlichen Nahverkehr oder ihre Müllfahrzeuge antreiben wollen.

Ein häufig angeführtes H2-Contra-Argument ist, dass Wasserstoff kein effizientes Speichermedium ist, zumal die Lithium-Ionen-Batterie schon längst erfunden ist. Bleibt Wasserstoff also der Champagner der Energiewende, der nur zu ganz speziellen Anlässen kredenzt wird? „Nein“, sagt der Vertreter des Versorgungswerks. Sinn und Zweck von Wasserstoff liege insbesondere auch gerade in der Energiespeicherung, die zur Sicherung der kritischen Netzstabilität dient. Für ihn ist Wasserstoff kein der Zierde dienendes Mosaiksteinchen, sondern „ein wesentlicher Baustein der Energiewende. Wir werden alle Bausteine benötigen. Es geht nicht um ein ‚Entweder-Oder‘, sondern um das Zusammenspiel der neuen Energiekomponenten.“ Absehbar ist auf jeden Fall, dass Batterien weiter eine große Rolle spielen – auch für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. In Berlin scheint man Batterien auf den ersten Blick sogar den Vorzug zu geben. Diesen Rückschluss könnte man schon daraus ziehen, dass in der im Dezember veröffentlichten Stromspeicher-Strategie sich das Wort Batterie 38-mal findet, das Wort Wasserstoff aber nur dreimal. Trotzdem dürfte es wie bei der Import-Export-Thematik darauf hinauslaufen, dass es verschiedene Speicherarten braucht. Wenn bis 2030 der Renewables-Anteil am Bruttostromverbrauch wie politisch geplant auf 80 Prozent steigt, braucht es mehr Speicher, um das Netz stabil zu halten, um Grünstrom-überkapazitäten zu nutzen und bei Dunkelflauten nicht immer auf umweltschädliche Gas- und Braunkohlekraftwerke zurückgreifen zu müssen.

Zudem sollte man die Veröffentlichung zur Stromspeicher-Strategie auch lesen und nicht nur Wörter zählen. In dieser steht, dass für das Wirtschaftsministerium nicht einzelne konkrete Speichertechnologien in einem bestimmten Umfang vorhanden sein müssen, sondern dass die erforderlichen Speicherfunktionen im System in Gänze erbracht werden. Für die Konstanz der Stromversorgung brauche es die schnelle Reaktionsfähigkeit der Speicher, um sehr kurzfristige Leistungsspitze aufzunehmen oder abzugeben und die Frequenz im Stromnetz zu stabilisieren. Stromspeicher eignen sich für das Ministerium aber eher zur kurzfristigen zeitlichen Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch. Längerfristig betrachtet sehen die Berliner Energieexperten jedoch: „Die Langzeitspeicherung im Strombereich für den längerfristigen und saisonalen Ausgleich von Erzeugungs- und Nachfrageschwankungen wird nach derzeitigem Kenntnisstand insbesondere durch Umwandlung von Strom in Energieträger wie Wasserstoff und anschließende Rückverstromung erbracht werden.“ Auch Wärmespeicher in Wärmenetzen konnten in Verbindung mit Großwärmepumpen Flexibilität für das Stromsystem liefern.

Schmeding plädiert dafür, das System in Gänze zu betrachten. „Batterien und Wasserstoff werden sich ergänzen. Batterien eignen sich beispielsweise für Elektroautos oder die Kurzfrist-Speicherung, zum Beispiel den Strom von Solarparks tagsüber zu speichern und nachts abzugeben. Bei Windparks halten aber Flauten oder Stürme oft länger als 24 Stunden an. Batterien sind jedoch nach einem Tag leer oder voll – und dann eine ineffiziente beziehungsweise zu teure Lösung.“ Schwieriger werde es nun auch immer öfter für die vielen Investoren, die Grünstrom über den Strommarkt verkaufen. „Mittlerweile haben die Strompreise negative Phasen, die sich mit dem weiteren Grünstrom-Ausbau künftig häufen werden, was auch zu einem Wertverlust von Erneuerbare-Energien-Assets führen kann“, erklärt Carsten Schmeding. Daher müssten gerade Investoren in diese Assets ein Interesse daran haben, ihre Assets durch die Erweiterung der Wertschöpfungskette um Wasserstofferzeugung zu stabilisieren.

Dass sich für eine erfolgreiche Energiewende Batteriespeicher und Wasserstoff ergänzen müssen, sagt auch eine Studie des Fraunhofer-Instituts. Laut dieser wird 70 Prozent der fehlenden oder überschüssigen Energie kurzfristig, nämlich in weniger als 1,5 Tagen benötigt. Hierfür empfehlen sich Batteriespeicher. Die restlichen 30 Prozent Energie müssen länger – beispielsweise für sogenannte Dunkelflauten – gespeichert werden, wofür sich Wasserstoff eignet. Man könnte nun konstatieren, dass 70 deutlich mehr als 30 sind und dass Batterien 90 Prozent der gespeicherten Energien wiedergeben können und Wasserstoffspeichern ein Wirkungsgrad von nur 40 bis 60 Prozent attestiert wird. Dafür reichen aber Batteriespeicher kaum über Nacht. Ein kurzer Exkurs ins belgische Ruien, wo sich der 25Megawatt/100Megawatt/h-Lithium-Ionen-Batteriespeicher Kairos neben einem ehemaligen Kohlekraftwerk seit Februar 2023 in Betrieb befindet und in den Anleger der Pangaea Life investiert sind: Dessen Kapazität wird bei voller Beladung mit lediglich vier Stunden angegeben. Pangaea Life ist eine Marke der Versicherung die Bayerische.

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