Aktivere Aktivisten
Industriesektor im Fokus. Mehr Zurückhaltung bei Forderungen nach CO₂-Reduzierungen.
Das Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal (A&M) schlägt Aktivisten-Alarm. Wie die Ergebnisse des jüngsten A&M Activist Alert (AAA) zeigen, sind 155 europäische Unternehmen bedroht, innerhalb der nächsten 18 Monate in den Fokus von aktivistischen Kampagnen zu geraten. Dies bedeute einen Anstieg um sieben Unternehmen seit der letzten Auswertung im November 2021. Der Activist Alert enthält Analysen und Prognosen zur Tätigkeit aktivistischer Investoren in Europa. Dafür ausgewertet wurden zum 31. April 2022 insgesamt 1.780 europäische Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung ab 200 Millionen US-Dollar.
Trotz aller Turbulenzen an den Aktienmärkten während der vergangenen Monate steigt das Interesse aktivistischer Investoren. Im Januar und Februar 2022 lag die Anzahl aktivistischer Kampagnen laut der Untersuchung um 30 Prozent über der des Vorjahreszeitraums. Im März und April hat der Krieg in der Ukraine zu einer Verlangsamung des Aktivismus geführt. Diese schätzen die Studienautoren aber nur als vorübergehend ein.
„Obwohl wir in den vergangenen Monaten eine erhebliche Volatilität an den Aktienmärkten erlebt haben, zeigen sich aktivistische Investoren aktiv“, erklärt Patrick Siebert, Managing Director und Co-Head A&M Germany. „Die Herausforderungen, die aus Corona- und Ukrainekrise resultieren, sind hoch und deutsche Unternehmen zeigen sich unterschiedlich performant. Eine Underperformance relativ zum Wettbewerb kann schnell zum Einfallstor aktivistischer Investmenthypothesen werden.“
Deutschland im Fokus der Aktivisten
Auch in Deutschland wachse das Interesse aktivistischer Investoren an. 28 deutsche Unternehmen sind gefährdet, innerhalb der nächsten sechs bis 18 Monate Ziel einer aktivistischen Kampagne zu werden. Dies ist eines mehr als noch im November.
Auf der Liste der besonders gefährdeten Unternehmen befinden sich nach wie vor zehn deutsche Unternehmen. In Europa bleibt Deutschland nach Großbritannien der zweitattraktivste Markt für aktivistische Kampagnen. Der Abstand zu Frankreich und den skandinavischen Ländern wachse weiter an.
ESG bleibt wichtiger Treiber für Aktivismus
Das Hauptinteresse der Aktivisten zieht weiter der Industriesektor auf sich: Mit 52 stammt ein Drittel aller Unternehmen, die der AAA als Ziel aktivistischer Investoren sieht, aus diesem Sektor. Im November lag die Zahl bei 50. Anhaltende Beeinträchtigungen aufgrund der Pandemie sowie die komplexe Situation der Lieferketten haben sich in Folge des Kriegs in der Ukraine weiter verschärft.
Von Umwelt-, Sozial- oder Governance-Kriterien (ESG) getriebener Aktivismus hat in den ersten beiden Monaten 2022 gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent zugenommen. Diese Entwicklung scheint durch den Krieg in der Ukraine aber vorerst gestoppt, beziehungsweise differenzierter betrachtet zu werden: „Gerade in den USA ist zu erkennen, dass große Fonds mit Forderungen nach schnelleren CO₂-Reduzierungen zurückhaltender agieren. Eine Versorgungssicherheit soll keinesfalls aufs Spiel gesetzt werden. Diese Entwicklungen sind neu“, ergänzt Patrick Siebert.
Im Energiesektor ist die Anzahl der erwarteten Ziele seit November um 60 Prozent angewachsen. Hier sieht der AAA nun acht Unternehmen als wahrscheinliche Ziele, im November 2021 lag diese Zahl bei fünf. Der Sektor sieht sich aufgrund des ESG-Fokus, der Verwerfungen auf den globalen Energiemärkten sowie den mittel- bis langfristigen Notwendigkeiten zur Transformation einer komplexen Gesamtsituation ausgesetzt.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren
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