Für Italien zählt jeder Basispunkt
Seit Ende 2021 ist die Rendite italienischer Staatsanleihen um mehr als drei Prozentpunkte angestiegen. Für neue Anleger sind das gute Nachrichten. Doch kann sich das Land die steigenden Zinsen langfristig leisten?
Steigende Zinsen sind für viele institutionelle Investoren ein Grund, ihren seit Jahren abschmelzenden Anleihebestand wieder aufzustocken. So berichtete Universal Investment jüngst von einem wieder steigenden Interesse an Bundesanleihen. Laut der aktuellen Spezialfonds-Analyse der Fondsservice-Plattform haben Anleger sichere Staatsanleihenbestände in institutionellen Portfolios im gesamten Jahresverlauf 2022 aufgestockt.
Ins Auge sticht nun aber vor allem die Entwicklung bei italienischen Staatsanleihen. Laut einer aktuellen Analyse der Research-Abteilung der Förderbank KfW ist ihre Rendite seit Ende 2021 um mehr als drei Prozentpunkte (!) angestiegen. Bonds mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren werfen nun bereits 4,45 Prozent Rendite per annum ab. Der Renditeaufschlag gegenüber zehnjährigen Staatsanleihen aus Deutschland (2,52 Prozent) beträgt damit fast zwei Prozentpunkte.
Kann sich Italien steigende Zinsen leisten?
Mit den steigenden Renditen gewinnt nun die Frage nach der Tragfähigkeit der italienischen Staatsschulden wieder an Brisanz, kommentiert die KfW. Aufgrund einer Staatsschuldenquote von knapp 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen die Anleihen Italiens ohnehin unter besonderer Beobachtung, kommentiert Dr. Philipp Scheuermeyer, Senior Economist bei der KfW. Er ruft in Erinnerung, dass die Rendite während der Eurokrise in den Jahren 2011 und 2012 in der Spitze bis auf sieben Prozent geklettert war, „vor allem die Risikoaufschläge gegenüber Bundesanleihen lagen mit etwa 500 Basispunkten deutlich höher als 2022 mit rund 200 Basispunkten“.
Was hat sich in Sachen Schuldentragfähigkeit verändert?
Die Entwicklung der Staatsschuldenquote hängt nach Angaben Scheuermeyers stark vom Verhältnis der Zinsen zum Nominalwachstum ab. Im Jahr 2022 habe der unerwartete Inflationsschub in Kombination mit einem kräftigen Realwachstum das nominale BIP im Nenner der italienischen Schuldenquote deutlich erhöht, sodass sie trotz höherer Staatsausgaben von 150 Prozent auf voraussichtlich 145 Prozent zurückgegangen ist, stellt der Ökonom fest.
„Der Zinsanstieg in Reaktion auf die hohe Inflation frisst sich dank eines Bestands an langlaufenden Anleihen indes erst mit Verzögerung zur Effektivverzinsung der Staatsschulden durch“, betont Scheuermeyer. Seinen Angaben zufolge lag der effektiv zu zahlende Zins der Italiener im vergangenen Jahr noch bei 2,8 Prozent und die durchschnittliche Restlaufzeit italienischer Schulden bei fast acht Jahren.
Inflationsschub könnte Schuldentragfähigkeit erschweren
Das Problem: Sollte die EZB ihr Inflationsziel von zwei Prozent nur mit dauerhaft höheren Zinsen erreichen oder der Markt höhere Inflationserwartungen einpreisen, „dann kann der Inflationsschub jedoch langfristig dazu beitragen, die Schuldentragfähigkeit zu erschweren“.
Die sogenannte Potenzialwachstumsrate Italiens schätzt der Internationale Währungsfonds auf 0,8 Prozent. Bei diesem Realwachstum, einer Inflation von durchschnittlich zwei Prozent und einem Effektivzins von vier Prozent würde für eine langsame Rückführung der Staatsschuldenquote noch ein nur etwas höherer Primärüberschuss (Staatseinnahmen abzüglich Staatsausgaben ohne Zinszahlungen) genügen, als er in den 2010er-Jahren erreicht wurde (2011–2019: Ø1,6 Prozent), analysiert der KfW-Ökonom.
Sollte der Effektivzins aber auf über fünf Prozent steigen und/oder das Nominalwachstum niedrig ausfallen, dann wären schon Primärüberschüsse größer drei Prozent des BIP nötig, um die Schuldenquote zurückzufahren. Zwar habe Italien in den vergangenen Jahrzehnten höhere Primärüberschüsse erzielt als die meisten anderen großen Industrieländer. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigten allerdings auch, dass Primärüberschüsse von mehr als drei Prozent selten lange durchgehalten werden.
Zweifel an der Schuldentragfähigkeit könnten aufkommen
KfW-Ökonom Scheuermeyer weist darauf hin, dass eine im Durchschnitt lange Restlaufzeit der Staatsanleihen zwar einen abrupten Anstieg der Zinsausgaben verhindert. Wenn sich aber die Erwartung durchsetzt, dass sich das italienische Zinsniveau bei fünf Prozent oder mehr einpendelt, „dann können unmittelbar Zweifel über die Schuldentragfähigkeit aufkommen, die zusätzlich den Risikoaufschlag in die Höhe treiben“. Er kommt zu dem für Italien negativen Ergebnis, dass die Belastungen durch die Zinswende die Vorteile eines inflationsbedingt voraussichtlich höheren Nominalwachstums überwiegen. Beim derzeitigen Zinsniveau bleibe die Schuldentragfähigkeit aber dennoch realistisch. Italiens Schuldentragfähigkeit im neuen Zinsumfeld sei schwieriger, aber möglich.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Italien | Staatsanleihen
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