Anlagepolitik: Klimawandel verliert aktuell an Priorität
Globale Umfrage von Robeco zu Klimastrategien von 300 institutionellen und Wholesale-Investoren. Skepsis, ob Klimaziele von Paris zu halten sind, wächst.
Der Klimawandel verliert laut einer weltweiten Umfrage in der Anlagepolitik der Investoren an Bedeutung, zumindest im Westen. So bejahten zwar 62 Prozent der im Rahmen der Umfrage der niederländischen Fondsgesellschaft Robeco „2024 Global Climate Investing Survey“ befragten Investoren, der Klimawandel spiele eine signifikante bis zentrale Rolle in ihrer Anlagepolitik. Im Vorjahr waren es hingegen noch 71 Prozent und in 2022 75 Prozent, die diese Frage nach der zentralen Rolle des Klimawandels bejahten. Auch in Europa gingen die Einschätzungen der Investoren dahingehend zurück: von 91 Prozent in 2022 auf 81 Prozent in 2023 und auf 76 Prozent in diesem Jahr. Am stärksten fiel jedoch der „Drop“ bei Investoren aus Nordamerika aus: Nur 35 Prozent der in dieser Region befragten Investoren sahen mindestens eine wesentliche Rolle für die Anlagepolitik gegeben. Im Vorjahr waren noch 61 Prozent dieser Meinung.
Allein im asiatisch-pazifischen Raum stieg die Bedeutung des Klimawandels für die Investment-Politik an: Hier waren 79 Prozent der Meinung, der Klimawandel spiele eine mindestens signifikante Rolle, gegenüber 73 Prozent im Jahr 2023 und 70 Prozent in 2022.
Damit enthüllt die vierte jährliche Umfrage von Robeco unter 300 Anlegern (institutionelle und Wholesale-Investoren) große regionale Unterschiede in der Einstellung zu Climate Investing. Der asiatisch-pazifische Raum (APAC) ist führend, während das Interesse in Nordamerika hinterherhinkt, wohl aufgrund politischer Auseinandersetzungen über die wahrgenommenen Kosten der Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) in Investitionen. Der weltweite Durchschnitt signalisiere aber noch immer, dass eine Mehrheit der Anleger Climate Investing als Priorität ansehe, so Robeco in einer Mitteilung zur Studie. Es gehe um „Realismus inmitten des Übergangs“ zu einer klimaneutralen Wirtschaft.
Gemeinsam ist Investoren der verschiedenen Weltregionen jedoch der Blick in die Zukunft: Bei der Frage, ob der Klimawandel für die Anlagepolitik in den kommenden zwei Jahren eine wesentliche Rolle spielen wird, geht der Trend ausnahmslos nach oben: Weltweit glauben 77 Prozent, dass dieser dann eine mindestens wesentliche Rolle spielen oder sogar zentral für die Anlagepolitik sein wird.
Versicherer bei Klimazielen vorn
„Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen, dass viele Anleger einen zielgerichteten und sorgfältigen Ansatz verfolgen, um ihre Anlageportfolios zu dekarbonisieren und sich in Richtung einer CO2-armen Wirtschaft der Zukunft zu bewegen“, erklärt Lucian Peppelenbos, Climate and Biodiversity Strategist bei Robeco. „In dem Maße, in dem sie sich mit der harten Arbeit auseinandersetzen, die mit der Klimawende verbunden ist, gibt es weniger Naivität und mehr sorgfältige Überlegungen und Kontrolle im Zusammenhang damit, was erforderlich ist, um Nachhaltigkeit in die vielen Aspekte der Verwaltung von Anlageportfolios einzubinden.“
Im Vergleich zu anderen institutionellen Anlegern und Großanlegern zeichneten sich insbesondere Versicherungsunternehmen durch eine Zusage zur Klimaneutralität aus, was vielleicht darauf zurückzuführen sei, dass sie auf beiden Seiten ihrer Bilanz dem Klimawandel ausgesetzt sind, gibt der Asset Manager Robeco zu bedenken. Rund 39 Prozent der Versicherer haben sich der Studie zufolge bereits öffentlich verpflichtet, weitere 20 Prozent seien gerade dabei, dies zu tun. Regional gesehen scheuten sich nordamerikanische Anleger eher vor Zusagen. Fast die Hälfte (46 Prozent) hat demnach eine Zusage zur Klimaneutralität ausgeschlossen, gegenüber 26 Prozent im vergangenen Jahr.
Mehrheit erwartet ungeordnetes Szenario
Auch sind die Erwartungen an geordnete Klimaszenarien der Zukunft gedämpft. Mehr als drei Viertel der Anleger erwarten stattdessen, dass die Transformation gewissermaßen ungeordnet verlaufen wird und insgesamt gemeinsam zu wenig getan wird. Nur 15 Prozent erwarten einen geordneten Übergang, bei dem Regierungen und Märkte zusammenarbeiten, um die Emissionen zu senken, und acht Prozent gehen von einem „Treibhaus Erde“ aus, in dem sehr wenig unternommen wird, um die globale Erwärmung zu verhindern. Demnach glauben weniger Anleger, dass das Ziel des Übereinkommens von Paris, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, erreicht werden kann. Nur 30 Prozent schätzen ein, dass dieses Ziel erreichbar sein wird, gegenüber 38 Prozent im Jahr 2023, während 41 Prozent der Auffassung sind, dass es nicht erreichbar ist. 2023 hatten das noch 30 Prozent geglaubt.
Die Anleger investierten zudem laut Studie derzeit mehr Mittel in allgemeine Klimastrategien als in solche, die sich speziell auf Unternehmen konzentrieren, die sich im Übergang befinden. Nur 37 Prozent investierten in Strategien, die auf Unternehmen mit glaubwürdigen Übergangsplänen abzielen, obwohl eine Mehrheit (63 Prozent) dies in den bevorstehenden ein bis zwei Jahren plane.
Das Übergangsthema hat außerdem Einfluss auf bevorzugte Anlagestile. Rund 45 Prozent der Befragten nutzten aktive Aktienstrategien, die speziell auf die Allokation in übergangsorientierte Unternehmen abzielten, während 43 Prozent in grüne Anleihen oder auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Anleihen investierten. Dieser Ansatz sei wiederum in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum beliebter.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Dekarbonisierung | Klimaneutralität | Klimaschutz | Klimawandel | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren
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