Versorgungswerke
28. Juni 2024

Gesunder Menschenverstand und eigener Kopf

Hans Wilhelm Korfmacher nimmt Abschied vom WPV. Im Interview blickt er auf erlebnisreiche drei Dekaden zurück.

Von null DM im Jahr 1993 auf über fünf Milliarden Euro in 2024: Das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer ist eine Wachstumsstory. Erlebt hat der langjährige Geschäftsführer Hans Wilhelm Korfmacher, dessen Tätigkeit am 30. Juni endet, in diesen drei Dekaden unter anderem interessante Gründungsjahre, lehrreiche Aktieninvestments und den spannenden Aufbau von alternativen Assets. Die Story ist für die Versorgungseinrichtung und Korfmacher aber noch nicht zu Ende. Für die Asset-Management-Tochter des WPV geht es nun erst los und für Korfmacher als ­Vorstand des Club of Finance noch weiter.

Mit wie vielen Mitarbeitern und welchen ­Kapitalanlagen startete das WPV 1993?

Hans Wilhelm Korfmacher: Eine Organisation neu aufzubauen war eine spannende Herausforderung. Wir fingen als Untermieter in Räumen der Wirtschaftsprüferkammer mit drei Mitarbeitern an, heute beschäftigen wir einschließlich ­unserer Tochtergesellschaft WPV Advisory & Asset Management GmbH & Co. KG (WPV AAM) 63 Mitarbeiter.

Der Aufbau war zunächst eher mit ­juristischen und Verwaltungsaufgaben verbunden. Die erste Million DM legte ich dann selbst im April 1994 in einem Bankschuld­schein an. Zinsträger, die wir in den nächsten Jahren kauften, bestanden vor allem aus Bundesanleihen, Pfandbriefen und Schuldscheinen von Banken. Damals gab es noch die Banken-Einlagensicherung auch für institutionelle Anleger. Die Laufzeiten lagen bei fünf bis 20 Jahren.

Ich hatte aufgrund meiner wirtschaftsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Ausbildung zwar einschlägige Kenntnisse, aber keine Bankausbildung. In die Kapitalanlage musste ich mich also einarbeiten.

Aufgrund der Aufbausituation war dies möglich, mit zunehmender Befassung mit Anlage­themen, Fortbildung, Routine und positiven wie auch negativen Erfahrungen habe ich sodann die ersten rund 600 Millionen DM (heute liegt das Anlagevolumen bei gut 5,6 Milliarden Euro) persönlich ­angelegt. 2005 habe ich einen Mitarbeiter, der zuvor auf der Bankseite tätig war, insbesondere für die Rentendirektanlage eingestellt.

Die Kapitalanlage wurde damals zunehmend komplexer – Stichwort „dot.com“?

Die dot.com-Krise war lehrreich – und schmerzhaft. Wir hatten neben der Rentendirektanlage, die den Kern der Anlagen ­darstellte, zur Diversifikation erste Immo­bilienanlagen und insbesondere auch ­einzelne Aktienmandate vergeben. Die ­Aktienmandate hatten beim „Platzen der Blase“ noch nicht genügend Reserven aufgebaut. Die erforderlichen Abschreibungen auf die Aktienmandate waren sowohl in der absoluten Höhe als auch insbesondere ­relativ zum gesamten Anlagevolumen überschaubar. Die Erfahrungen in dieser ersten großen Krise haben aber sicher mein späteres Verhalten maßgeblich mitgeprägt.

Nach dem „Crash“ fragte ich den Fondsmanager eines Aktienmandats, warum in einer Anlageausschusssitzung kurz vorher meine Bedenken wegen der hohen Bewertung „vom Tisch gefegt“ und noch vollmundig die Aussicht auf weitere Wertsteigerungen in den Vordergrund gestellt worden ist. Die Antwort war, dass dieser positive Ausblick einer generellen Linie der Geschäftsleitung der Gesellschaft entsprach, die Mandats­reduzierungen vermeiden wollte.

Das war für mich ein Aha-Erlebnis. ‚Vertrauen in fremde Expertise ist gut, Aufbau eigener Kompetenz und Kontrolle ist ­besser‘ ist seitdem einer meiner Grundsätze. Zur Verantwortung eines institutionellen Investors gehört, die Chancen und Risiken von Investments im Detail zu verstehen. Dieser Grundsatz zahlte sich bei der Finanzkrise aus. Der Crash bei den „ach so gut diver­sifizierten“ US-Hypotheken-Verbriefungen mit Top-Bonität traf uns nicht. Kein Manager/Verkäufer konnte mir das fehlende ­Risiko bei diesen Strukturen plausibel ­erläutern, die Einstufung der Rating­agenturen konnte ich nicht nachvollziehen, also kauften wir diese Papiere nicht.

Was waren weitere Lehren?

Diversifikation ist Trumpf! 2002 entschieden wir uns darum, trotz des noch ­geringen Volumens mit einem knapp dreistelligen Millionenbetrag eine Master-KVG-Struktur einzuführen, um unter anderem die ­Diversifikation zu verbessern. Master-KVG war die Deutsche Asset Management, BNP Paribas Securities Services – wir waren der erste deutsche Kunde – hat die Aufgabe des Global Custodian übernommen.

Eine sehr bedeutende Asset-Klasse ist für das WPV Real Estate. Wie erfolgte der ­Aufbau der Immobilienanlagen?

Klassisch. Wir haben uns zunächst an institutionellen Mehranleger-Fonds beteiligt, sowohl an Spezialfonds als auch in kleinerem Volumen an sogenannten institutionellen Publikumsfonds. Die Beteiligung an Letzteren verursachte im Rahmen der Finanzkrise die bekannten Probleme: Die jederzeitige Rückgabemöglichkeit der Anteile ist mit der Illiquidität der Assets in den Fonds nicht in Einklang zu bringen. Deshalb mussten wir ebenso wie andere Investoren feststellen, dass im Einzelfall Anteile nicht sofort ­zurückgegeben werden konnten.

Auf der Grundlage der Erfahrungen haben wir uns entschieden, grundsätzlich Immobilieninvestments über sektoral und regional spezialisierte Zielfonds-Manager zu ­tätigen. In dem von uns dazu in Luxemburg aufgelegten Spezialfonds in der Rechtsform der SCS-FIS, der von der Bayern Invest Luxemburg verwaltet wird, haben wir diese Entscheidung sodann umgesetzt.

Die Immobilienanlagen haben wir wegen der Niedrigzinsphase, die dann zu einer ­Negativzinsphase wurde, in den folgenden Jahren deutlich ausgeweitet. Unter Inanspruchnahme der Öffnungsklausel und teilweise der erweiterten Öffnungsklausel lagen die Immobilienanlagen zweitweise in der Größenordnung von gut 30 Prozent. Diese hohe Allokation in Immobilien hat sich über die Zeitachse gesehen „gerechnet“. Die bis Ende 2021 aufgebauten hohen Reserven – der Return on Investment war zeitweise knapp zweistellig – sind selbstverständlich in den Jahren 2022 bis heute teilweise abgeschmolzen. Bei illiquiden Investments ist „Timing“ aber naturgemäß noch weniger möglich als bei liquiden Anlagen. Insgesamt hat sich die Ausweitung der Immobilien­anlagen im Vergleich zu Anlagen in zum Beispiel Renten sehr positiv ausgewirkt.

Die Corona-Pandemie, die zu einer deut­lichen Ausweitung von Homeoffice geführt hat, die Inflation und der unerwartet ­schnelle Zinsanstieg sowie die geopolitischen Spannungen haben eine toxische ­Mischung ergeben, die so nicht ­vorhersehbar war. Die gestiegenen Mieten mindern zwar die Wertabschläge bei Büroimmobilien, können diese aber nicht kompensieren. Glücklicherweise ist der Anteil der Büroinvestments in unserem Immobilienportfolio inzwischen kleiner als im Durchschnitt bei institutionellen Investoren, auch hier hilft uns die gute Diversifikation der Anlagen.

Kauft das WPV schon wieder antizyklisch Immobilien?

Wir haben das nötige Risikokapital und die erforderliche Liquidität, um selektiv zu ­kaufen. Mal abwarten, welche Opportunitäten sich am Markt noch ergeben werden.

 

Das vollständige Interview, in dem Dr. Hans Wilhelm Korfmacher noch ausführlicher auf Allokationsfragen, Homeoffice und die Gründungsjahre eingeht, finden Sie hier.

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