Alternative Anlagen
21. Mai 2012

Bunga-Bunga-Bonds und die neue Realität

Dekade im Rückblick: Zehn Jahre institutionelle Kapitalanlage, zehn Jahre Krisenmanagement und zehn Jahrgänge portfolio institutionell: Langweilig war es nie! Den Abschluss unseres Rückblicks bildet das Jahr 2011.

Nach einem fulminanten Auftakt am Aktienmarkt und immerhin zwölf Neuemissionen im regulierten Markt der Frankfurter Wert­papierbörse sorgten gravierende Ereignisse ­im Sommer für massive Kursverluste. So verlor der Dax am 9. August zeitweise 7,1 Prozent an Wert und rutschte nach einer neuntägigen Verlustserie bis auf 5.502 Punkte ab. Es war vor allem die Angst der Anleger vor einem Double Dip in den USA, die für einen der ­größten Tageseinbrüche in der ­Geschichte des hiesigen Aktienmarktes sorgte. Erwähnt sei auch die Herabstufung der US-Bonität durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s nach einer wochenlangen Auseinandersetzung zwischen ­Republikanern und Demokraten um eine ­abermalige Anhebung der Schuldenobergrenze. Heftige Kritik kam damals aus China, ­einem der ­größten Gläubiger der Vereinigten Staaten.

Diesseits des Atlantik: Euro-Dämmerung. Denn der Pleitegeier kreiste über der europäischen Peripherie – und tut das bis heute. Vor ­allem Griechenland galt als ausgemachter Default-­Kandidat. Nicht zu Unrecht, wie der Schuldenschnitt im März 2012 bewies. Aber auch ­Italien geriet 2011 verstärkt unter die Räder, wie sich an den Credit ­Default Swaps ablesen ließ, die fast täglich neue Gipfel erklommen. Im Gegensatz zu hellenischen Anleihen und Bunga-­Bunga-Bonds, ­genossen mit dem ­Bundesadler versehene Bonds den Luxus, eine ­vergleichsweise niedrige Rendite bieten zu müssen. Bei den als sicher ­eingestuften Staatsanleihen war die Verzinsung extrem ­niedrig, wie eine Auktion sechsmonatiger Bundes­titel Anfang ­Dezember zeigte. Der Bund musste lediglich eine ­Rendite von winzigen 0,0005 Prozent bieten, während die ­Rendite zehn­jähriger Bundesanleihen unter die Marke von 1,7 Prozent sank.
Und dennoch: Unter institutionellen ­Investoren machte sich 2011 die ­Erkenntnis breit, dass es eine risiko­lose Anlage geschweige denn eine risikolose ­Rendite nicht mehr gibt. Vielmehr spricht man seither vom zins­losen ­Risiko. Deutsche-Bank-Chef Ackermann sagte am 2. ­Dezember 2011 im ­Rahmen des Deutschen Wirtschaftsforums: „­Banken und ­andere ­Investoren, allen ­voran Versicherungen, müssen ihr Risiko-, Bilanz- und Kapitalmanagement an die neue Realität anpassen und ohne ein sicheres Aktivum ­Staatsanleihe auskommen.“ Vor diesem ­Hintergrund gingen ­institutionelle Investoren neue Wege, hinein in ­attraktive, ­mitunter aber auch ­komplexe Investmentnischen.
Timber, Cat Bonds oder die Vergabe von Realkrediten zeugen vom Erfindungsreichtum, der statt zu einem uniformen Anlageverhalten zu einer Vielzahl von Investmenttypen führte. Insbesondere sogenannte Katastrophen­risiken überzeugen die Anleger durch ­ihre ­Diversifikationseigenschaften. ­Rückversicherer wie die Hannover Rück nutzten diese ­Investments schon vor Jahren, ohne dass andere VAG-Anleger davon Gebrauch machen konnten. Denn die ­Aufnahme dieser Risiken in den Anlagekatalog war nicht ­gegeben. Zum Leidwesen des Leiters Kapitalanlagen einer ­großen Pensionskasse, die sich 2011, ebenso wie zahlreiche andere Anleger, für Investments in Catastrophic Risks ­interessierte: „Die Bafin hat uns mitgeteilt, dass es sich bei ­Insurance-linked Securities um keine im Anlagekatalog aufgeführte Anlageart handelt.“ Diese ­Erfahrung musste auch die Redaktion von portfolio institutionell  ­machen. Auf Nachfrage bei der Bafin, ob ­Investments in Insurance-linked ­Securities für VAG-Anleger gestattet sind, hieß es, die „diffizilen rechtlichen ­Fragen eines möglichen ­Verstoßes gegen die Spartentrennung und des Betreibens des ­Rückversicherungsgeschäftes sind noch nicht ­abschließ­end geprüft“.

_Absolute Return enttäuschte

Für wertvollen Anschau­ungs­­­unterricht sorgte damals Kweku ­Adoboli, der  mit seinen Handelsverlusten in Milliardenhöhe der UBS und aller Welt vor Augen führte, wie segensreich ein ­funktionierendes ­Risiko­management sein kann. Die ­Öffentliche ­Versicherung ­Braunschweig erfreute sich dagegen dank dicker ­Kursreserven und ­eines umsichtigen Risk Managements einer hohen Risikotragfähigkeit, wie aus dem ­Interview mit Dr. Stefan ­Hanekopf, seines Zeichens ­Bereichsleiter ­Asset Management, im ­Oktober hervor ging. ­Institutionelle ­Investoren mit einem Hang zu absoluten ­Renditen mussten allerdings schon zu Beginn des Jahres einsehen, dass die ­dafür ­kreierten Vehikel nicht immer hielten, was sie versprachen. Stand 31. Dezember 2010 ­erzielte nur ein Drittel der Absolute-Return-Fonds auf ­Dreijahressicht risikoadjustiert eine ­Rendite über dem ­Geldmarktzins. Dabei wies die Sharpe Ratio mit Werten zwischen 0,49 bis minus 0,57 eine recht große Spannweite und ­damit große Qualitäts­unterschiede auf.

Auf Investorenseite erfreuten sich 2011 insbesondere ­börsen­gehandelte Indexfonds (ETF) wachsender Beliebtheit, auch wenn im ­Jahresverlauf eine Debatte darüber entbrannte, ob ­vollständig replizierende ETF sicherer sind als die Fraktion der swapbasierten ETF. Laut ­Statistiken von Blackrock betrug das in ETF verwaltete ­Vermögen in Europa Ende Mai 2011 rund 318 Milliarden Dollar und lag damit etwa zwölf Prozent über dem Wert von Ende 2010.  Als ­Hauptabnehmer galten institutionelle Investoren, die sich in ­­zunehmendem Maße auch in Gold-Fonds engagierten. Nicht zu ­Spekulationszwecken, sondern vielmehr als Währungs­ersatz.

_Solvency II sorgte weiter für Zündstoff

Die näher ­rückende Einführung von Solvency II ging in der ­Versicherungsindustrie mit Wehklagen einher. Der ­Gesamt­verband der Deutschen ­Versicherungswirtschaft (GDV) fällte in ­einem ­Positionspapier ein ­vernichtendes Urteil über das seit gut zehn Jahren geplante ­Aufsichtsregime. Die fünfte quantitative Auswirkungs­studie, an der von 410 deutschen Versicherern 242 teilgenommen hatten, ­bezeichnete GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg von Fürstenwerth als „nicht ­gelungene Generalprobe“. Fast jeder vierte ­Lebensversicherer in ­Deutschland kam auf eine Solvenzquote ­unterhalb der kritischen Grenze von 100 Prozent. Vor diesem Hintergrund sprach sich die Branche wiederholt für lange Übergangs­fristen von bis zu zehn ­Jahren aus.

Lediglich 15 ­Versicherungs­unternehmen hatten per Ende Juni 2011 bei der Bafin einen Vorantrag für ein internes oder ­semi-­internes ­Modell eingereicht oder zumindest ihr Interesse daran bekundet, um auf diese Weise individuelle Risiken besser abbilden zu können und ­Erleichterung bei der Eigenkapitalunterlegung zu schaffen. ­Angesichts der Komplexität eigener Modelle und hoher Kosten, die damit verbunden sind, griff die Assekuranz überwiegend auf das ­Standardmodell der Aufsicht zurück.
Wieviele Versicherungen letztlich ein internes ­Modell rechnen werden, wird die ­Zukunft zeigen. Die ­kleine Gartenbau-­Versicherung unter Vorstandschef Michael J. Baumeister widmete Solvency II jedenfalls schon viel Aufmerksamkeit. Im ­Interview mit portfolio ­institutionell zeigte Baumeister, der wegen ­Solvency II sogar seinen Ruhestand aufgeschoben hat, ­im Oktober Probleme des Aufsichtsregimes für ­kleinere Versicherer auf: „­Solvency II ist geprägt von dem ­Geburtsfehler, ein Aufsichtsmodell für die ­Allianz und die Gartenbau-Versicherung kreieren zu wollen. Das geht nicht.“ Solvency II sei ein „Angriff auf unser Geschäfts­modell, der uns mit einem langsamen Erstickungstod bedroht“, so ­Baumeister.

portfolio institutionell, 16.04.2012

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