„Das Problem ist die Umsetzung“
Club of Finance debattiert Staatsfinanzen und -investitionen. Vorbehalte gegenüber Kryptowährungen.
Staatsfinanzen und Kryptowährungen spielen trotz eigentlich großer Relevanz – wie auch viele andere wichtige Themen – im Bundestagswahlkampf keine große Rolle. Umso wichtiger, dass diese beiden Themenfelder im Club of Finance einer intensiven Debatte unterzogen wurden. Zum interdisziplinären Wissens- und ungezwungenen Meinungsaustausch trafen sich in Frankfurt in der vergangenen Woche über 50 Interessierte aus der Finanzindustrie.
Auf über zwei Billionen Euro beläuft sich die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland, und wegen Corona aber auch für Hochwasserhilfsmaßnahmen kommen nun bis 2022 400 Milliarden Euro an neuen Schulden hinzu – trotz Schuldenbremse. Die Schuldenquote steigt somit auf 22 Prozentpunkte über dem nach den Maastricht-Verträgen erlaubten Wert. Wer sich darüber keine Sorgen macht, war der erste Referent: BMF-Staatssekretär Werner Gatzer. „Das dürfen wir. Die Schuldenbremse ist flexibel genug“, erläuterte Gatzer. „Wir müssen aber wieder zurück zur Schuldenbremse – und dass wir das schaffen können, haben wir bereits in der Finanzkrise gezeigt.“
Gatzers Optimismus traf bei den Club-Mitgliedern eher auf Skepsis. Einigkeit bestand aber zu einem Aspekt: Es ist genug Geld da, um das für die Schuldenreduzierung nötige Wachstum zu schaffen. Dies sagte auf dem von Faros-Gründer Uwe Rieken moderierten Podium zum Beispiel Ernst Welteke. Für den ehemaligen Präsident der Bundesbank liegt die eigentliche Schwierigkeit aber woanders: „Das Problem ist die Umsetzung. Wir bekommen die PS nicht auf die Straße.“ Beispielhaft erwähnte der ehemalige hessische Landespolitiker Stromleitungen, Luftfilter und Ladesäulen, bei denen die Umsetzung auf große Widerstände stößt.
Blockchain als zentrale Infrastruktur
Im privaten Bereich, nämlich in der Crypto-Szene, besteht dagegen deutlich mehr Dynamik. „Die Blockchain-Technologie wird zur zentralen Infrastruktur“, erläuterte Prof. Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & Management. Allerdings dürfe die Begeisterung für die Technik nicht den Blick für den Nutzen für die Gesellschaft verstellen, gab FAZ-Redakteur Martin Hock zu Bedenken. Den Nutzen von Kryptowährungen für den Verbraucher sieht Sandner weniger in den Industriestaaten als in Ländern, in denen es kein funktionierendes Bankensystem gibt und staatliche Strukturen nur rudimentär vorhanden sind. Als Beispiel erwähnt Sandner, dass El Salvador als erstes Land den Bitcoin als offizielles, gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen hat. Für die Zukunft erwartet Sandner, dass Kryptowährungen weniger volatil sein werden und sich somit auch für die Wertaufbewahrung eignen.
Im Club of Finance wurde die Crypto-Debatte mit Neugier aber auch mit Vorbehalten verfolgt. Kritische Stimmen verwiesen bezüglich der Umsetzung entsprechender Investments auf Probleme in Form von Regulatorik und Nachhaltigkeit. Ein weiteres Problem (nicht nur) aus der Sicht von Degussa-Chefvolkswirt Dr. Thorsten Polleit: „In letzter Konsequenz will der Staat Cryptos nicht als Konkurrenz haben.“ Zudem verwies Polleit auf mögliche Transaktionssteuern.
Zurück zu den Umsetzungsproblemen bei den staatlichen Finanzierungen: Liegt da die Krux nun beim Staat oder bei der Gesellschaft? Eine andere spannende Frage: Wäre eine Investition in die Altersvorsorge einfacher als eine Investition in die Infrastruktur umzusetzen? „Warum begibt der Staat nicht – selbstverständlich durch das Grundgesetz vor Politikerzugriffen gesichert – eine Billionen-Anleihe mit einer Laufzeit von 50 Jahren und investiert den Emissionserlös in Assets für die Altersvorsorge?“, warf der Vorstandsvorsitzende des Clubs, WPV-Geschäftsführer Dr. Hans Wilhelm Korfmacher, bewusst provokant in die Runde.
Abschließend beantwortet wurden die beiden Fragen leider nicht – womit aber spannende Themen für das nächste Club-Treffen bleiben. Ziemlich sicher werden aber die Zinsen auch nächstes Jahr noch interessante Investitionsmöglichkeiten bieten.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Betriebliche Altersversorgung (bAV) | Infrastruktur | Kryptowährung | private Altersvorsorge
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