Arg im Minus
Viele Stiftungsfonds hat es im laufenden Jahr deutlich ins Minus gedrückt. Das verwundert nicht – die Diversifikation Bonds versus Equity hat 2022 nicht funktioniert. Inzwischen haben einige Stiftungsfonds aber auch einen höheren Aktienanteil und suchen sich in ihren ESG-Strategien zu unterscheiden.
Ob das Anlagejahr 2022 letztlich als katastrophal bezeichnet werden kann, bleibt offen – jedenfalls war die Zeit zwischen Februarund Oktober geprägt von hoher Volatilität und einer heftigen Downside. Sowohl bei Anleihen als auch auf der Aktienseite ging es zweitweise mit den Kursen steil nach unten und bislang haben sich die Märkte nur mühsam von ihrer Talfahrt erholt. US-Aktienmarktindizes wie der Dow Jones oder der S&P 500 verloren zwischen sieben und fast 17 Prozent, der Eurostoxx 50 büßte hingegen im laufenden Jahr zehn Prozent seines Wertes ein. Bei Anleihenindizes fallen die Kursverluste teilweise sogar heftiger aus. Auch hier lag der Drawdown deutlich im zweistelligen Bereich. Grund dafür ist sicher nicht nur der Krieg in der Ukraine – auch die weltweit hohen Inflationsraten und der damit verbundene Handlungsdruck auf die Zentralbanken, die Zinsen weiter zu erhöhen, sorgten für Kursverluste an den Märkten.
Stiftungsfonds, die bekanntlich auf ein defensives bis ausgewogenes Verhältnis von Anleihen und Aktien achten, hat das alles nicht unbeschadet gelassen. Bei einigen bekannten Fonds am Markt ist das Minus bislang zweistellig – wie zum Beispiel beim Allianz Stiftungsfonds Nachhaltigkeit oder auch beim BKC Treuhand Portfolio, dem Stiftungsfonds der Bank für Kirche und Caritas. Hier betrugen die Verluste im laufenden Jahr über elf Prozent (siehe Tabelle). Auch Portfoliobeimischungen anderer Asset-Klassen konnten das Minus nicht in ein Plus verwandeln. Zum Beispiel mischt das BKC Treuhandportfolio auch Rohstoffe wie Gold und andere Edelmetalle bei und investiert in Cat-Bonds. Doch der Goldpreis taugte 2022 nicht als Inflationsschutz, denn auch er ist seit März eher gefallen. Aktuell kostet die Feinunze Gold circa 1.760 US-Dollar (Stand: 11. November 2022). Der Stiftungsfonds der BKC versteht sich als defensiver Mischfonds, so betrug der Anteil an Rentenpapieren zum 31. November 2022 56,8 Prozent, der Aktienanteil belief sich auf 13,9 Prozent – bei einem relativ hohen Rohstoffanteil von knapp 14 Prozent. Unter den Top-Positionen des Fonds findet sich auch ein Silber-ETF: Der Anteil des ZKB Silber ETF am Fondsvolumen betrug zuletzt 3,66 Prozent (Stand: 31. Oktober 2022).
Allianz-Fonds mit vielen Staatsanleihen
Der Allianz Stiftungsfonds Nachhaltigkeit ist ein Anleihefonds mit regelbasierter Aktienbeimischung. Das Minus beträgt YTD 11,2 Prozent. Anlagen außerhalb Europas dürfen nicht mehr als 30 Prozent des Portfolios betragen, Schwellenländer maximal 20 Prozent. Der Aktienanteil belief sich Ende Oktober auf 24,2 Prozent, während die größte Asset-Klasse mit 46,8 Prozent Anleihen bildeten – davon wieder fast 80 Prozent hielt der Fonds in Staatsanleihen. Was auch auffällt: Der Fonds hält knapp 29 Prozent Kasse oder geldmarktnahe Instrumente. Der Fonds hat ein Übergewicht auf Frankreich (29 Prozent). Französische Staatsanleihen fallen mit über zehn Prozent auf die Top-Positionen im Fonds. Es wird eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt, die Kundenwünschen angepasst werden kann. Unter ESG-Ausschlüsse fallen zum Beispiel Wertpapiere, die mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen mit Waffen, militärischer Ausrüstung oder militärischen Dienstleistungen erzielen. Auch Wertpapiere von Unternehmen, die mehr als zehn Prozent ihrer Erlöse aus dem Abbau thermischer Kohle erzielen, sind vom Investment-Universum ausgeschlossen.
Bürgerstiftungsfonds Made in Braunschweig
Einen sehr dezidierten Nachhaltigkeitsansatz und eine hohe Aktienquote kombiniert dagegen der Nordlux-Bürgerstiftungsfonds. Der Aktienanteil des Fonds lag zum Stichtag 14. November 2022 bei 43 Prozent, knapp die Hälfte des Fondsvolumens waren Ende Oktober aber auch hier Rentenpapiere, wobei der Fonds stärker in Unternehmensanleihen als in Staatsanleihen investiert. Es handelt sich um eine globale Anlagestrategie, wobei der Fonds keine Benchmark hat.
Die Besonderheit des Fonds liegt darin, dass hier die Bürgerstiftung Braunschweig zusammen mit anderen Bürgerstiftungen aus der Region noch unter dem damaligen Vorsitzenden Ulrich E. Deissner sich 2013 daran machten, einen Asset Manager zu finden, um einen Fonds nach ihren Wünschen aufzulegen. Die Idee dahinter sei unter anderem auch gewesen, „die Verwaltung kleinerer Treuhandstiftungen zu vereinfachen, indem die oftmals kleinen Stiftungen Fondanteile erwerben können und nicht eine eigene Vermögensverwaltung eingerichtet werden muss“, erläutert der aktuelle Vorsitzende des Anlageausschusses, Torsten Lucas, der im Hauptberuf Berater bei der Böhke & Companie Consultants KG ist, die unter anderem Stiftungen und Kommunen bei der Kapitalanlage berät. Zudem könnten Ausschüttungen über den Fondsmantel besser gesteuert und verstetigt werden, die Stiftungen benötigen, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen.
Heute sind neben der Bürgerstiftung Braunschweig weitere Bürgerstiftungen und Privatanleger investiert und es gibt einen Anlageausschuss, der zu großen Teilen mit Stiftungsvertretern besetzt ist. Die Performance im laufenden Jahr kann Lucas nicht freuen, der Verlust liegt aktuell bei knapp 20 Prozent (Stand: 14. November 2022) gegenüber dem Vorjahr. „Der Bürgerstiftungsfonds ist etwas stärker als der Markt gefallen, was unter anderem daran liegt, dass die Gewichtung in Technologieaktien und Zukunftsaktien hoch war – und wir als Anlageausschuss uns auch dafür entschieden haben, dies aufgrund der langfristigen Wachstumsperspektive nicht komplett zu verändern.“ Der Anlageausschuss setzt darauf, dass sich langfristig die Märkte wieder erholen werden. „Als Stiftung hat man grundsätzlich einen Ewigkeitshorizont und deshalb setzen wir bewusst auf einen langfristigen Investmentansatz, bei dem wir Marktturbulenzen auch mal aussitzen können. Buchverluste im Rentenbereich lösen sich bis Laufzeitende zudem wieder auf.“
Bei der Auswahl der Assets kommt ein Nachhaltigkeitsfilter zum Einsatz, der vieles ausschließt, was aktuell Rendite bringt. So sind beispielsweise all solche Unternehmen aus dem Universum ausgeschlossen, bei denen mehr als fünf Prozent des Umsatzes beispielsweise aus der Nuklearindustrie oder der Kohleindustrie kommen. „Große Energieunternehmen, die aktuellen Renditetreiber, haben wir zum Beispiel nicht im Portfolio“, bestätigt Torsten Lucas. Auch in US-Staatsanleihen kann der Fonds nicht investieren – wegen dem Ausschluss von Praktiken wie der Todesstrafe und Fracking. Außerdem sind beispielsweise Investments in die Rüstungs- und Waffenindustrie, die Tabak-, die Alkohol- und die Glückspielindustrie ebenfalls mit einer Umsatzschwelle von fünf Prozent ausgeschlossen.
Die Liste der Ausschlüsse umfasst elf Geschäftsfelder. Hinzu kommen Ausschlüsse auf Basis von sozialen Kriterien wie zum Beispiel Verstöße gegen den UN Global Compact, der sich auf Menschen- und Arbeitsrechte bezieht. „Unser ESG-Filter basiert auf Daten von MSCI ESG Research und ist Einzeltitel-fokussiert. Das heißt, investiert werden kann global, erst kommt der ESG-Filter zum Einsatz und danach erfolgt ein Best-in-Class-Ansatz, aber dies nur im Hinblick auf die finanziellen Kennzahlen“, so Lucas. Man investiert nicht nur in Large Caps, sondern auch in kleinere Unternehmen. Beim Blick auf das Factsheet fällt auf, dass die Top-Positionen alle unter einem Prozent des Fondsvolumens liegen. „Das ist keine Vorgabe von uns, sondern liegt in der Hand des Asset Managers, hier ist die Marschrichtung Diversifikation“, so Lucas. Kurz zusammengefasst, nehmen Anleger des Bürgerstiftungsfonds für das Ziel, langfristig einen realen Werterhalt zu erzielen und für ihr Verständnis von Nachhaltigkeit auch manchmal erhöhte Schwankungen in Kauf, zumindest kurzfristig.
Nachhaltigkeit ist inzwischen für Stiftungen ein Muss geworden – gerade auch im Sinne einer verantwortlichen Anlage der von Stiftungsvorständen verantworteten Geldern. So rät Stiftungsberater Alexander Etterer, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Reportify Analytics GmbH, Stiftungen bei der Fondsauswahl immer zur Wahl eines nachhaltig gemanagten Fonds und dazu, die Anlagestrategien des Fondsmanagements, wenn möglich, genau in den Blick zu nehmen. Gerade in der aktuellen Marktphase, in der insbesondere Anleihen durch die steigenden Zinsen ein „Riesenproblem“ haben, könnte sich aus Sicht des Stiftungsberaters ein Einstieg in die Märkte jetzt lohnen. „Aktuell können Stiftungen unter Umständen zu niedrigeren Kursen und zu höheren Zinsen in den Markt einsteigen. Wenn dann die Zinserhöhungswelle wieder abebbt, profitieren Stiftungen doppelt, weil dann die höheren Zinssätze eingeloggt sind und die Kurse der Anleihen zusätzlich wieder steigen.“ Ob diese Strategie erfolgreich ist, hänge jedoch stark von der Anlagestrategie des Fondsmanagements ab, das sich Stiftungen, wenn möglich, genau anschauen sollten. „Oft fehlt es hier an der nötigen Transparenz und dem Einblick, in welche Anlageklassen und zu welchen Laufzeiten investiert wird und wie die Anlagestrategie konkret aussieht“, so Etterer.
Insbesondere bei Publikumsfonds seien am Markt verfügbare Halbjahres- und Jahresberichte in der Regel zu wenig aussagekräftig und die zeitliche Verzögerung mit oftmals einem halben Jahr bis zur Veröffentlichung sei deutlich zu lang, um einer von den Aufsichtsbehörden geforderten, sachgerechten Kontrolle und Überwachung der Anlagen gerecht zu werden. Etterer rät hier Stiftungsvorständen, in Verhandlungen mit dem gewünschten Vermögensverwalter oder Fondsmanager zu treten und Transparenz einzufordern. Stiftungsfonds haben ihre Berechtigung, auch wegen der meist niedrigeren laufenden Kosten. Der Ewigkeitshorizont von Stiftungen gebietet eigentlich eine höhere Aktienquote, als sie viele Stiftungsfonds fahren. Stiftungsvertreter selbst könnten dies gegenüber Fondsgesellschaften einfordern.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren | Risikomanagement
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