Pensionsfonds
18. April 2023

Grenzen der Heimatliebe

Immobilien bleiben ein beliebtes Thema für dänische Anleger. Trotz massiver Wertverluste im vergangenen Jahr werden sie als potentieller Hedge gegen Inflationsrisiken eingesetzt. ­Traditionell fokussierten sich dänische Pensionsfonds dabei auf ihr Heimatland. Doch bei knapp sechs Millionen Einwohnern stoßen sie ­zunehmend an ihre Grenzen. Dies erfordert ein Umdenken.

2022 war auch in Dänemark ein „annus horribilis“. So verloren Pensionsfonds 75 Milliarden Euro ihres verwalteten ­Vermögens, trotz hoher Beitragszahlungen. Mehr als drei Jahre an Wachstum wurden dadurch zunichte gemacht. Laut Daten der ­dänischen ­Zentralbank ist dadurch nun der Gesamtwert des ­dänischen ­Rentenvermögens auf dem gleichen Niveau wie 2020, trotz eines neuen Rekordes an Beitragszahlungen. Schuld ­daran sind vor ­allem Verluste bei Inflations- und Zins­derivaten, die genutzt ­wurden, um sich gegen niedrige Zinsen ­abzusichern. Diese kamen den Dänen, wie auch den Briten und Niederländern, bei steigenden Zinsen teuer zu stehen. Gerade liquide Titel wie Staatsanleihen wurden 2022 abgestraft, zeigen die Daten der ­dänischen Nationalbank. Kein Wunder also, dass institutionelle Anleger angesichts von Inflationsrisiken und volatilen Märkten zunehmend mit ­illiquiden Strategien liebäugeln. In den ­Immobilienportfolios ­waren die Resultate allerdings ambivalent.

So buchte ATP, der größte Pensionsfonds Dänemarks, in seinem Gesamtportfolio einen Verlust von 8,6 Milliarden Euro. Insgesamt sank sein Vermögen im letzten Jahr auf 91 Milliarden Euro. ­Trotzdem buchte ATP für sein Immobilienportfolio einen ­Gewinn von knapp 270 Millionen Euro. Ende 2021 hatte der Pen­sionsfonds sich entschieden, seinen Immobilien­anteil auf 20 Prozent zu ­erhöhen. Gleichzeitig hat ATP, so wie viele andere dänische Pen­sionseinrichtungen auch, eine erhebliche Allokation in Infrastruktur­projekten im Heimatland.
Dieser Fokus auf illiquide Vermögenswerte machte sich zunächst ­bezahlt. So verbuchte ATP Ejendomme, der Immobilienarm des Pensionsfonds, eine Kapitalrendite von 1,6 Prozent. Der über­wiegende Teil der Anlagen ist in Infrastruktur angelegt, ­zweitgrößter Sektor sind zudem Direktanlagen in dänischen ­Immobilien. ­Allerdings musste ATP sich aus Liquiditätsgründen von einem kleinen Teil seiner Immobilien trennen. Verkauft hat der dänische Pensionsfonds vor ­allem ausländische Immobilien, das Profil als Investor in ­Dänemark soll erhalten bleiben. Auf seiner Homepage zeigt ATP ­Ejendomme fast ausschließlich Bürogebäude in Kopenhagen und Aarhus.

Ein weiteres Beispiel ist Pension Danmark, ein Pensionsfonds des öffentlichen Dienstes, der cirka 40 Milliarden Euro verwaltet. ­Momentan hat er drei Milliarden Euro in Immobilien angelegt, davon weniger als 200 Millionen Euro im Ausland. Mittelfristig soll seine Immobillienquote allerdings auf zehn Prozent des Gesamtportfolios ausgebaut werden. Auch Pension Danmark sieht sich ganz eindeutig als „Investor in Dänemark“. So enthält das Portfolio des Großanlegers unter anderem gewerbliche Immobilien wie Bank­filialen, aber auch Wohnimmobilien in den Städten Kopen­hagen, Aarhus und Orestad.

Doch für viele Anleger stellt sich nun das ­Problem, dass der Markt eigentlich gesättigt ist. Bei knapp sechs Millionen Einwohnern und drei ­Metropolen gibt es kaum noch ­Bedarf an neuen Häusern, gleichzeitig treibt der Fokus auf die ­Heimat die Preise in die Höhe.

Grenzen des Wachstums

Langfristig sollten diese relativ positiven Zahlen also mit Vorsicht zu genießen sein, denn die Folgen der Zinswende machen auch vor den Skandis nicht halt. Seit 2005 hat sich der Preis frei­stehender Immobilien in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen mehr als verdoppelt, von 2.240 auf 5.709 Euro pro Quadratmeter im Sommer 2022, laut Daten der dänischen Finansbank. Der Immobilienmarkt ist somit einer der teuersten Europas. Laut Eurostat liegen die Hauspreise 78 Prozent höher als der europäische Durchschnitt.

Aber im letzten Halbjahr sanken die Werte erstmals seit der ­globalen Finanzkrise um knapp vier Prozent. Laut Prognosen der dänischen Zentralbank sollen Hauspreise in diesem Jahr um 5,6 Prozent ­fallen. Und im nächsten Jahr dürften sie weitere 1,8 Prozent nachgeben. Sorgen bereitet den Dänen außerdem ein Blick auf ihre Nachbarn im Norden. In Schweden fielen die Hauspreise seit letztem Sommer um mehr als 16 Prozent. Und auch norwegische Liegenschaften mussten laut dem schwedischen Real-Estate-Portal Booli einen Wertverlust von 13 Prozent hinnehmen.

Zwar ist das dänische Zinsniveau mit knapp über zwei Prozent noch relativ niedrig, man muss sich dabei allerdings vor Augen führen, dass Dänemark das erste Land war, das im Jahr 2012 ­Negativzinsen eingeführt hat. Dadurch war die nun vollzogene Zinswende für ­viele umso schmerzhafter. Wenig verwunderlich, dass die ­meisten dänischen Pensionsfonds 2022 ­erstmalig rote Zahlen ­meldeten. Doch da es sich bei den meisten Immobilienportfolios um Direktanlagen ­handelt, gibt es bei den Bewertungen ein erhebliches Element der Subjektivität, warnt Christiane Eckert, Leiterin der Real-Estate-Abteilung bei Pædagogernes Pen­sion (PBU). Der Pensionsfonds dänischer Erzieher hat ein ver­waltetes Vermögen von zwölf Milliarden Euro, wovon 5,6 Prozent in Immobilien angelegt sind. Innerhalb der vergangenen drei ­Jahre ­hatte PBU eine durchschnittliche Rendite von vier ­Prozent auf ­seinem Immobilienportfolio, doch 2022 verbuchte er ein Minus von sechs Prozent.

Solvency II gilt für dänische Pensionsfonds

Dänische Pensionsfonds unterliegen Solvency II und müssen ­anhand des Prudent-Person-Prinzips Immobilien zum Tageswert bewerten. Diese Bewertungen fanden gerade 2022 in einem extrem unsicheren Marktumfeld statt, betont Eckert. „Einen Aktienkurs kann man jeden Tag ablesen, das geht bei Immobilien nicht. Die Unsicherheit im nicht gelisteten Markt hat wegen der geo­politischen Situation kombiniert mit der Energiekrise und steigenden Finanzierungskosten dazu ­geführt, dass sich der illiquide Markt sehr zurückgenommen hat. Daraus entstand eine enorme Unsicherheit, wie wir Immobilien bewerten sollen und wie es jetzt weitergeht.“

Doch das genaue Ausmaß der Auswirkungen wird man wohl erst langfristig sehen, so Eckert. „Einige Akteure hatten im ver­gangenen Jahr eine eher optimistische Brille auf und gingen davon aus, dass dies ein kurzfristiges Szenario ist und dass die Werte stabil bleiben. Andere sehen die Unsicherheit als zu groß an und haben mehr ­abgeschrieben. Wir regulieren diese Werte stärker, daher steht bei uns ein negativer Wert im Buch, aber bei anderen war das auch der Fall“, betont Christiane Eckert.

Umdenken gefragt

Trotzdem will PBU Immobilien nicht aufgeben. Im Gegenteil, man wolle den Immobilienanteil durchaus ausbauen, so Eckert. ­Ausschlaggebend sei dabei, dass PBU noch recht viele jüngere Mit­glieder hat „Der überwiegende Teil der Erzieher in Dänemark zahlt in PBU ein, das heißt, wir haben immer noch Mittelzuflüsse und sind daher in der Anlagestrategie nicht unbedingt an liquide Titel gebunden.“ Außerdem sehe man Immobilien nach wie vor als ­einen wichtigen Inflations-Hedge, so Eckert. Mit der Ansicht ist PBU nicht allein. Auch Akademiker-Pension, der 17 Milliarden ­Euro schwere Pensionsfonds der Akademiker, will seinen Immo­bilienanteil innerhalb der nächsten drei Jahre auf sieben bis acht Prozent ausbauen. Dabei ist angesichts des kleinen Marktes ­allerdings ­Umdenken gefragt. Zwar entscheiden Pensionseinrichtungen wie PBU und Akademiker-Pension über erhebliche Anlagevolumina, im Vergleich zum sechs Milliarden schweren ATP ­Ejendomme, ­welcher ein internes Immobilienteam von mehr als 130 Kollegen hat, ist es allerdings schwer mitzuhalten.

Für Eckert, eine gebürtige Deutsche, die schon seit 2009 in ­Dänemark lebt und arbeitet, ist die logische Schlussfolgerung, dass man künftig breiter diversifizieren müsse, sowohl auf geogra­fischer Ebene als auch bezüglich der Sektoren. „Historisch gesehen hat PBU einen Fokus auf Wohnimmobilien in Dänemark gehabt. ­Unser Portfolio ist zwar gewachsen, aber 90 Prozent unserer ­Anlagen sind in Dänemark, davon ein überwiegender Teil in direkt gehaltenen Immobilien, der Rest in Joint Ventures und knapp zehn Prozent sind im Ausland.“

Dahinter steckt der Gedanke, dass sich Immobilien im Ausland schwerer direkt verwalten ließen. Doch künftig will sich das PBU-Team breiter orientieren. „Unsere ­Strategie 2023 sieht vor, dass wir mehr diversifizieren, sodass ­unser ­Portfolio auch in künftigen ­Krisen stabil ist. Das bedeutet, dass wir uns breiter geografisch ­aufstellen müssen, unter anderem in Westeuropa und den USA, und natürlich gehört da auch Deutschland, der Motor Europas, ­dazu“, so Eckert. Als relativ ­kleine Pensionseinrichtung wolle man am besten ­indirekt über Immo­bilienfonds international expandieren. Wohn­immobilien werden nach wie vor einen hohen ­Stellenwert einnehmen, außerdem inter­essiert sich Eckert auch zunehmend für Logistik.

Ein konstanter Faktor bleibt das Thema Nachhaltigkeit. Als ­Pensionsfonds der Erzieher sei PBU wichtig, dass die Anlagen ­einen sozialen Zweck erfüllen. „Erzieher wird man nicht fürs Geld. Unsere Mitglieder wollen aber mit ihren Einlagen einen sozialen Unterschied machen“, berichtet Eckert. Künftig könnte dies ­vielleicht auch dem deutschen Wohnraum zugutekommen.

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