Traditionelle Anlagen
20. Oktober 2020

EZB-Anleihenkäufe erweisen sich als Klimakiller

Studie von Greenpeace und britischen Universitäten. Übergewicht in CO2-intensiven Sektoren.

Weit mehr als die Hälfte der von der Europäischen Zentralbank (EZB) erworbenen Unternehmensanleihen (63 Prozent) stammt aus wenigen Sektoren, die mit ihrem CO2-Ausstoß massiv zur Klimakrise beitragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie von Greenpeace, der New Economics Foundation (NEF), der SOAS University of London, der University of the West of England und der University of Greenwich. Ausgangspunkt für die Analyse sind die von der EZB im Rahmen ihres Ankaufprogramms CSPP (Corporate Sector Purchase Programme) erworbenen Bestände an Unternehmensanleihen mit einem Umfang von 242 Milliarden Euro Ende Juli. „Die EZB braucht eine klimafreundliche Neuausrichtung. Dafür muss sie ihre Geldpolitik schleunigst in Einklang mit den Pariser Klimazielen bringen und damit den Rahmen für ein grünes europäisches Finanzwesen setzen”, sagt Mauricio Vargas, Finanzexperte von Greenpeace.

Die ökologische Unwucht der getätigten EZB-Käufe fällt noch schwerer ins Gewicht, wenn man den Beitrag der begünstigten Sektoren zu Beschäftigung und Wertschöpfung betrachtet: 63 Prozent der von der EZB gehaltenen Anleihen stammen aus kohlenstoffintensiven Sektoren, die der Studie zufolge lediglich 18 Prozent zur Beschäftigung und 29 Prozent zur Bruttowertschöpfung in der Eurozone beitragen. Die neue Studie erscheint im Vorfeld eines angekündigten Treffens der EZB mit Stimmen aus der Zivilgesellschaft, bei dem auch diskutiert wird, wie die geldpolitischen Leitlinien der Notenbank neu auszurichten sind. „Die EZB hat jetzt die Chance, zuzuhören und ihren geldpolitischen Fehlkurs im Rahmen ihrer angekündigten Neuausrichtung zu korrigieren”, sagt Vargas. „Damit würde sie auch mehr progressive Finanzinstitute ermutigen, sich aus der Finanzierung klimaschädlicher Geschäftsmodelle zu verabschieden.”

Kritik auch an Ratingagenturen

Mit der Vorgabe, möglichst wenig Verzerrungen auf dem Markt für Unternehmensanleihen hervorrufen zu wollen („Marktneutralität“), gab sich die EZB eine Reihe von Auswahlkriterien, anhand derer die Allokation der Käufe erfolgen (Rating, Fälligkeit, Emissionsvolumen, Laufzeit, etcetera). Diese Kriterien begünstigten große, etablierte Unternehmen mit hohem Finanzierungsbedarf und einer passenden Bonitätseinschätzung durch die etablierten Ratingagenturen, die „bis heute jedoch noch keinen sinnvollen Umgang mit Klimarisiken für karbonisierte Geschäftsmodelle präsentiert haben und diese daher außen vorlassen“, so heißt es in der Studie.

Marktneutralität sollte Klimarisiken einbeziehen

Die Studie zeigt in zwei Szenarien auf, wie die EZB mit einfachen Korrekturen die ökologischen Unwuchten ihrer aktuellen Geldpolitik überwinden kann. Dazu müsse sie insbesondere ihre Kriterien zur Marktneutralität überarbeiten und Klimarisiken einbeziehen. Das erste Szenario sieht vor, den Ankauf von Anleihen aus kohlenstoffintensiven Unternehmen zu reduzieren und mehr Anleihen von Firmen mit besserer CO2-Bilanz zu erwerben. Im zweiten Szenario werden alle Anleihen von klimaschädlichen Unternehmen aus dem Portfolio entnommen und Anleihen klimafreundlicherer Firmen hinzugefügt, indem die Kaufkriterien geändert werden. „Die Notenbanken dürfen nicht länger stur am Bewertungssystem der Ratingagenturen festhalten, sondern müssen Klimarisiken deutlich stärker miteinbeziehen”, sagt Vargas. „Das gilt insbesondere für die Deutsche Bundesbank als integraler Bestandteil des EZB-Systems, die beim Klimaschutz als Bremsklotz agiert.”

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