Traditionelle Anlagen
28. April 2021

Equity mit Stützrädchen

Wandelanleihen performten in für sie perfekten ­Marktbeding­ungen im vergangenen Jahr extrem stark. Auch einige institutionelle ­Investoren schätzen die Asset-Klasse, welche einen risiko­gedämpften Zugang zum Aktienmarkt ermöglicht.

Der Grundgedanke von Wandelanleihen: In einem steigenden Markt werden die Wertpapiere immer mehr zur Aktie, in einem ­fallenden Markt immer mehr zur Anleihe. Im Jahr 2020, in dem die Märkte ohne längere Seitwärtsbewegungen eigentlich nur ­einmal weit runter und dann wieder hoch gingen, war deshalb ein fast perfektes Jahr für Wandelanleihen. Auch unterjährig lief es für Wandelanleihe-Investoren gut. Der Refinitiv Global Focus Hedged Convertible Bonds lag bis Mitte Februar in etwa gleichauf mit dem Aktienpendant. Zum Tiefpunkt am 23. März standen Aktien nur noch bei 69 Prozent ihres Werts zu Jahresbeginn. Wandelanleihen notierten dagegen bei 88 Prozent und schützten die Investoren ­damit fast so gut wie der Anleiheindex, der bei 91 Prozent stand. Ein den Refinitiv-Index trackender ETF rentierte 24,69 Prozent. In der folgenden Erholung konnten Manager im steigenden Markt ­zudem noch das Delta-Risiko hochschrauben und so vom zusätz­lichen Aktienexposure profitieren, so Werner Krämer, Macro-­Economic Analyst bei Lazard Asset Management. „Ob sich das ­wiederholen lässt?“, fragt er.

Ganz bestimmt war 2020 ein besonderes Jahr: „Wandelanleihen waren in 2020 bestimmt eines der interessantesten ­Anlageprodukte aufgrund einer von der Theorie her atypischen Entwicklung“, so John Feigl von der Pilfor AG. Kapitalkosten und Volatilität hätten nicht die übliche positive Korrelation zu verzeichnen. „Es gibt drei hauptsächliche Bewertungstreiber von Wandel­anleihen: Kapitalkosten, Volatilität und die Bewertung von Aktien“, so Feigl. Die ­gewöhnlich bei höherer Volatilität ­steigenden Kapitalkosten seien durch die Zentralbanken niedrig ­gehalten worden, gleichzeitig sorgte die Unsicherheit bezüglich der Pandemie für überdurchschnittlich hohe Volatilität. „Davon haben Optionen massiv ­profitiert. Desto mehr Volatilität im Markt ist, desto wertvoller­ sind deshalb auch die mit Wandelanleihen verbundenen Optionen.“

Davon profitierten auch die Anbieter, die Investorengelder ­anziehen konnten. Das einzige Produkt, welches sehr stark gewachsen ist, waren Wandelanleihen, kann Lazards Werner Krämer berichten. Seine Vermutung ist, dass vor allem der hybride Charakter ­Investoren überzeugt. „Investoren können das im Portfolio unter Anleihen verbuchen und erhalten einen Kupon, partizipieren ­jedoch gleichzeitig an den Aktienmärkten.“ Oder anders ­aus­gedrückt: „Wandelanleihen sind Equity mit Stützrädchen. Oder ein Bond mit Turbolader“, so John Feigl. In 2020 hätten viele ­Investoren begriffen, dass das Mittelstück zwischen Aktien und Anleihen am Besten funktioniere. Das wird aufgrund der ­Konvexität der Wandelanleihe geboten. „Da haben Sie Downside Protection, aber Upside Potential.“

Von Wandelanleihen profitiert hat das Apothekerversorgungswerk Nordrhein, wie Geschäftsführer Jens Hennes im Interview mit portfolio institutionell (siehe Ausgabe Oktober 2020) erläuterte: „Wir haben zwei große Mandate, mit denen wir grundsätzlich sehr zufrieden sind. Wegen der einen Floor bildenden Anleihe und der Option haben sie sich gut geschlagen, der Spread aus der ­Unternehmensanleihe war nachteilig. Zur Stabilisierung des ­Gesamtportfolios sind Wandelanleihen ein attraktives Instrument“, so Hennes zur vorzeitigen Bilanz des Corona-Crashes. Mit einer ­bemerkenswerten Beobachtung: „Interessanterweise haben die ­Wandelanleihen mit risikoreicherer Benchmark besser ­abgeschnitten als Investment-Grade-Wandelanleihen. Ein kleiner Grund war, dass zu letzterem Universum ein Wandler von ­Wirecard gehörte. Der andere Grund war, dass unterhalb des Investment Grades viele Emissionen von Technologieunternehmen in ­unserem Fonds sind.“

Was für manche ein starkes Argument für die Asset-Klasse ist, schreckt andere eher ab. Ansgar Guseck, Analyst bei Sauren ­Finanzdienstleistungen, hält aktuell nicht viel von der Asset-Klasse. „Wir finden Wandelanleihen nicht sehr spannend. Zum einen ist es ein Nischenmarkt und von der Emittentenstruktur sehr speziell, so dass das Anlageuniversum recht begrenzt ist. Zum anderen ­können wir nicht erkennen, dass der Großteil der Wandelanleihen relativ gesehen günstiger bewertet ist, als die Anleihen oder Aktien desselben Unternehmens. Bis auf ein paar Sonderbereiche ist der Markt aktuell nicht sehr attraktiv.“ Als einen Sonderbereich nennt er ­Anleihen mit stark aus dem Geld liegenden Optionen, welche ­nahezu kostenlos dazukommen. Diese seien häufig weder für klassische Anleihemanager noch Wandelanleihemanager interessant, weshalb sich eine interessante Lücke ergebe. Seit einigen Jahren hat man seitens Sauren auch die Vergabe der bekannten Sauren-Goldmedaillen an Wandelanleihefondsmanager eingestellt. Kurz nach der Finanzkrise im Jahr 2008 hatte die Asset-Klasse dagegen mehr Relevanz für Sauren, einfach weil sich eine einmalige Gelegen­heit ergab: „Der Wandelanleihemarkt war stark von Hedgefonds geprägt, aus denen im Zuge der Krise viele Mittel abgezogen wurden. Und auch Lehman Brothers hatte ein großes Wandelanleihe­buch. Das ergab die Situation, dass die klassischen Käufer wegfielen und zudem viele verkaufen mussten. Durch den technischen Effekt wurden Wandelanleihen extrem günstig.“ ­Mittlerweile werde ein großer Teil des Marktes von Long-Only-Fondsmanagern gehalten.

Klar ist, dass der Markt sich aktuell stark wandelt. In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist der Markt sehr liquide geworden, was natürlich mit der großen Nachfrage zusammenhängt. Auch in 2020 wuchs der Markt für Wandelanleihen stark. Mit Neuemissionen in Höhe von 160 Milliarden Dollar stieg das Emissions­volumen laut Union Bancaire Privée um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreichte ein Niveau wie seit 13 Jahren nicht mehr. Laut John Feigl wurden Neuemissionen spätestens ab dem Herbst stark vom M&A-Geschäft getrieben. „Über Wandelanleihen können Sie Übernahmen sehr günstig finanzieren und Investoren gleichzeitig am Erfolg dieser Transaktionen teilhaben lassen.“ Davor wurde der Markt auch stärker von durch Covid-19 ­angeschlagenen Unternehmen genutzt, welche die günstigen Refinanzierungskosten im Vergleich zur Anleiheemission ­schätzten. 2020 war sicher ein außergewöhnliches Jahr für Wandelanleihen. Ob dies auch für 2021 gilt?

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