Alles, nur kein Schwarm
Für Privatanleger machen Crowdinvestments und -Finanzierungen sonst unerschwingliche Anlageformen wie Gewerbeimmobilien oder Private Equity zugänglich. Umgekehrt versuchen Crowdinvesting-Plattformen häufiger auch institutionelle Investoren anzusprechen. Nicht immer mit Erfolg. Die digitalen Plattformen werben mit schlankeren Prozessen und Zugang zu neuen Anlageformen, wie zum Beispiel zu europäischen KMU-Krediten. Ein Blick auf ein vielfältiges Terrain.
Crowdinvesting beziehungsweise Crowdfinancing hat sich in den vergangenen Jahren bei Kleinanlegern immer mehr etabliert. Allein bezogen auf Immobilieninvestments gibt es in Deutschland viele Plattformen, andere Crowdinvesting-Plattformen bieten auch Investments in Startups oder Finanzierungen für kleinere und mittlere Unternehmen an – alles Bereiche, in denen Banken klassischerweise unterrepräsentiert sind oder aus denen sie sich immer mehr zurückziehen. Für die durch die Niedrigzinsphase geplagten Privatkunden will man gute Zinsen bieten, manches mal auch zweistellige Prozentbeträge. Doch mit Ausfällen müssen Anleger auch rechnen. Nicht jeder Kredit wird ein Gewinn.
Immer wieder gehen die digitalen Plattformen auch auf institutionelle Anleger zu. Doch das meist in Form von klassischen Fondsstrukturen, die so gar nicht zur digitalen Welt passen wollen. So berichtete unserer Redaktion im August 2019 auch die Online-Plattform Exporo davon, über ein RAIF-Vehikel nach luxemburgischen Recht Beteiligungen für institutionelle Investoren ab fünf Millionen Euro möglich zu machen. Der RAIF investiere parallel zur Plattform in eine große Anzahl von verschiedenen Einzelobjekten, hieß es damals. Exporo versprach Brutto-Renditen von acht bis zwölf Prozent auf Projektebene. Man befinde sich im Gespräch mit deutschen Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerken.
Fast zwei Jahre später, im Juni 2021, wollte portfolio institutionell nun wissen, wie sich das institutionelle Produkt seitdem entwickelt hat und fragte unter anderem nach Zeichnungs- und Investitions- beziehungsweise Finanzierungsvolumen, nach der Anzahl der Einzelobjekte, der Zusammensetzung des Fonds nach Sektoren und Segmenten, den bisher erzielten Renditen und nach der Art der Beteiligung von Fondsinvestoren an den Investments. Auch fragten wir nach Kredit-Ausfällen in 2019 und 2020. Von Exporo bekamen wir daraufhin die Antwort, man könnte technisch umgehend AIFs vermitteln. „Nach eingehender Prüfung haben wir uns entschieden, diese Möglichkeit nicht weiterzuverfolgen“, schreibt Exporo. „Unser strategischer Fokus liegt darauf, die Exporo-Investmentplattform stetig auszubauen und zu optimieren, damit Privatanleger auch mit geringen Beträgen digital in Immobilien investieren können.“ Der Vorteil für den Kunden sei gleichzeitig, dass er durch die kleineren Beträge auch eine hohe Diversifikation erreichen könne. „Für professionelle und kleinere institutionelle Investoren haben wir die Möglichkeit, im Zuge von Vorfinanzierungen substanzielle Einzelinvestments mit einer kurzen Laufzeit von einem Jahr zu platzieren.“
Mit Investments in europäische KMU ist dagegen die digitale Plattform Estate Guru befasst. Die 2013 ursprünglich in Estland gestartete Plattform vergibt heute Kredite an kleine und mittlere Unternehmen aus Estland, Lettland, Litauen, Finnland, Schweden, Portugal und Spanien – und seit 2020 auch an deutsche kleine und mittelständische Unternehmen. „Wir haben im vergangenen Jahr mit dem Geschäftsbetrieb in Deutschland begonnen, 60 Prozent unseres Kreditvolumens kommt aktuell aus dem Baltikum, aber der Anteil der deutschen Finanzierungen wächst stetig“, sagt Willem Reddingius, Director of Capital Markets. Das gesamte Volumen an begebenen Darlehen beträgt über 380 Millionen Euro.
Mit Immobilien besicherte KMU-Kredite
Das durchschnittliche Kreditvolumen beläuft sich aktuell in Estland etwa auf 120.000 Euro, in Finnland auf circa 300.000 Euro und in Deutschland auf etwa 500.000 Euro. Auf der Plattform können Kleinanleger in erstrangige hypothekenbesicherte Darlehen investieren und zwar in Projektentwicklungen, in Überbrückungskredite und Unternehmenskredite von KMU, für die immer eine Grundschuld auf eine oder mehrere unternehmenseigene Immobilien eingetragen wird. Estate Guru verspricht aktuell eine durchschnittliche Rendite von 11,4 Prozent (Stand: 09.07.2021). Die Immobilien können Unternehmensimmobilien, Bürogebäude oder auch Wohnimmobilien sein. „Wir sehen hier die Chance für Alternative Lending, wo sich traditionelle Kreditgeber wie Banken aus diesen Märkten zurückgezogen haben“, sagt Marek Pärtel, Mitgründer und CEO von Estate Guru. Nun will das Startup auch institutionelle Investoren anlocken, „mit einem Zugang zu einer neuen Asset-Klasse“ – der Immobilien-besicherten europäischen KMU-Kredite. „Wir machen nur selten Mezzanine-Finanzierungen. Zu 98 Prozent sind unsere Finanzierungen Senior-Finanzierungen“, erklärt Pärtel. Der angestrebte Investmentfonds folge einer luxemburgischen RAIF-Struktur und sei ein Closed-end-Fund mit einer Laufzeit von sieben Jahren plus eins. Die Zinsen für die finanzierten Unternehmen liegen bei zwischen fünf und 13 Prozent. Das Zielvolumen für den Fonds liegt bei 100 Millionen Euro. Für institutionelle Fonds-Investoren soll die angestrebte Nettorendite bei acht Prozent liegen. Der Europäischen Investmentfonds (EIF) der Europäischen Investmentbank (EIB) werde als Seed-Investor mit an Bord sein. Die rechtlichen Verhandlungen liefen jedoch noch, so Estate Guru.
Was die Höhe der Kreditausfälle angeht, so beträgt die absolute Ausfallrate auf alle begebenen Kredite 3,3, Prozent und die der noch ausstehenden Kredite 7,5 Prozent (Stand Juni 2021). „Wir sind allerdings in der Regel in der Lage gewesen, den größten Teil der ausfällig gewordenen Kredite zurückzubekommen“, sagt Pärtel. Hinsichtlich der finanzierten Branchen habe man keine Präferenzen, allerdings ist die Finanzierung von Unternehmen aus einigen Sektoren ausgeschlossen, zum Beispiel der Fisch- und Tabakproduktion, Glücksspiel und Wetten oder Waffenproduktion und -vertrieb sowie Atomstromproduktion, so Pärtel.
Eine ganz andere Herangehensweise an das Thema Immobilienkreditfinanzierungen bietet ein anderes Fintech, dessen Services auf semi-professionelle und institutionelle Investoren zugeschnitten sind: Linus Digital Finance. Über die Plattform werden Konsortialkredite sowohl in Senior-Tranchen als auch Mezzanine-Finanzierungen an Projektentwickler oder auch für den Kauf von Bestandsimmobilien vergeben, klassisches Real Estate Private Debt. „Wir wollen damit sowohl Versicherer, Banken, Stiftungen und große Family Offices mit Tickets über 20 bis 60 Millionen Euro ansprechen als auch semi-professionelle Anleger mit ab 200.000 Euro Anlagesumme“, erklärt CEO David Neuhoff. Die Finanzierungen seien aber kein Crowdfinancing, „sondern je Asset gibt es nur einen Kredit.“ Die Kredite sind entweder mit Grundschulden besichert oder es existiert eine Kaufoption auf das Special Purpose Vehicle der kreditgewährenden Gesellschaft bei nachrangigen Finanzierungen.
Alternative Lending für die DACH-Region
Neuhoff, von Haus aus Jurist, vergleicht seine digitale Plattform für Immobilieninvestments mit einem E-Commerce-Shop. „Was sonst über den Syndication-Desk einer Bank läuft, vereinfachen wir in einem digitalen Prozess.“ Investoren kämen aktuell aus Deutschland, Österreich und Großbritannien. Während die Senior-Tranchen in der Regel eine Rendite zwischen 2,5 und vier Prozent böten, erzielten Mezzanine-Finanzierungen bis zu zehn Prozent. Auch mit der Distributed-Ledger-Technologie (im Volksmund: Blockchain) habe man schon Erfahrungen gesammelt: Man habe eine Beteiligung in Form eines Tokens herausgebracht. Vor allem HNWIs und Family Offices hätten bislang so investiert.
Die Welt der Startups und Fintechs ist vielfältig und nicht alle werden überleben. Und eine Sache ist es mit jemandem zu investieren, eine ganz andere aber, in eine solche Crowdinvesting-Plattform zu investieren. So tat es die Commerz Real 2019, als sie strategischer Partner der Crowdinvesting-Plattform Bergfürst wurde. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung erwarb sie 24,9 Prozent der Anteile der Plattform, allerdings nicht für die eigene Kapitalanlage, sondern für das Drittgeschäft: „Crowdinvesting und Crowdfunding haben sich in den vergangenen Jahren als alternative Anlage- und Finanzierungsmöglichkeit entwickelt und werden von immer mehr Anlegern und Projektentwicklern genutzt. Wir als Commerz Real sehen Crowdinvesting als Ergänzung zum klassischen Fondsgeschäft und erwarten, dass sich der Markt in den kommenden Jahren weiter etablieren und überproportional wachsen wird“, teilte die Gesellschaft damals mit.
Genau betrachtet scheinen Crowdinvesting und institutionelle Investoren wenig gemein zu haben. Entweder handelt es sich um Crowdfinancing und es gibt zusätzlich irgendwo einen Fonds für institutionelle Investoren oder das Geschäft ist auf institutionelle Investoren zugeschnitten, dann ist es aber auch kein Crowdinvesting. Die eierlegende Wollmilchsau muss noch erfunden werden. Vielleicht von einem Fintech, in naher Zukunft. Wir sind gespannt.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Alternative Anlagen | Digitalisierung | Immobilien | Real Estate Debt
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