Recht, Steuer & IT
19. März 2024

DVFA kritisiert geplante ESAP-Standards der EU-Aufsicht

Fehlen eines einheitlichen Qualitätssicherungssystems als „fundamentaler Schwachpunkt“ des European Single Access Point. Beginn der Publizierung von Finanz- und ESG-Daten für 2027 geplant.

Am 8. März endete die Konsultation der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma (gemeinsam mit der Europäischen Bankenaufsicht Eba und der Versicherungsaufsicht Eiopa) über die Technischen Standards (implementing technical standards (ITSs) für den so genannten European Single Access Point (ESAP). Mit dem ESAP soll eine zentrale Datenbank geschaffen werden, auf der alle kapitalmarktrelevanten Daten sämtlicher kapitalmarktorientierter Unternehmen der 27 EU-Mitgliedsstaaten bereitgestellt werden sollen. Dabei handelt es sich um Finanzdaten und ESG-Daten, die auch für institutionelle Endinvestoren relevant sind, oder zum Beispiel Mifid-Daten. Im vergangenen Frühjahr hatte sich zum Beispiel auch der deutsche Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung für eine schnelle Einführung des ESAP für Unternehmensdaten eingesetzt.

Die DVFA als Verband der Investmentprofessionals hat sich an der Esma-Konsultation beteiligt und veröffentlichte dazu am Dienstag eine Mitteilung. „Die DVFA steht hinter dem Konzept des ESAP, aber wir sehen einen dringenden Bedarf, ein Qualitätssicherungssystem zu ergänzen“, sagte Thorsten Müller, Vorstandsvorsitzender der DVFA laut der Mitteilung.

Betrieb des ESAP soll 2024 starten

Demzufolge soll der European Single Access Point als zentrale Datenbank der Esma publiziert werden. „Ein riesiges Projekt mit mehr als 200 unterschiedlichen Reporting-Verpflichtungen und mehr als 150.000 betroffenen rechtlichen Einheiten“, schreibt der Verband. Wobei der ESAP in unterschiedlichen Phasen zunehmend mehr Daten aufnehmen soll. Der Start ist für 2024 und der Beginn der Datenpublizierung für 2027 vorgesehen. Das Projekt soll dann bis 2030 abgeschlossen sein. Die komplexe Konsultation umfasst mehr als 80 Seiten. Die vorgeschlagenen technischen Regelungen beträfen erstens die Datenlieferungen der nationalen Behörden (collection bodies) an den ESAP und zweitens die Bereitstellung der Daten des ESAP an natürliche Personen sowie automatisiert an die IT-Systeme Dritter, etwa an Investment Professionals und ihre Dienstleiter, schreib die DVFA.

Die zentrale Datenbank ESAP sei dabei eine fundamentale Maßnahme, um das Ziel einer Kapitalmarktunion in Europa zu erreichen. Die Transparenz der Kapitalmarktdaten soll erhöht werden, die Informationskosten für Datennutzer reduziert. Auch solle damit der Kapitalzufluss auch an die vielen europäischen Small- und Mid-Cap-Unternehmen verbessert werden, so die DVFA.

Gefahr von „Daten-Schrott“

Dem DVFA zufolge enthält der vorliegende Vorschlag der Esma, wie auch schon die zugrunde liegende EU-Richtlinie (EU 2023/2859 vom 13.12.2023), aber „einen fundamentalen Schwachpunkt“: Es fehlt ein EU-weit einheitliches Qualitätssicherungssystem zur technischen Gewährleistung von Mindeststandards für die Ermittlung von Daten komplexer elektronischer Berichte, wie etwa IFRS-Konzernabschlüsse. DVFA-Vorstandsvorsitzender Müller sagt dazu: „Im Zeitalter von Automatisierung, KI und komplexen elektronischen Berichten der Emittenten, wie etwa den IFRS-Konzernabschlüssen und den zukünftigen Berichten nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), ist es ein konzeptioneller Fehler, kein EU-weit einheitliches Qualitätssicherungssystem vorzusehen. Ohne solch ein Qualitätssicherungssystem ist die Gefahr der Produktion von Daten-Schrott sehr hoch!“

Volker Sack, Leiter der DVFA-Kommission Unternehmensanalyse, ergänzt: „Diese Qualitätsproblematik wird uns auch bei der maschinellen Analyse treffen, etwa bei Fehlern in der Addition numerischer Werte. Zudem ist die pure Anzahl und die gegenseitige Abhängigkeit der zu berichtenden maschinenlesbaren Datenfelder hoch. Wir brauchen daher eine EU-weit einheitliche, technisch gesicherte Mindestqualität derart komplexer Datenmengen“.

Beispiel USA: Erhebliche Probleme mit der Datenqualität

In seiner Mitteilung erinnert der DVFA auch an „die erheblichen Daten-Qualitätsprobleme“, die die US Securities and Exchange Commission (US SEC) bei der Einführung der strukturierten Berichterstattung für Finanzberichte börsennotierter Unternehmen ab dem Jahr 2009 hat erfahren müssen. Im Gegensatz zum Vorgehen der EU gebe es in der Einreichungsschnittstelle der US SEC mittlerweile umfassende Datenvalidierungsregeln, mit der die Daten bei der Einreichung zwangsweise überprüft werden. Im Vergleich zu den USA sei die Datenqualitäts-Situation in Europa aufgrund der Vielzahl von nationalen Einreichungsstellen mit eigenen Rechtsnormen eher noch herausfordernder.

Dr. Bodo Kesselmeyer, Digitalisierungsexperte in der DVFA-Kommission Unternehmensanalyse, ergänzt: „Wir sollten dringend aus den Erfahrungen der US SEC mit unzureichender Datenqualität maschinell lesbarer Daten lernen. Analog zur Validation-Engine in den USA sollte Esma eine Software für ein einheitliches Qualitätssicherungssystem entwickeln lassen, die den nationalen Einreichungsbehörden mittels einer Open-Source-Lizenz zur verpflichtenden Implementierung in die Einreichungsschnittstellen zur Verfügung gestellt wird.“ Und Thorsten Müller bilanziert: „Ohne die Einführung eines automatischen Qualitätssicherungssystems gefährden wir jedoch die Datenqualität und wir gefährden damit das Fundament der Kapitalmarktunion.“

Kostenlose Daten für Investoren

Einige andere kritische Erfolgsfaktoren zur Erreichung der vom Europäischen Parlament formulierten Ziele für den Europäischen Kapitalmarkt werden hingegen von der DVFA umfänglich unterstützt. Beispielsweise sollen die Daten für alle Interessenten gleichberechtigt, kostenlos und für automatisierte Abrufe aus dem Internet zur Verfügung stehen. Nachvollziehbar sei, dass die Esma sich bei möglicherweise extensiven Abrufvolumen das Recht vorbehält, zukünftig Gebühren dafür zu erheben. Die Nutzungsrechte der Daten sollen so gestaltet werden, dass Datennutzer und ihre Dienstleister diese lizenzfrei abrufen, weiterverarbeiten und in weitere Informationsdienstleistungen an Investoren und Investment Professionals integrieren können.

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