„Der Negativzins machts möglich“
Was gibt institutionellen Investoren Halt und Orientierung? Wie eine Diskussionsrunde unter Investoren auf der Faros-Konferenz ergab, bleiben die Verbindlichkeiten natürlich die wichtigste Orientierungsgröße. Diese schrumpft aber. Ansonsten sind der Bilanzstichtag, die Renditeerfordernisse und die Zielquoten für Alternatives von Relevanz. Eine Rolle spielen aber auch Kühllogistik, das Gebot der Nächstenliebe und Karl Marx.
Gegenüber institutionellen Investoren haben Privatanleger einen großen Vorteil: Sie haben keinen Bilanzstichtag und können über die Zeit investieren. Bilanzierungserfordernisse machen für die Großanleger Volatilität zum Risiko. Der Run auf Alternatives lässt sich darum auch mit deren Wertstabilität erklären, auch wenn diese stark dadurch bedingt ist, dass lediglich viermal im Jahr reported wird. Die Bedeutung des Zeitfaktors für institutionelle Anleger machte auch eine Investorendiskussionsrunde auf dem 6. Faros Institutional Investors Forum in verschiedenen Aussagen deutlich. Moderiert wurde das Panel von Faros-Gründer Uwe Rieken.
Die Zeit läuft bekanntlich im Sauseschritt – und auch das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer läuft mit: „Die Grundschule haben wir absolviert und nun durchlaufen wir die Unterstufe der weiterführenden Schule“, vergleicht Geschäftsführer Dr. Hans Wilhelm Korfmacher die Entwicklung des WPV mit Blick darauf, dass man bislang noch sehr wenige Rentner versorgt und sich noch einige Jahre in der Wachstumsphase beziehungsweise im Ansparvorgang befindet. Die Assets under Management belaufen sich nun auf etwa 4,5 Milliarden Euro, dürften sich aber noch verdoppeln. Dieses Wachstum hat auch Implikationen für die Bilanzierung. „Eigentlich müsste man auf Grund der großen Zuflüsse, nicht vorhandenen Stornomöglichkeiten und noch nicht benötigten Renditen den Bilanzstichtag nicht ernst nehmen“, so Korfmacher, der an dieser Stelle auch die Diskussionen über eine eigene Anlageverordnung für berufsständische Versorgungswerke erwähnt. „Der Langfristhorizont von Versorgungswerken sollte besser berücksichtigt werden“, plädiert Korfmacher. Deutlich mehr Einzahlungen als Auszahlungen zu haben, bringt jedoch nicht nur eitel Sonnenschein. „Derzeit so viel Geld neu anzulegen, hat seine Schattenseiten.“ Dies gilt insbesondere für Zinsträger. Der Anleihedirektbestand kommt darum bei den Wirtschaftsprüfern nur noch auf eine Quote von 22 Prozent, Tendenz fallend. Dafür belaufen sich Alternatives – die dieses Jahr Stabilität bewiesen haben – auf 20 Prozent, Tendenz steigend. Die größte Quote weisen Immobilien mit rund 27 Prozent auf.
Spaßfaktor Rolldown, Spaßbremse Gesetzgeber
Eine viel größere Rolle hat Fixed Income für Volker Pätzold, der sich als Bereichsleiter Asset Management bei der VGH Versicherungsgruppe um Kapitalanlagen in Höhe von rund 21 Milliarden Euro kümmert. Größtenteils stammen diese Gelder von drei Lebensversicherungen. Für deren Anlage braucht es offenbar ein wenig Ironie: „Die famosen Rahmenbedingungen der EU sehen Solva-null-Papiere vor“, so Pätzold. Die VGH hat mehr als zwei Milliarden Euro Staatsanleihen als Bestandteil der strategischen Asset Allokation gekauft. Das Umfeld ist aber trotzdem nicht freudlos. „Bei gutem Timing können auch Solva-null-Papiere Spaß machen“. Ein Spaßfaktor ist aber auch der Rolldown. „In Japan ist die Zinskurve relativ steil. Die Laufzeitverkürzung spült dann automatisch Kursgewinne ins Portfolio.“ Wenig Spaß macht dagegen die hyperaktive Gesetzgebung. Pätzold: „Es ist ärgerlich, dass aus Brüssel andauernd neue Vorschriften kommen. Man muss sich Zeit schaffen, um noch zum Anlegen zu kommen.“
Ebenfalls in der Diskussionsrunde: Andreas Siegert, seit Oktober im Vorstand der Pensionskasse Deutscher Genossenschaften in Münster. Vom Podium machte Siegert zunächst einmal eine Zeitreise in seine berufliche Vergangenheit, nämlich zur Versorgungskasse der Angestellten der Gea Group Aktiengesellschaft VVaG. Dort wurde – wie auch Moderator Uwe Rieken betonte – auf beiden Bilanzseiten die richtigen Weichen gestellt. „Wir haben frühzeitig begonnen, den Zinsdruck abzubauen“, so Siegert. „Dafür haben wir über mehrere Schritte und über viele Jahre den Rechnungszins von 3,5 auf 0,9 Prozent gesenkt. Dies konnten wir über äußerst gute Überschüsse finanzieren. Unsere Nettoverzinsung lag im Durchschnitt der letzten drei Jahre bei hervorragenden 8,1 Prozent pro Jahr.“ Diese Absenkung zu finanzieren, habe zwar viel Geld gekostet, erweist sich aber im derzeitigen Zinsumfeld als die beste Maßnahme. Die Reserven wurden allerdings auch auf der Aktivseite sinnvoll genutzt. Ebenfalls Schritt für Schritt habe man hohe Quoten in illiquiden Asset-Klassen aufgebaut und dabei nach und nach immer breiter nach Asset Managern, Anlagestile, Segmente und Vintage-Jahre diversifiziert. Begonnen habe man damit schon sehr früh, was sich heute als hilfreich erweist, da die Erträge meist erst zum Ende der Fondslaufzeiten kommen und die wichtige Vintage-Streuung Zeit braucht.
Der Ausbau der Alternatives ist auch für die Altersvorsorgevehikel der Soka-Bau das große Thema. Die Ausbaustufen sehen Private Equity und Infrastruktur mit Quoten von jeweils fünf Prozent sowie die Erhöhung der Aktienquote von 13 auf 20 Prozent vor. Wichtig ist für Vorstand Gregor Asshoff, dass der Ausbau nicht nur in die Breite erfolgt: „Das Grundprinzip unserer Kapitalanlage ist, einen Markt breit abzudecken und dann in der Tiefe interessante Nischen zu suchen und zu besetzen.“ Als Beispiel nennt Asshoff die Emerging Markets, bei denen man nun auch in Local Bonds der sogenannten Frontier Markets gehe. Ähnlich die Entwicklung bei Immobilien, die – wenig verwunderlich – bei einer Einrichtung der Bauwirtschaft schon immer eine große Rolle gespielt haben und heute 27 Prozent aller Anlagen ausmachen: Noch vor fünf Jahren wurden Immobilien fast ausschließlich über Wohnungen in Deutschland abgedeckt. Auf diese Renditen konnte man zwar bauen, die Anlagestatik war aber damit für den Portfolio-Bauherr Asshoff nicht ausgereift. Ergänzungen erfolgten darum europaweit auch mit Büro- und Logistikimmobilien sowie auf dem US-Immobilienmarkt und in Asien. Auch dort war dann nach diversen Büro-Investments der Zeitpunkt gekommen, nach Nischen zu suchen. Gefunden wurden diese beispielsweise in Logistik und hier insbesondere in Kühllogistik. Asshoff: „Wenn wir einen Markt einmal besser kennen, dann trauen wir uns zu, auch speziellere Themen zu besetzen.“ Interessanterweise sind seit kurzem auch die VGH Versicherungen in Kühllogistik investiert. „Vor einigen Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mich mal mit einem Thema wie Kühllogistik beschäftige“, so Volker Pätzold. „Aber der Negativzins machts möglich.“
Durchhaltevermögen gefragt
Klarer Konsens also im Anlegerquartett darüber, alternative Anlageklassen weiter zu dotieren. Für Alternatives spricht nicht zuletzt deren Illiquidität. Diese verhindert auch in der Krise, dass Verkaufsgedanken aufkommen. Fire Sales zu vermeiden, ist aber auch für die anderen Anlageklassen wichtig. „Es braucht eine Strategie, die man durch alle Kapitalmarktphasen durchhält“, empfiehlt Andreas Siegert. Hilfreich gegen Verkaufsdruck sind ausreichende Reserven und Absicherungen. Mit letzterem hat die Soka-Bau dieses Jahr gute Erfahrungen gemacht. „Unser Tail Risk Hedge hat uns geschützt und – nachdem wir ihn zum fast richtigen Zeitpunkt teilweise aufgelöst haben – uns die Chance gegeben, am Marktanstieg zu partizipieren“, berichtet Asshoff. Ein ganz wichtiges Element des Risikomanagements und der Downside Protection liegt für Asshoff aber auch auf einem anderen Feld, nämlich der Asset-Manager-Auswahl. „Es braucht keine Schönwetterkapitäne. Man muss Asset Manager haben, die sich schon in Krisen bewährt haben. Der Track Rekord in Krisenzeiten ist für uns ein entscheidendes Kriterium.“
Ein wichtiges Kriterium für die Ablehnung eines Asset Manager ist dagegen der Eindruck von Greenwashing. Ablehnend steht Asshoff auch nachhaltigen ETFs gegenüber. Grund ist eine „prohibitive“ Preispolitik der Anbieter. Während Standard-ETFs auf den S&P500 vier bis fünf Basispunkte kosten, sind es laut Asshoff bei den ESG-Pendants neun bis zwölf Basispunkte. „Wir beauftragen dann lieber einen Manager mit einer Passivstrategie und zahlen zusätzlich noch einen Fixbetrag pro Jahr für ein ESG-Overlay.“
Das Prinzip der Nächstenliebe: nehmen, wenn alle geben
ESG hat sich dieses Jahr ebenfalls als ein Element erweisen, dass zur Downside Protection beiträgt. Eine Krise bietet aber immer auch Chancen. Zum Beispiel bei Aktien. „Wenn alle geben, muss man auch mal was nehmen. Das ist das Prinzip der Nächstenliebe in der Kapitalanlage“, legt Pätzold die Bibel aus. Niedergeschrieben ist in der Bibel aber auch: „Wer da hat, dem wird gegeben.“ Auch dieser Sachverhalt ist Pätzold nicht fremd: „Mitte März waren wir in der bemerkenswerten Situation, dass wir noch Risikokapital hatten. Damit konnten wir an der darauffolgenden Erholung 1:1 partizipieren.“ Orientierung für die Anlagestrategie findet Pätzold aber auch bei Marx und dessen Abhandlungen zum Streben des Kapitalisten nach Mehrwert, also Risikoprämien. „Marx hat gesagt, dass der Kapitalist eine Risikoprämie will. Solange es also Kapitalismus gibt, gibt es Risikoprämien – und solange wir weltweit investieren, werden wir diese auch verdienen. Der Rest ist Kür.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Pensionskassen | Strategische Asset Allocation (SAA)
In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar