Bafin feilt an zeitgemäßer Immobilienbewertung
VDP begrüßt Novellierung der Beleihungswertermittlungsverordnung. Hauptgeschäftsführer spricht von wichtigem Schritt „auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Immobilienbewertung“.
Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) begrüßt die am 7. Oktober 2022 von der Bafin veröffentlichte Novelle der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV). In Teilaspekten sei sie aber noch nicht ausreichend, heißt es in einer Mitteilung des VDP.
„Für eine Novellierung der BelWertV war es höchste Zeit“, sagt VDP-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Insgesamt führten die vorgenommenen Anpassungen zu verbesserten Rahmenbedingungen für die Beleihungswertermittlung. Damit sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Immobilienbewertung zurückgelegt. Der Verband dankt der Bafin „für die Offenheit, das Thema nun anzugehen“. Gleichzeitig merkte er an, dass nicht alle Chancen zur notwendigen Erneuerung genutzt worden seien und dass die Neuregelung weiteren Optimierungsbedarf aufweise.
Computerunterstützte Bewertungsmodelle regulatorisch verankert
Eine wesentliche Anpassung der Beleihungswertermittlungsverordnung betrifft nach Verbandsangaben die Nutzung computerunterstützter Bewertungsverfahren. Mit der Novelle werde erstmals die Nutzung statistischer Verfahren bei der Beleihungswertermittlung regulatorisch verankert. Die Nutzungsmöglichkeit beziehe sich auf Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen.
Die Voraussetzungen für eine Verwendung computerunterstützter Bewertungsmodelle werden in Paragraf 19 Absatz 2 der Beleihungswertermittlungsverordnung beim Vergleichswertverfahren verankert. Laut VDP sehen sie nun jedoch unter anderem zusätzliche Validierungs-, Qualitätssicherungs- und Überprüfungspflichten vor. So soll im Falle von Ein- und Zweifamilienhäusern zur Überprüfung stichprobenweise das sogenannte Sachwertverfahren herangezogen werden.
VDP-Hauptgeschäftsführer Tolckmitt begrüßt, „dass die Nutzung statistischer Verfahren bei der Immobilienbewertung in der BelWertV verankert wird. Die Verfahren sind heute so weit ausgereift, dass sie verlässlich valide Ergebnisse liefern.“
Dass eine Nutzung im Bereich des selbstgenutzten Wohneigentums nun flächendeckend möglich sei, stelle für die Banken einen erheblichen Fortschritt dar. Deutschland drohte hier international den Anschluss zu verlieren. Nicht sachgerecht empfindet Tolckmitt jedoch die implementierte Stichprobenkontrolle durch den Sachwert: „Aus unserer Sicht ist die datenbasierte Vergleichswertermittlung der Sachwertermittlung methodisch weit überlegen und deshalb völlig ausreichend.“
Anpassung der Mindestkapitalisierungszinssätze
Zu den wesentlichen Neuerungen in der Beleihungswertermittlungsverordnung zählt nach Ansicht des VDP auch die Anpassung der Mindestkapitalisierungszinssätze. Anstelle der zuvor geltenden starren Zinssätze von mindestens fünf Prozent für Wohnimmobilien und sechs Prozent für Gewerbeimmobilien kommt zukünftig ein dynamisches Modell zum Einsatz.
Demnach richten sich die Mindestkapitalisierungszinssätze jetzt zu einem festen Stichtag nach der Verzinsung der 30-jährigen Bundesanleihe, zu der ein Risikozuschlag in Höhe von drei Prozent für Wohn- und vier Prozent für Gewerbeimmobilien hinzugerechnet wird. Dabei sind Ober- und Untergrenzen vorgesehen: So werden die Zinssätze – unbenommen der Zuschläge für bestimmte Objektarten und der Abschläge für bestimmte erstklassige Immobilien – für Wohnimmobilien stets zwischen 3,5 Prozent und 5,5 Prozent sowie für Gewerbeimmobilien zwischen 4,5 Prozent und 6,5 Prozent liegen.
Die Pfandbriefbanken begrüßen die Koppelung der Mindestkapitalisierungszinssätze an die allgemeine Zinsentwicklung und die damit erreichte Dynamisierung. „Das neue Modell greift eines unserer wesentlichen Petita auf. Es führt in vielen Marktphasen zu sachgerechteren Kapitalisierungssätzen“, betonte Tolckmitt.
VDP sieht Stichtagsmodell kritisch
Kritisch beurteilt der VDP hingegen das verwendete Stichtagsmodell. Dieses sieht vor, dass die Bafin jährlich zum 1. Januar die Mindestkapitalisierungssätze auf Basis des tagesaktuellen Referenzzinses am 30. November des Vorjahres anpasst, wenn dieser zu diesem Zeitpunkt mindestens 0,5 Prozentpunkte höher oder niedriger lag als zum Zeitpunkt der letzten Anpassungsberechnung. Der Verband der Pfandbriefbanken hatte sich, so Tolckmitt, bereits in der Konsultation für die Verwendung eines längerfristigen Durchschnitts eingesetzt, um die Volatilität einer reinen Stichtagsbetrachtung zu reduzieren und dem unterschiedlichen Charakter von Kapital- und Immobilienmarkt gerecht zu werden.
„In den vergangenen Wochen und Monaten trat genau das ein, was wir befürchtet und worauf wir die BaFin auch hingewiesen hatten: Zinssprünge – noch dazu so abrupte wie in diesem Jahr – können bei einer Stichtagslösung zu unsachgemäßen Ergebnissen führen, übrigens in beide Richtungen“, so Tolckmitt. Es müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Liegenschaftszins am Immobilienmarkt nun einmal träger reagiere als ein Kapitalmarktzins, wie man derzeit an den Märkten als Folge von Inflation, Zinswende und Ukraine-Krieg beobachten könne.
Als Alternative zum Stichtagsmodell hatte der VDP einen wenige Quartale umfassenden gleitenden Durchschnitt des Referenzzinses vorgeschlagen. Mit diesem Vorgehen könnten abrupte Ausschläge geglättet werden. Der Verband werde diesen Aspekt gegenüber der Bafin weiter aufgreifen.
Für nicht optimal hält der VDP auch den gewählten Referenzzins: Zwar sei nachvollziehbar, dass die Bafin auf einen öffentlich verfügbaren Zins zurückgreifen müsse. Jedoch sei die Korrelation zwischen der Performance der 30-jährigen Bundesanleihe und dem Liegenschaftszins am Immobilienmarkt besonders gering, erklärte Tolckmitt. „Sach- und praxisgerechter wäre die 10-jährige Bundesanleihe, denn diese Laufzeit korrespondiert zumindest stärker mit den in der gewerblichen Immobilienfinanzierung üblichen Kreditlaufzeiten von drei bis zehn Jahren.“
Hintergrund der pfandbriefrechtlichen Veränderungen
Am 7. Oktober 2022 ist im Bundesgesetzblatt die Pfandbriefrechtliche Änderungsverordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vom 4. Oktober 2022 verkündet worden. Hierdurch wird nach Angaben der Bafin eine Pfandbrief-Meldeverordnung erlassen. Ferner werden die übrigen pfandbriefrechtlichen Verordnungen geändert. Dazu zählen die Pfandbrief-Barwertverordnung, die Deckungsregisterverordnung, die Beleihungswertermittlungsverordnung, die Schiffsbeleihungswertermittlungsverordnung und die Flugzeugbeleihungswertermittlungsverordnung. Auch die Refinanzierungsregisterverordnung wird geändert.
Zum Teil dienten die neuen Regelungen nach Angaben der Bafin der (weiteren) Umsetzung der Covered-Bond-Richtlinie 2019/2162 und der Anpassung an den durch die Verordnung 2019/2160 geänderten Artikel 129 der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation – CRR). Zum anderen seien die Verordnungen dem aktuellen Stand der pfandbriefrechtlichen Entwicklung angepasst worden. Bei der Änderung der Pfandbrief-Barwertverordnung und der Beleihungswertermittlungsverordnung sei es darüber hinaus auch um eine Anpassung an die Marktentwicklung gegangen.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Immobilien
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