Bafin-Chef warnt vor Risiken in Folge des Ukraine-Kriegs
Mark Branson: „Finanzstabilität ist kein Selbstläufer“. Problem seien schwer einschätzbare Zweit- und Drittrundeneffekte.
Bafin-Präsident Mark Branson hat sich warnend zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der gegen Russland und Belarus verhängten Sanktionen auf das deutsche Finanzsystem geäußert. Das deutsche Finanzsystem ist sieht der Bafin-Chef demnach als stabil an. Der Krieg in der Ukraine, der unermessliches menschliches Leid verursache, rufe aber ins Gedächtnis, dass Finanzstabilität kein Selbstläufer sei, sagte Branson auf der Jahrespressekonferenz der Bafin am Dienstag in Frankfurt.
Steigende Inflation macht Zinsanhebung wahrscheinlicher
Die direkten Auswirkungen des Kriegs und der gegen Russland und Belarus verhängten Sanktionen dürften – Stand jetzt – für das deutsche Finanzsystem zwar verkraftbar sein. Denn seine unmittelbaren Verflechtungen mit diesen Ländern und der Ukraine seien begrenzt, so Branson. Problematisch könnten aber nach Ansicht Bransons die schwer einschätzbaren Zweit- und Drittrundeneffekte werden: „Wir sehen zum Beispiel gerade, wie der Krieg weltweit das Wirtschaftswachstum bremst, wie er Handelsbeziehungen stört, die Preise von Gas, Öl und anderen Rohstoffen in die Höhe treibt und wie er das Problem der Lieferengpässe verschärft, unter denen auch die deutsche Wirtschaft seit Beginn der Covid-19-Pandemie leidet. Wir sehen auch, wie infolgedessen die Inflation weiter steigt, was Zinsanhebungen immer wahrscheinlicher macht, auch in der Eurozone.“
Risikoeinschätzung soll jedes Jahr veröffentlicht werden
Die Bafin wisse zudem, dass die militärische, handelspolitische oder energiepolitische Lage jederzeit stark eskalieren könnte, woraufhin es unweigerlich zu Marktturbulenzen käme. Branson betonte, dass die Bafin auch das Schicksal der Menschen sehe, die in Deutschland Schutz suchen. „Uns war es wichtig, ihnen schnell und unbürokratisch zu helfen, indem wir die Eröffnung von Basiskonten erleichtert haben“, erklärte er in seinem Eingangsstatement.
„Als Finanzaufsicht müssen wir risikoorientiert agieren“, sagte Branson. „Wir müssen versuchen, im Vorhinein zu erkennen, an welchen Stellen und unter welchen Bedingungen das Finanzsystem besonders verwundbar ist.“ Auf diese wichtigsten Risiken richte die Bafin ihren Fokus. Und weil sie ihre Arbeit transparent machen wolle, werde sie ihre Risikoeinschätzung nun jedes Jahr veröffentlichen.
Intensivierte Aufsicht für 20 Lebensversicherer und 30 Pensionskassen
Im Hinblick auf Lebensversicherer und Pensionskassen nannte Branson das „seit langem niedrige Zinsniveau“, das nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die deutsche Finanzbranche sei. Es stelle die genannten weiterhin auf eine harte Probe. „Einige von ihnen beaufsichtigen wir besonders intensiv: Im Moment sind es rund 20 Lebensversicherer und gut 30 Pensionskassen – allesamt mit Altlasten aus früheren Garantieversprechen.“
Bis die Zinsen aufgrund der steigenden Inflation angehoben würden, fordere die hohe Inflation alle Versicherer heraus: „Schadenaufwendungen und Kosten dürften steigen, und in der Lebensversicherung dürfte das Neugeschäft zumindest vorübergehend zurückgehen, da die Kaufkraft der privaten Haushalte leidet“, so Branson in seinem Statement.
Risiken bei Zinsen, Bewertungen, Immobilien, Unternehmensanleihen
Neben Niedrigzins und dem inflationsbedingt steigenden Zinsänderungsrisiko thematisierte Branson erneut die Risiken auf den Immobilienmärkten, insbesondere im Wohnimmobiliensegment sowie die Gefahr von Bewertungskorrekturen an Aktien- und Anleihemärkten. Auch bei Unternehmensanleihen sieht Bransons Behörde Risiken: „Bei den Versicherern werden wir anhand von Szenarioanalysen prüfen, welche Auswirkungen Downgrades von Anleihen auf ihre Risikotragfähigkeit haben. Wir werden außerdem weiterhin sicherstellen, dass Asset Manager, wenn nötig, von den gesetzlich möglichen Liquiditätsinstrumenten Gebrauch machen, um Anlegerinteressen zu schützen.“
Weitere Risiken sieht Branson in Cyberangiffen auf Unternehmen des Finanzsektors und darin, dass Unternehmen zu Geldwäschezwecken missbraucht würden. Die Zukunftsrisiken für den Finanzsektor sind zudem aus Sicht der Bafin: Risiken der Digitalisierung und Nachhaltigkeitsrisiken.
20 Jahre Bafin
Zum Ende seines Statements erinnerte der Branson noch an die Zeit der Gründung der Bafin vor etwas mehr als 20 Jahren. Am 1. Mai 2002 sei die Bafin gegründet worden – als integrierte deutsche Finanzaufsicht. Die Behörde war damals aus den drei Bundesaufsichtsämtern für das Kreditwesen (BAKred), für den Wertpapierhandel (BAWe) und für das Versicherungswesen (BAV) hervorgegangen.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Aufsicht | Banken | Corporate Bonds | Immobilien | Lebensversicherung | Pensionskassen
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