Der Finanzsektor und die Biodiversität
Eine Studie zeigt, wie Banken, Asset Owner und Asset Manager über die Biodiversität denken. Laut PWC steigt der Umsetzungsdruck im Finanzsektor.
Das Thema „Biodiversität“, also die Vielfalt aller lebenden Organismen, Lebensräume und Ökosysteme auf dem Land, im Süßwasser, in den Ozeanen sowie in der Luft, wird nach Einschätzung von PWC von den Finanzunternehmen in Deutschland noch nicht ernst genug genommen. Deutlich wird das an den Ergebnissen einer Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland. Für die Studie „Die natur-positive Transformation im deutschen Finanzmarkt – eine Bestandsaufnahme“ von PWC und WWF Deutschland wurden 52 Banken, Asset Owner und Asset Manager in Deutschland befragt.
Die Auswertung zeigt, dass drei Viertel (73 Prozent) der Befragten die Bedeutung von Biodiversitäts- und Ökosystemaspekten im deutschen Finanzsektor als „eher gering“ einstufen. Bei den teilnehmenden Banken tun dies 88 Prozent. Auch die Gefahr physischer Risiken durch den Verlust von Biodiversität halten die Befragten mehrheitlich (33 Prozent) für gering.
Allerdings hätten drei Viertel der Befragten als Haupttreiber für die Auseinandersetzung mit Biodiversitätsaspekten die damit einhergehende Minderung der CO2-Emissionen und mehr als zwei Drittel die Abhängigkeit der globalen Wirtschaftsleistung von naturbasierten Ressourcen erkannt. Chancen sehen die Umfrageteilnehmer überwiegend in einer verbesserten Risikoresilienz (39 Prozent) sowie im Erlangen von Wettbewerbs- und Reputationsvorteilen (15 Prozent).
Die Studienmacher heben in ihrer Analyse hervor, dass das Thema noch keine strategische Bedeutung für Finanzinstitute habe. Nur ein sehr kleiner Teil nutze Biodiversitätsdaten bereits zu Steuerungszwecken oder für Net-Zero-Transitionspläne. Lediglich die Hälfte verfüge bereits oder befindet sich in der Entwicklungsphase von Biodiversitätszielen, knapp die andere Hälfte (46 Prozent) plant dies nicht.
„Der Finanzsektor hat die Risiken und Chancen eines naturpositiven Wirtschaftens noch nicht ausreichend erkannt“, stellt Angela McClellan fest. In dem Zusammenhang macht die Direktorin für Sustainable Finance bei PWC Deutschland deutlich, dass das Bewusstsein für physische Risiken, aber auch für Vorteile, die über Wettbewerbschancen und Reputation hinausgehen, auf Seiten der Institute wie auch auf Kundenseite geschärft werden müssten.
Katja Kirchstein von WWF Deutschland kommentiert: „Das Vernachlässigen von Chancen und Risiken der Biodiversität im Finanzsektor wird langfristig zum K.-o.-Kriterium werden – nicht nur für den Erhalt unserer Ökosysteme, sondern auch für die wirtschaftliche Stabilität.“ Jetzt gelte es, in die Zukunft zu investieren und Renditeannahmen langfristiger und widerstandsfähiger zu gestalten, so die Expertin für Sustainable Finance. „Wer sich frühzeitig mit Biodiversität auseinandersetzt, profitiert langfristig von stabileren Renditen und einer stärkeren Marktposition.“ Kirchstein zufolge müssen Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen in Zukunft „viel stärker ihren Einfluss auf die Umwelt berücksichtigen und in diesen Prozess die Ökosysteme, den Kreislauf von Ressourcen und die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten einschließen“.
PWC: Umsetzungsdruck im Finanzsektor steigt
Die Regulierung und neue Standards zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität nehmen die Finanzunternehmen nach Einschätzung von PWC zunehmend in die Verantwortung: Das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) habe zum Ziel, von 2022 bis 2030 den Netto-Verlust von Biodiversität zu stoppen und eine Lebens- und Wirtschaftsweise im Einklang mit der Natur zu erreichen.
Darüber hinaus seien Finanzinstitute und Industrieunternehmen seitens der Europäischen Union „mit umfassenden, regulatorischen Anforderungen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen konfrontiert“. Dazu gehören die EU-Offenlegungsverordnung, die EU-Taxonomieverordnung, die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie weitere EU-Gesetze, die den Finanzsektor indirekt betreffen. Im Oktober dieses Jahres soll der Fokus des COP-16-Treffens in Kolumbien auf der Verringerung der Finanzierungslücke für Biodiversität liegen. Dafür werden die Staaten laut PWC angehalten, bis 2025 die internationalen naturbezogenen Finanzmittel auf mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen.
Mit der „Entwicklung der Regulierung“, wie PWC es formuliert, machten die europäischen Aufsichtsbehörden deutlich, dass sie von Finanzinstituten neben der Berücksichtigung von Klimarisiken auch die Integration von Biodiversitätsrisiken in das Risikomanagement erwarten. Die Umsetzung scheitere jedoch an verschiedenen Herausforderungen – als größte sehen die Befragten die Quantifizierung von Biodiversität und Ökosystemen (75 Prozent), die fehlende Dateninfrastruktur (69 Prozent) sowie den Mangel an Wissen und Know-how (50 Prozent) an.
Angela McClellan von PWC zieht aus den Ergebnissen (hier die Zusammenfassung von PWC) folgendes Fazit für die Unternehmen: „Hausaufgaben machen – für ein zukunftsorientiertes Management von Biodiversitätsrisiken und zur Sicherung der Lebensgrundlagen für Mensch und Natur.“
Die Definition von Biodiversität
Als Biodiversität bezeichnet die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen die Vielfalt aller lebenden Organismen, Lebensräume und Ökosysteme auf dem Land, im Süßwasser, in den Ozeanen sowie in der Luft. Biodiversität enthält laut der Max-Planck-Gesellschaft die Vielfalt unterschiedlicher Arten als auch innerhalb einer Art (taxonomische Diversität), die genetische Vielfalt innerhalb einzelner Arten sowie die Diversität aller Organismen eines Lebensraums (genetische Diversität), die Vielfalt an Biotopen und Ökosystemen sowie an Ökosystemfunktionen wie Bestäubung und Samenverbreitung (ökologische und funktionale Diversität) sowie die Vielfalt an Verhaltensweisen von Tieren (kulturelle Vielfalt).
Begriffe wie Artenvielfalt oder biologische Vielfalt werden den Angaben des Max-Planck-Instituts zufolge häufig synonym verwendet. Laut der Definition sei das Konzept der Biodiversität jedoch umfassender als der Begriff der Artenvielfalt. Dieser sei lediglich ein Maß für die Anzahl an Arten, heißt es.
Lesetipp: Operativ, also auf der Versicherungsseite, ist die Swiss Re in Sachen Biodiversität unterwegs. Die Rückversicherung hat zum Schutz eines Korallenriffs vor dem mexikanischen Cancun zusammen mit der The-Nature-Conservancy-Organisation und staatlichen, lokalen Stellen eine Versicherungslösung auf die Beine gestellt.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Biodiversität | ESG-Berichtspflichten
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