Strategien
3. Januar 2018

Bilanz- und nervenschonend in Aktien

Die präferierte Asset-Klasse bilanzsensitiver Investoren liegt auf der Hand: Fixed Income. Hinlänglich bekannt sind aber die Renditeprobleme der Kuponjäger. Was nun, Fixed-Income-Investor? Abseits der abgegrasten Fixed-Income-Welt ist das Gras auf dem Aktienmarkt immer noch grün.

Dividenden sprießen immer noch ­üppig und das Kurswachstumspotenzial ist immer noch intakt. High Yields und Wandelanleihen sind in diesem Zinsumfeld als Aktiensubstitute deutlich weniger attraktiv. Um Dividenden und Wachstum zu ernten – und dabei von volatilen Ereignissen zum Bilanz­stichtag verschont zu bleiben –, braucht es ein anderes Instrumentarium. Im gut sortierten Werkzeugkasten finden sich verschiedene Absich­erungsstrategien und – ein sehr deutscher Weg – Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. 
Einen insbesondere für Versicherungen attraktiven Weg zeigt der Versicherungskonzern Talanx auf, indem mit Faktorprämien das Rendite-Risiko-Profil optimiert wird und zudem unter dem Solvency-II-Regime die Eigenmittel effizient bewirtschaftet werden. In der ­Oktober-Ausgabe von portfolio institutionell (S. 18 ff.) beschrieben ­Finanzvorstand Dr. ­Immo Querner und Dr. Martin Jaron von der Talanx Asset Management die Allokation in Faktorprämien bei gleichzeitiger permanenter Absicherung des Marktrisikos. „Neben der hohen diversifizierenden Eigenschaft von marktneutralen Faktor­strategien sind die erzielbaren Faktorprämien von zwei bis drei Prozent per annum bei einer Volatilität von ­unter zehn Prozent per annum insbesondere im aktuellen Zinsumfeld für Liability-Driven-Investoren wie Versicherer attraktiv“, so Querner und Jaron. Der Clou: Versicherer, die unter Solvency II die Standardformel anwenden, können bei nachweisbarer hoher Korrelation zwischen Portfolio und Absicherungsinstrument sowie entsprechender Permanenz des Hedges den spezifischen regulatorischen Risiko­beitrag reduzieren. Idealerweise könne daher die Solvenzkapitalanforderung von 39 auf rund 20 Prozent abgesenkt werden. 
Aber auch unabhängig von Solvency II haben Versicherer auch schon vor der Einführung des Regelwerks einen Großteil ihrer Aktien­bestände abgesichert. Zum Beispiel berichtet der Lebensversicherer der Provinzial Nordwest im Geschäftsbericht 2015, dass die Aktienquote 11,6 Prozent und nach Sicherungen 5,7 Prozent betrug. Damit konnte man einen großen Teil der guten Aktienperformance mit­nehmen. Ob die Hausse auch im kommenden, dann zehnten Jahr noch so gut laufen wird? „Gerade jetzt über Sicherungen nachzudenken, ist gesund“, rät Uwe Trautmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Helaba Invest. Ungesund scheint das Gros der Anleger aber nicht zu leben. Trautmann: „Viele Investoren erhöhen ihre Aktienquoten – aber mit Gürtel und Hosenträger.“
Der Klassiker im institutionellen Risikomanagement sind trend­folgende Overlays. Deren Prozyklik hilft zumindest, das Schlimmste zu verhindern. Eine interessante Ergänzung oder Verbesserung ­können Systeme sein, die auf konjunktureller und geldpolitischer Basis die Aktienquote steuern. Vescore, Ansa und eine Reihe von Mischfonds wie Carmignac, Bantleon oder DJE achten auf eine -konjunkturelle und geldpolitische Fundierung. Noch relativ neu ist die Vates Invest GmbH, die von 15 geldpolitischen und 20 konjunkturellen Faktoren wie Inflationserwartung und Spreads den Investitionsgrad im S&P 500 ableitet, wobei das FX-Risiko abgesichert wird. Ende November liegt der Investitionsgrad, der im Jahresverlauf auch schon einmal bei null Prozent war, wie im ersten Quartal bei 133 Prozent und die Jahresperformance bei beachtlichen zwölf Prozent.
Wichtiger als die Rendite ist dem Vates-Team aber die Vermeidung von Drawdowns. „Wer nicht halbiert, muss nicht verdoppeln“, so Christoph Endter von Vates. „Der Vorteil zu einem Trendfolger liegt darin, dass wir schon vor einer Abwärtsbewegung reduzieren können. 2015 konnten wir so eine zwischenzeitliche Abwärtsbewegung von zwölf Prozent signifikant dämpfen.“ Dafür dürfte ein Trendfolger einfacher auf das Risiko­budget eines Investors abzustimmen sein. Der Investitionsgrad könnte auch bis zu 33 Prozent negativ gehen, bislang waren null Prozent aber die niedrigste Aktienquote. Umgesetzt wird das Exposure kostengünstig über Futures. Eine Weiterentwicklung hin zur Steuerung von Faktorprämien wie Value und Growth ist nicht beabsichtigt. Fondsmanager Benjamin Bente: „Solche Faktoren unterliegen noch weiteren Einflussfaktoren. Je mehr nicht erklärbare Störfaktoren, desto größer wären die Drawdowns.“ 
Tail Risk Hedging
Absichern können Anleger aber natürlich nicht nur mit Futures. Mit Optionen lassen sich bei permanentem Einsatz – anders als im Falle von meist opportunistisch eingesetzten Futures in Overlays –, Extremrisiken vermeiden und Drawdowns reduzieren. Puts eröffnen in Hausse-Phasen anders als Futures auch eine größere Upside. Der Nachteil: Dauerhaft mit Puts abzuhedgen ist ziemlich teuer. Somit spielen Tail Risk Hedges, obwohl institutionelle Anleger Extrem­risiken auf dem Radar haben, im institutionellen Lager eine weniger große Rolle als andere Risikomanagementstrategien. Wie eine Umfrage unter institutionellen Anlegern weltweit im „Risk Monitor 2016“ von Allianz Global Investors ergab, haben Diversifikation, Durationsmanagement und Risikobudgetierungen eine mehr als doppelt so große Bedeutung wie Tail Risk Hedging, das aber immerhin 26 Prozent als Risikostrategie nutzen. Als größtes Hindernis werden in der Studie mit 47 Prozent „Costs“ genannt.
Darum bietet es sich an, den Kauf von Puts mit dem gleichzeitigen Verkauf von Calls zu finanzieren. Der Vermögensverwalter Albrech & Cie. verfolgt diese Strategie im Rahmen eines sogenannten „Zero Cost Collar“ für jede einzelne Aktie in seinem Portfolio. Calls oberhalb des aktuellen Aktienkurses werden verkauft und Puts unterhalb des aktuellen Aktienkurses gekauft. „Beim Zero Cost Collar in unserem Fonds werden ausschließlich Optionen im Frontmonat mit einer Laufzeit von vier Wochen gehandelt, die Basispreise liegen jeweils etwa fünf Prozent aus dem Geld. Das maximale Verlustpotenzial ist somit also auf etwa fünf Prozent begrenzt“, erläutert Norbert Wolk, Derivatespezialist bei Albrech & Cie. Das Ziel sei es nicht, „normale“ Verluste zu eliminieren, sondern eben die großen Fat Tails, die meist wie ein Tsunami über das Portfolio herfallen. „Der Hedge wird einmal im Monat am Verfallstag gerollt, so dass die Positionen ständig gegen Extremverluste abgesichert sind.“
Völlig Zero sind die Kosten dieser Collar-Strategie allerdings nicht. Bezahlt wird der Schutz nach unten mit der Reduzierung des Upside-Potenzials auf fünf Prozent im ­Monat. Damit kann man aber leben. Aber nicht immer wird zu null Kosten die gleiche Spanne zwischen Aktienkurs und den beiden Optionen nach oben und unten gegeben sein. Wolk: „Wenn eine Skew besteht, sind Puts meist etwa zehn Prozent teurer als die Calls. Dann wird der Strike des Calls bei etwa 4,5 Prozent oberhalb und der Strike des Puts etwa 5,5 Prozent unterhalb des Aktienkurses gelegt.“
Auch die Helaba Invest bietet bei größeren aktiven Spezialfonds-­Aktienmandaten an, ohne zusätzliche Gebühren auf Einzeltitelebene abzusichern und kann dabei auch die Puts mit dem Verkauf von Calls finanzieren. „Mit dem Schreiben von Optionen lässt sich viel Geld verdienen. Ob es sich aber am Ende lohnt, ist stark pfadabhängig“, erklärt Helaba-Invest-Geschäftsführer Dr. Hans-Ulrich Templin. Relativ betrachtet ist der Einkauf von Puts günstiger geworden. „In diesem Zinsumfeld kosten Futures im Jahr mindestens 40 Basispunkte. Das spricht für Puts“, sagt Templin.
Ebenfalls mit Derivaten – und geringerem Beta – ist die Helaba Invest mit synthetischen Aktienanleihen unterwegs, die wegen der hohen ordentlichen Erträge insbesondere bei Sparkassen gefragt seien. Hemmend seien allerdings regulatorische Vorgaben wie der Neue-Produkte-Prozess. Gestrickt werden die Reverse Convertibles durch die Einbindung eines Pfandbriefes ohne Emittentenrisiko sowieso, dass der maximale Drawdown in den vergangenen zehn Jahren nur bei zehn Prozent lag. Dies reduziert aber auch die Rendite. „Dafür fallen, da es sich um synthetische Aktienanleihen handelt, die Strukturierungskosten weg. Diese können etwa ein Prozent betragen“, so Hans-Ulrich Templin. 
Vola-Dämpfer: Merger-Arbitrage-Strategien
Abseits des Mainstreams, aber dafür bei etwas eingeschränkten ­Investitionsvolumina findet sich mit Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen die deutsche Variante von Squeeze-out-Strategien. Squeeze outs wiederum sind ein Sonderfall, der aus dem Hedgefonds-Universum wohlbekannten Merger- und Arbitrage-Strategien. Auch diese versprechen durch ihre Long-Short-Komponente absolute Renditen – bei allerdings höherer Liquidität. „Wenn ein Übernahmeangebot bekanntgegeben wird, tendiert der Aktienkurs des Zielunternehmens in Richtung Übernahmepreis. Die Anteilsscheine der Target Company verhalten sich dann nicht mehr wie Aktien, sondern wie Zero Coupon Bonds und die Rendite ist mehr oder weniger vorhersehbar“, erläutert Roberto Bottoli, Fondsmanager eines Merger-Arbitrage-Fonds bei Gam Investments.
Welches Sicherheitsgefühl man zu diesem „Bond“ entwickeln sollte, hängt nicht ­zuletzt von der Wahrscheinlichkeit ab, dass die Unternehmensübernahme auch tatsächlich zustande kommt. „Wir handeln den Merger Arbitrage Spread gegen das Risiko, dass der Deal scheitert“, so ­Bottoli, der zuvor eine solche Merger-Arbitrage-Strategie bei Allianz Global Investors gemanagt hat. Ein Grund, dass eine Unternehmensübernahme scheitert, können Bedenken des Kartellamts sein. 
Was beim Merger Arbitrage passiert, lässt sich mit Spin-offs und ­Index-Reviews noch weiter skalieren. Bei Spin-offs, bei denen Fonds Aktien des neuen Spin-off-Unternehmens zugeteilt bekommen, müssen ETFs und andere Benchmark-Investoren die neuen Titel gleich wieder verkaufen, da diese nicht in den entsprechenden Indizes enthalten sind. Zudem gibt es für das neue Unternehmen noch keine Analysten, so dass auch aktive Fonds nicht kaufen. Somit kommt der Kurs der neuen Aktien unter Abwertungsdruck.
Dieser Effekt wird jedoch umgekehrt, wenn die Titel in einen Index aufgenommen werden und die betreffenden ETFs sich zum Stichtag mit diesen Anteilsscheinen eindecken müssen, oder aber fundamentale Investoren die Titel entdecken, da sie aufgrund des günstigen Preises interessant sind oder erste Einschätzungen von Analysten vorliegen. Bei Index-Reviews wiederum entsteht die Arbitrage-Gelegenheit aus den Liquiditäts-Auswirkungen passiver Investoren, die gezwungen sind Titel zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen, die in den jeweiligen Index aufgenommen oder aber herausgestrichen werden. „Wir bekommen Unterstützung von der ETF-Industrie“, sagt Bottoli. 
By the way: Angelsächsische Pensionsfonds, zu deren Standard-Risikomanagement typischerweise das Rebalancing der strategischen Asset-Allokation zählt, sollten, um von Arbitrageuren nicht ausgenutzt zu werden, weniger oft und vor allem zu dem Markt unbekannten Zeitpunkten die Asset-Allokation wieder auf Start einnorden. Die Analysen aus denen sich diese Erkenntnisse ableiten stammen vom Asset Manager Kempen und vom Pensionsfondsdienstleister PGGM. 
Um das Marktrisiko zu hedgen und die Volatilität zu reduzieren kann der betreffende Index parallel short gegangen werden. Dies macht sich bei der Sharpe Ratio positiv bemerkbar, geht aber auch zu Lasten der Rendite. Seit Auflegung im Sommer 2016 erzielte der Gam-Fonds 2,63 Prozent per annum, sein AGI-Pendant über fünf Jahre jährlich 1,7 Prozent. Roberto Bottoli verweist in seinem Q3-Kommentar auf schwache M&A-Aktivitäten, die keine Tax-Reform liefernde US-Regierung und die gedämpfte Volatilität. Außerdem gibt es Fälle, in denen aktivistische Aktionäre des Kaufabsichten verfolgenden Unternehmens Deals torpedieren. 
Mindestpreis mit Garantiedividende 
Auf die im deutschen Recht gegebenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (BuG), die Minderheitsaktionäre schützen, hat sich die in Singen ansässige TBF Global Asset Management spezialisiert – und erzielt durch diesen Fokus auch risikoadjustiert deutlich höhere Renditen. Solche Verträge werden in der Regel geschlossen, wenn sich das kaufende Unternehmen einen Anteil von 75 Prozent an dem Zielunternehmen gesichert hat. Beispiele sind VW/MAN oder Dürr/Homag. Ein Beherrschungsvertrag beinhaltet, den Minderheitsaktionären – wie TBF – einen bestimmten jährlichen Gewinn zu garantieren und die Pflicht zum Ausgleich von Bilanzverlusten. „Die durchschnittliche Garantiedividende aus den BuG-Verträgen liegt in unseren Portfolios bei etwa drei bis 3,5 Prozent“, teilt Dirk Sammüller, Senior Portfoliomanager von TBF, mit. Hinzu kommen außerordentliche Erträge durch Nachbesserungen im Rahmen von Spruchstellenverfahren. Diese Verträge laufen meist so lange, bis der Mehrheits­aktionär seine Anteile auf 95 Prozent aufstockt und einen Squeeze-out vollziehen kann.
Sammüller: „Aus unserer Erfahrung heraus liegt zwischen BuG und Squeeze-out häufig ein Zeitraum von fünf bis sieben Jahren.“ Beim „Rausquetschen“ ist noch eine Upside für die Minderheitsaktionäre in Form von vor Gericht einklagbaren Nachbesserungsrechten möglich und dadurch, dass gerade die letzten freien Anteile nicht unbedingt die billigsten sind. Nach unten ist der Kurs derweil durch das Übernahmeangebot abgesichert. In Einzelfällen kann eine Aktie bei einer guten Entwicklung aber auch ein hohes Rückschlagpotenzial aufbauen. 
Nachteilig mag an dieser sehr volatilitätsarmen Strategie dagegen die Illiquidität sein, dass wie erwähnt wegen der guten Aktienmarktentwicklung die Absicherung durch das Übernahmeangebot erst sehr spät greift und dass das Investitionsvolumen eingeschränkt ist. Die Angebotsknappheit könnte sich aber dadurch etwas entspannen, dass mit Linde ein echter Blue-Chip für diesen Ansatz interessant wird. Der Greiff Special Situations, dessen I-Tranche noch offen ist, kam 2016 auf 6,55 Prozent und in den vergangenen zwölf Monaten per 30. Oktober auf zwölf Prozent bei einer Sharpe Ratio von stolzen 5,58. Ein anderer Zugangsweg wäre ein offener Spezial-AIF, in dem TBF ausschließlich die BuG-Strategie umsetzt. Ausschlaggebend für den ­Erfolg der Strategie sind laut TBF die hauseigene Datenbank und die über Jahre aufgebauten Erfahrungen mit Übernahmen und Sondersituationen. „Neben dieser langjährigen Expertise sind Kontakte auf Broker- und Anlegerseite ein wesentlicher Faktor. Vor allem bei eventuellen Nachbesserungen ist ein Netzwerk mit Anwälten und ähnlich agierenden Anlegern von Vorteil“, so Sammüller. Gerade mit Blick auf die im Frühjahr wieder anstehende Hauptversammlungssaison erscheint diese Strategie interessant.
Carry versus Solvency-II-Effizienz 
Für Versicherer nachteilig ist bei Overlays und Übernahmen, dass sich die Eigenkapitalunterlegungen für Aktien nicht auf die Volatilität, sondern auf die Quote beziehen. Solvency-II-Investoren mit Standardmodell investieren mit solchen risikoarmen Strategien ihr Eigenkapital nicht effizient. „Für mehr Effizienz brauchen Versicherer für Merger Arbitrages ein internes Modell“, räumt Roberto Bottoli ein. „Eine solche Carry-Lösung ist für Fixed-Income-Investoren aber sehr passend. Künftig wird es auf Grund des ökonomischen Zyklus auch eine Menge an Mergers & Akquisitions geben. Diese werden wegen der hohen Bewertungen vor allem mit Aktien und nicht mit Cash bezahlt werden.“
Ob diese Strategien auch volkswirtschaftlich sinnvoll sind? Zumindest insofern, als dass Pensionsfonds und Versicherungen auf Grund der geringeren Volatilität und Drawdowns mehr Wege haben, Aktienrisiken aufzubauen. 
portfolio institutionell, Ausgabe 12/2017 
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